Gefordert werden Großzügigkeit und Flexibilität:

Im Büro 2000 ist die Technik Untertan

18.02.1983

Ab jetzt noch gute 30000 Stunden verbringt ein Arbeitnehmer am Büro- oder Industriearbeitsplatz, bevor das neue Jahrtausend eingeläutet wird. Und daß es auch im Jahr 2000 noch Büroarbeitsplätze gibt, daran scheint trotz vieler Unvorhersehbarkeiten nichts zu rütteln. Wie diese Arbeitsplätze aussehen werden, ist allerdings heute schon abschätzbar. Nicht nur Designwettbewerbe befassen sich mit der Zukunft. die Ergonomie und Arbeitsplatzgestaltung ist auch ein Gebiet, auf dem sich Wissenschaftler verschiedener Bereiche umtun. Fehler werden erkannt und neue Forderungen aufgestellt. Unter diesem Aspekt ist das Betätigungsfeld der Ergonomen heutzutage zu sehen. Ihre Arbeit und die Akzeptanz in der Praxis bestimmen, wie wir und unsere Nachfahren das Büro von morgen erleben werden.

Obwohl derzeit das Wort "Ergonomie" in aller Munde ist, scheint die Durchdringung des Gedankens und seine praktische Verwirklichung doch noch nicht auf breitester Basis realisiert zu sein.

Insider behaupten, daß es derzeit noch am Verständnis auf seiten der Arbeitnehmer und insbesondere der Arbeitgeber hapert, daß die derzeit bekannten Untersuchungsergebnisse noch nicht in dem ihnen gebührenden Ausmaß angewandt werden. "Luxus, der Geld kostet", "Humanitätsgedusel" sind Wertungen, die die Stimmung bezüglich des Einsatzes derartiger humanisierender Maßnahmen ausdrücken.

Ergonomie bringt Geld

Nach Meinung derjenigen, die sich intensiv mit ergonomischen Problemen befassen, handelt es sich allerdings um eine der Möglichkeiten eine Arbeit aus wirtschaftlicher und organisatorischer Sicht heraus rationeller zu ermöglichen.

Dennoch, Ergonomie darf nicht nur aus technischen Gesichtspunkten betrachtet werden. Die interdisziplinäre Zusammenarbeit von Arbeitsmedizinern, Sicherheitstechnikern, Psychologen und Organisatoren wird in den nächsten Jahren zunehmend gefordert und realisiert werden.

Daß Ergonomie nicht nur Geld kostet, meint auch Hans Gerhard Krafft, Leiter des Fachausschusses Verwaltung beim Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften e. V. in Hamburg und Obmann des Sachgebietes "Büroarbeitsplatzgestaltung". Seiner Meinung nach ermöglicht der gezielte Einsatz ergonomischer Gedanken im Gegenteil finanzielle Spielräume, da zusätzliche Sach- und Betriebskosten verdeckt - durch Leistungssteigerung - den Personalkostensektor entlasten können.

So haben Untersuchungen festgestellt, daß ein besseres Beleuchtungsniveau Leistungssteigerungen von bis zu 20 Prozent bedingen. Auch die Begrenzung der Unfallursachen erspart letzten Endes Ausgaben durch Lohnfortzahlungen und Folgekosten.

Die Werbekampagnen der letzten Jahre zeigen positive Ansätze. Betrachtet man Teilbereiche, wie zum Beispiel den Sektor Arbeitsstühle und Tische, so sind im Vergleich zu 1972 oder 1975 beachtliche ergonomische Fortschritte erzielt worden. Dies liegt nicht nur an den Entwicklungsabteilungen der Hersteller, sondern auch an einem gesteigerten Bewußtsein der Anwenderschaft.

Dieser Prozeß wird sich auch in den nächsten Jahren weiter fortsetzen. Dabei werden andere Inhalte stärker zum Tragen kommen, die das Arbeitsleben in entscheidendem Maße beeinflussen.

Hierzu zählen auch andere Informationsbedürfnisse und Arbeitsinhalte, die von den Arbeitgebern gefordert werden und Bestandteil der Ergonomie sind.

Das Bedürfnis über Informationen, die das eigene Unternehmen betreffen, die Auflösung der Monotonie einer Arbeit und das daraus bedingte Wiedererkennen in den Unternehmens- und Arbeitszielen sind untrennbar mit einem ergonomischen Arbeitsplatz verbunden.

Hier wird sich in naher Zukunft eine veränderte Einstellung ergeben - so jedenfalls hoffen die Befragten. Auf diesem Sektor ist eine größere Änderung zu erwarten als auf der rein technischen Ausgestaltung.

Trends lassen sich allerdings auch hier ausmachen. Das Büro des Jahres 2000 soll nach heutigen Erkenntnissen eine Arbeitsstätte sein, die Platz im Raum und vor allem auch auf dem Arbeitstisch bietet. Die Geräte sind - da nur noch eine ausreichend große Arbeitsfläche verfügbar sein wird - frei und flexibel anzuordnen. Ausgesparte Stellflächen für Tastaturen und sonstiges Gerät erweisen sich aus ergonomischen Überlegungen heraus zunehmend als Flop.

Die Zergliederung des Tisches in verschiedene verstellbare Funktionsgebiete schränkt die Möglichkeiten der freien Arbeitsplatzgestaltung so ein, daß bei Hinzunahme neuer Arbeitsinhalte der Büroarbeitsplatz grundlegend geändert werden muß. Selbst die freie Positionierung der Arbeitsmittel ist nicht mehr möglich - der Mensch hat sich nach seinem Tisch zu richten.

Der Trend jedoch geht dahin, Zwängen zu entfliehen - das Büro 2000 wird großzügiger eingerichtet sein. Dies, so meinen die Experten auch deshalb, weil die Einrichtungskosten gemessen an den Gesamtkosten abnehmen werden. Die jetzt schon absehbaren Fortschritte der Technologie unterstreichen diese Richtung. Ein Bildschirm mit all den Vorzügen, die heute in der Diskussion sind (flimmerfreie Positivdarstellung, flache Tastatur, Blend- und Reflexionsfreiheit) wird zwar ein wenig mehr kosten als nicht so ausgereifte Geräte, kann aber auf einer normal großen Tischplatte frei aufstellbar neben kleineren Peripheriegeräten eingesetzt werden, ohne Spezialmöbel zu erfordern.

Ergonomie als Ausbildungsfach

Ein großes Feld liegt aber auch noch in der Ausbildung und Information der White-Collar-Worker über die Ergonomie. Die Auswirkungen fehlerhafter Büroeinrichtungen und Arbeitsmittel sind bei der Mehrzahl der heutigen Arbeitnehmer noch nicht in das Bewußtsein vorgedrungen. So lautet eine Forderung, der Bürotätige selbst solle entscheiden, ob er zum Beispiel lieber sitzend oder stehend seine Aufgaben erfüllen möchte. Die Ergonomen geben nur die Spielräume und Hilfestellungen vor, um negative Auswirkungen zu verhindern.

"Dynamisches Arbeiten" - so lautet eine Formulierung der Verwaltungs-Berufsgenossenschaft - sei eines der Ziele, die im Büro erreicht werden müssen. Innerhalb der gegebenen Normen müsse der Arbeitnehmer mal sitzend, mal stehend seine Aufgaben durchführen können, mal mit dem Bildschirm rechts, mal links.

Designwettbewerbe, wie sie von Zeit zu Zeit durchgeführt werden, zeigen allerdings, daß dieser Gedanke nicht von aufgegriffen wurde.

So sinnvoll diese Wettbewerbe als Anregungen für die Hersteller sind, so häufig steht in ihnen die Technik und das Material im Vordergrund und nicht der Mensch. Die Beurteilung neuer Konzepte der Bürogestaltung rein aus fachspezifischer Sicht würde ein falsches Bild ergeben.