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IDC proklamiert die "Dynamische IT"

28.09.2004
Eine positive Antwort auf die von Nicholas Carr aufgeworfene Frage, ob IT für den Geschäftserfolg zählt, gab IDCs oberster Visionär Frank Gens in Paris mit seinem Konzept einer "dynamischen IT".

Eine positive Antwort auf die von Nicholas Carr provokant aufgeworfene Frage, ob IT für den Geschäftserfolg zählt, gab IDCs oberster Visionär Frank Gens auf dem IDC Forum in Paris mit seinem Konzept einer "dynamischen IT".

Bevor die Informationstechnologie allerdings genutzt werden könne, um die Wettbewerbssituation des eigenen Unternehmens zu verbessern, müsse das in den vergangenen Jahren entstandene Wirrwarr von Systemen und Applikationen vereinheitlicht werden, erklärte der Senior Vice President Research.

Zumindest die meisten IT-Verantwortlichen in Europa und den USA teilen Carrs Meinung nicht, der zufolge Informationstechnik als Werkzeug zur Verbesserung der eigenen Wettbewerbsposition ausgedient hat. Einer Befragung unter europäischen und amerikanischen Managern zufolge glauben knapp 80 Prozent der Befragten weiterhin, dass IT für die Umsetzung der Unternehmensstrategie eine sehr wichtige oder wichtige Rolle spielt. 54 Prozent erklärten sogar, IT müsse noch stärker als heute genutzt werden. Nur gut zwei Prozent vertraten die Meinung, weniger IT-Nutzung reiche aus.

Davon unbeeindruckt erneuerte Nicholas Carr vor etwa 600 Zuhörern seine These, die IT gleiche immer stärker der Strom- und Wasserversorgung eines Unternehmens. Genau wie letztere sei sie unverzichtbar - da aber heute jedes Unternehmen die Segnungen der Informationstechnik nutzen könne, erringe keines mehr Wettbewerbsvorteile durch ihre Anwendung.

Deshalb geht Carr davon aus, dass

Unternehmen Jahr für Jahr weniger für IT ausgeben werden;

Anwender den Upgrade-Zyklen der Hersteller immer seltener folgen werden;

Firmen verlässliche statt innovativer Technologien nutzen und sich eher darauf konzentrieren werden, Fehler zu vermeiden, statt Chancen durch Technologie zu nutzen.

Frank Gens dagegen postuliert, dass dynamische Unternehmen auch eine dynamische IT benötigen, um schneller auf die wechselnden Anforderungen des Geschäfts zu reagieren. Die Konzepte von IBM ("On Demand") oder HP ("Adaptive Enterprise") seien bereits Reaktionen auf die Forderung nach einer flexibleren IT. Auf dem Weg dorthin müssten sich Anwender einerseits auf ihre Strategie und deren stringente Umsetzung konzentrieren sowie andererseits ihren IT-Betrieb weiter automatisieren und sinnvoll managen.

Der IT-Betrieb braucht laut Gens Dinge wie Service-Level-Management, Messverfahren und Auslastungsermittlung, Sicherheit, Virtualisierung der Infrastruktur sowie last, but not least Plattformverwaltung und -überwachung. Die Elemente für die Business-Unterstützung und für den IT-Betrieb bilden aus seiner Sicht gleichzeitig die Module einer dynamisch aufgestellten IT.

Das Modell der dynamischen IT folgt laut Gens sechs Grundprinzipien. Zwei davon, flexible Betriebskosten und flexibles Sourcing, stellen Geschäftsregeln dar. Erstere sei mit On Demand oder Adaptive Enterprise hinreichend beschrieben, wenn auch noch nicht endgültig definiert und bepreist. Die Rolle des Einkaufs (Sourcing) dürfte ebenfalls nur schwer zu überschätzen sein. Wer hier etwa durch Outsourcing/Offshoring spart, den sieht der IDC-Analyst auf dem Weg der Tugend.

Neben diesen Business-Prinzipien formuliert Gens vier technische Leitsätze:

Virtualisierte Ressourcen;

Standardisierte Komponenten;

eine Service-orientierte Architektur (SOA), sowie

End-to-end-Design und -Management.

Gemeinsam dienen diese dazu, Ressourcen effektiver zu integrieren und gemeinsam zu nutzen sowie ständig die Bedürfnisse des Geschäfts im Auge zu behalten.

"Eine dynamische IT geht über die Technik hinaus", erklärte Gens. Damit ihre Vorteile zum Tragen kämen, müssten Unternehmen nicht nur ihr IT-Management, sondern auch Business-Management und Geschäftsprozesse der neuen Dynamik anpassen, um schneller und genauer auf die Bedürfnisse des Kunden zu reagieren - wie, ließ der Experte leider im Dunkeln.

Noch deutlicher lehnte Don Tapscott, Buchautor und langjähriger Analyst der amerikanischen IT-Szene, Carrs Thesen ab: " Seine Argumente basieren nicht auf Fakten, sie sind falsch. Es gab vor zwanzig Jahren gute Beispiele dafür, dass IT entscheidenden Vorsprung verschafft, und es gibt diese auch heute noch." Zwar führten neue technische Möglichkeiten dazu, dass sich Veränderungen rascher vollziehen und Unternehmen einen einmal erkämpften Vorteil nicht mehr 18 Jahre lang nutzen könnten, sondern vielleicht noch 18 Monate. "Aber nur weil die Zeitspanne kürzer geworden ist, darf ein Unternehmen doch nicht aufhören, diese ausnutzen zu wollen", sagte Tapscott gegenüber der "Computerwoche". (ciw)