II. Europäische Schachcomputermeisterschaft:"Parwell" und "Elsa" als elektronische Vertreter Deutschlands

14.09.1979

Schon vor einem Jahr mußte die in Amsterdam von langer Hand geplante II. Europäische Schachcomputermeisterschaft kurz vor dem Startschuß abgesagt werden. Der erhoffte Sponsor bei dem "Fourth International Congress of Cybernetics and Systems" sah sich außerstande, die für das Turnier notwendigen finanziellen Mittel aufzubringen.

Nach einem einjährigen Tauziehen scheint nun der letzte Anlauf der Europäischen

Sektion der ICCA (International Computer Chess Association) erfolgreich gewesen zu sein.

Die mehrmals aufgeschobene Veranstaltung findet nun unter der Schirmherrschaft der Europäischen Konferenz über angewandte Informationstechnologie im Londoner Wembley Conference Centre vom 25. bis 27; September 1979 so gut wie sicher statt.

In Europa konnte die erste Computermeisterschaft erst im Jahre 1976 ausgetragen werden. In den USA findet dagegen der nationale Wettbewerb seit 1970 regelmäßig jedes Jahr statt.

Die rettende Hand des IBM-Konzerns, die leider nur Teilkosten für den europäischen Treff der Computerschachfans übernehmen will, wird von dem Veranstalter nicht ausgeschlagen.

So heißt es für alle bereits angemeldeten Teilnehmer, das ganze Turnier praktisch auf Selbstkosten zu bestreiten.

Lediglich die Telefongebühren für die Verbindung mit dem jeweiligen Computer sollen ersetzt werden. Trotz alledem liegen mittlerweile dem Organisator des Turniers Peter Kent (Atlas Computer Laboratory, Oxfordshire) viele feste Zusagen vor.

Mehr als die Hälfte der Gemeldeten bestritt schon erfolgreich die erste Europäische Meisterschaft 1976 in Amsterdam. Mehrere Neulinge haben sich angemeldet.

Zu den besten elektronischen Vertretern aus England (Master-Europachampion 1973, BCP - British Chess Program), den Niederlanden (BS '66 '76) der Schweiz (Tell) und Schweden (Darke Horse) werden sich diesmal höchstwahrscheinlich auch zwei deutsche Programme Münchner Herkunft gesellen.

Das erfahrene Programm "Elsa" (Autor Ludwig Zagler, TU München) hat die Bundesrepublik bereits bei der II. WM 1977 in Stockholm vertreten.

Eine gute Leistung verspricht sich der Münchner Student der TU Thomas Nitsche von seinem neuartigen Entwurf "Parwell 0" der auf dem Parallelrechner Siemens "SMS 201" laufen wird. Ob Parwell beim Kampf um die vorderen Plätze ähnlich wie sein Vorgänger "Orwell III" mitmischen wird?

Das hängt davon ab, ob er bis zur Stunde "Null" einsatzfähig gemacht werden kann. Die Anstrengungen der Münchner Siemens-Tester laufen zur Zeit auf Hochtouren.

Zur Illustration der damaligen Leistungen bringen wir nun die Partie aus der I. EM zwischen "Orwell" und dem englischen Programm "Master" aus dem Jahre 1976, die über den Gesamtsieg entschied.

(Siehe Partie)

Die entscheidenden Verfehlungen von Weiß im 10.h3? (Lg7:!), 17.Kf1? (17.Sd2!), l9.Dc2? (a3!) sind auf damalige Programmfehler zurückzuführen und dürften heutzutage wohl kaum mehr vorkommen.

Man darf auch nicht vergessen, daß seit dieser Begegnung über drei Jahre intensiver Programmierarbeit verstrichen sind.

Mehr Klarheit über das Spielniveau der heutigen "Europäer" bringt wohl das von den Experten mit einiger Spannung erwartete Londoner Kräftemessen selbst.