IT in der Verwaltung/Alternative zum manuellen Handling von Bändern und Platten

Im RZ der Landeshauptstadt München steckt eine Weltstadt im Kasten

06.10.2000
Rund 1,3 Millionen Einwohner, 640000 Sozialversicherungspflichtige, 740000 Kraftfahrzeuge, 47 Stadtbibliotheken mit mehr als 1,4 Millionen Büchern - dieses Zahlenmaterial charakterisiert die Landeshauptstadt München im Hinblick auf ihre Informationstechnik und DV. Helmut Hoefer* erläutert, wie das Rechenzentrum der Stadt die Daten der Bürger mit einen Doppelrobotersystem verwaltet und Datensicherung betreibt.

Jeder Einwohner Münchens ist im Kreisverwaltungsreferat gemeldet, alle Beschäftigten brauchen eine Lohnsteuerkarte, jedes Auto muss zugelassen werden. Auch das Ausleihen von Büchern oder anderen Medien in den Filialen der Stadtbücherei ist nur mit einem speziellen Ausweis möglich. Die Münchner Behörden müssen jeden Tag eine Vielzahl verschiedener Daten generieren und verwalten, um die Abläufe in der Millionenstadt möglichst reibungslos zu gestalten. Für diese Aufgaben wird im Amt für Informations- und Datenverarbeitung (AfID) rund um die Uhr ein zentrales Rechenzentrum betrieben.

Hier, im Herzen Münchens, direkt am Stachus, laufen die Daten aller städtischen Behörden und Einrichtungen zusammen. Das AfID ist jedoch keine eigenständige Behörde, sondern vielmehr ein Dienstleister für alle anderen Dienststellen der Stadtverwaltung, die für die Services des Rechenzentrums bezahlen müssen.

200 Millionen Datensätze sind derzeit in Datenbanken wie Adabas und Oracle ständig abrufbereit. Dabei handelt es sich um Informationen, die nur in elektronischer Form vorhanden sind. Auch die zum großen Teil selbst erstellten Verarbeitungsprogramme sind als geschäftskritisch einzustufen. Eine Vielzahl von gesetzlichen Bestimmungen verlangt eine Archivierungsdauer von bis zu zehn Jahren mit einer zweijährigen Nachlaufzeit. Im Prinzip müssen alle Daten jederzeit verfügbar sein und dürfen erst nach Ablauf dieser Frist gelöscht werden.

140 Verwaltungsgebäude mit ihren 10-Mbit-Einzelnetzen sind über das gesamtstädtische 100-Mbit-Netz-Backbone an die IT-Infrastruktur des Rechenzentrums angeschlossen. Das Zentrum verfügt über zwei Mainframe-Systeme S 130/135 unter BS2000 sowie 26 Server mit unterschiedlichen Betriebssystemen wie Unix, Linux, Solaris, Iris und Sinix. Diese heterogene Client-Server-Struktur soll in Zukunft auf 11000 Arbeitsplätze (Clients) ausgebaut werden. Schon heute finden pro Tag rund 250000 bis 500000 Transaktionen zwischen Clients und Rechnern statt. Im Jahr bewältigen die Anlagen der Zentrale neben der Online-Prozessierung mehr als 300000 Verarbeitungsprozeduren, die sich um die tagsüber eingegebenen Daten kümmern. Die "Produkte", die hier erstellt werden, reichen von Bewilligungsbescheiden, Zahlungsaufforderungen bis hin zum Datenaustausch etwa mit Behörden und Geldinstituten. Diese Arbeiten werden überwiegend nachts und an den Wochenenden durchgeführt.

Für die Sicherung dieser sehr sensiblen und zum großen Teil personenbezogenen Daten stand vor 1990 eine Vielzahl von Laufwerken für Magnetbänder und Wech-selplatten zur Verfügung, die von Mitarbeitern im Schichtbetrieb bedient wurden. Sie mussten die Bänder und Platten selbst von einem Lagerort zu den Laufwerken transportieren und in den Geräten montieren. Die Informationen ließen sich also nur mit hohem Personal- und Zeitaufwand bereithalten. Eine Methode, die auch im Hinblick auf den Datenschutz Risiken barg. Um nun die Probleme unter wirtschaftlichen und sicherheitsrelevanten Gesichtspunkten zu lösen, suchte ein Projektteam nach einer automatisierten Datensicherungsalternative.

Das Amt für Informations- und Datenverarbeitung mit seinen Rechenzentren ist ein Dienststelle für Querschnittsaufgaben. Das heißt, es müssen erst verschiedenste Gremien - von der Fachdienststelle über den Personalrat bis zur Gleichstellungsstelle - durchlaufen werden, bevor ein Projektantrag vom Stadtrat genehmigt werden kann. Wie für alle öffentlichen Projekte fand auch hier nach den Vorgaben der Verdingungsordnung für Leistungen (VOL/A) ein Vergleich der verschiedenen Angebote statt.

Folgende Kriterien waren wichtig:

-Wirtschaftlichkeit,

-Erhöhung des Datenschutzes durch eine Verringerung der Zahl der mit den Datenträgern befassten Mitarbeiter,

-Erhöhung der Datensicherheit durch hermetisch abgeschlossene Räume,

-Übergang zu mechanisch stabileren, wirtschaftlicheren Speichermedien mit einer höheren Speicherkapazität (womit sich auch der Platzbedarf für diese Medien vermindert),

-verbesserte Kosten-Nutzen-Relation,

-Investitionsschutz durch Skalierbarkeit,

-Hochverfügbarkeit der Daten sowie

-Serviceleistungen und Support für die Produktion und Softwareerstellung.

Nach intensiver Recherche und Marktbeobachtung erhielt das "AbbaA/1"-System von Adic/ Grau, der Vorläufer der heutigen Aml/2-Libraries, den Zuschlag. Als 1993 ein zweites System für ein weiteres, räumlich getrenntes Rechenzentrum angeschafft wurde, setzte sich die in München bereits eingeführte Technologie auch hier gegen andere Mitbewerber durch.

Nach Lieferung der ersten Library Mitte 1990 war zwar bereits nach kurzer Installationszeit der erste Mainframe-Zugriff möglich, doch erst nach umfangreichen Testläufen wurde die Abba/1 drei Monate später endgültig ihrer Bestimmung übergeben. Im Vorfeld der Implementierung beider Systeme kämpften die Verantwortlichen gegen schwierige bauliche beziehungsweise statische Rahmenbedingungen.

Das 1990 unter dem BS2000-Mainframe installierte Doppelrobotersystem (sechs Quadrotürme) verfügt über 25000 Medienstellplätze. 5760 Kassettenplätze zusätzlich bietet der AML/2-Roboter, der 1993 ebenfalls unter BS2000 installiert wurde. 1999 erfolgte die Integration der Networker/Reliant-Unit zur Sicherung von Daten aus der heterogenen Server-Welt.

Auch bei der Laufwerktechnologie rüstete man in München kontinuierlich auf, um den Platzbedarf für die immer stärker wachsenden Datenmengen zu minimieren. So sind neben 18-Spur- und 36-Spur-(komprimiert) auch 3590- beziehungsweise 3588-Laufwerke von Siemens sowie die DLT-7000-Technologie von Quantum im Einsatz.

Die universell einsetzbare Greifertechnologie unterstützt den Einsatz heterogener Speichertechnologie und damit die Einbeziehung von verbesserten, wirtschaftlichen Speichermedien in ein und derselben Library.

Die Backup-Software "Archive" und "Networker" (Legato) sichern, je nachdem wie es sich die Kunden des Rechenzentrums wünschen. Im Allgemeinen besteht das Sicherungskonzept aus einer differenziellen Komponente (an den Wochentagen) und einem Voll-Backup an den Wochenenden. Dieser Ablauf wird durch die Art und Sensibilität der Daten vorgegeben. Viele geschäftskritische Anwendungen mit ihren Datenbanken erfordern zum Beispiel eine tägliche Vollsicherung. Darüber hinaus schreibt der Gesetzgeber in einigen Fällen vor, dass sich alle Zugriffe, Veränderungen und Löschungen von Datensätzen über mehrere Jahre rückverfolgen lassen.

Der Hersteller gewährleistet den reibungslosen Einsatz seiner Systeme mit regelmäßigen Wartungen. Die Mitarbeiter schätzen die nun seit neun Jahren im Einsatz befindlichen Mixed-Media-Libraries vor allem wegen der extrem beschleunigten Datenzugriffsgeschwindigkeit. Alle Mitarbeiter, die Daten in irgendeiner Form benötigen oder dafür verantwortlich sind, zeigen sich erleichtert darüber, dass sie sich um die Archivierung und Bereitstellung nicht mehr kümmern müssen.

Die geplante Einführung von SAP und eines Dokumenten-Management-Systems ist ohne die Automatisierung durch Robotersysteme nicht möglich. Da die gegenwärtige Speicherkapazität dafür nicht mehr ausreicht, wird ein Projektteam nach einem weiteren Archivsystem suchen, das die vorhandenen Lösungen integriert und die Migration der unverzichtbaren alten Datenbestände sukzessive ermöglicht.

*Helmut Hoefer ist Leiter der Abteilung Betrieb beim Amt für Informations- und Datenverarbeitung der Stadtverwaltung München.

Die Datenvon 1,3 Millionen Bürgern verwalten

Im Einzugsbereich der Landeshauptstadt München von mehr als 310 Quadratkilometern leben rund 1,3 Millionen Bürger. Die Verwaltungsaufgaben der Behörden erstrecken sich generell auf drei Teilbereiche: An erster Stelle steht dabei die Interaktion mit der Bevölkerung zum Beispiel über das Kreisverwaltungsreferat (unter anderem Meldewesen, Pass, Lohnsteuerkarten, Durchführung von Wahlen, Kraftfahrzeugzulassungsstelle). Außerdem befassen sich die Behörden mit vielen internen Verpflichtungen wie der Verwaltung der Etats und den Gehältern der etwa 40 000 Mitarbeiter. Der dritte Bereich betrifft Planungsaufgaben. Diese reichen vom Neubau von U-Bahn-Strecken über die Finanzplanung bis hin zur Auswertung demoskopischer Daten. Die städtischen Behörden arbeiten zudem mit übergeordneten Landes- und Bundesbehörden zusammen wie beispielsweise mit dem Kraftfahrtbundesamt in Flensburg und der Berliner Bundesdruckerei.