IBMs "Future I O" gewinnt gegenüber Intels "NGIO" an Boden

IBMs "Future I O" gewinnt gegenüber Intels "NGIO" an Boden Streit um den zukünftigen Bus-Standard eskaliert

22.01.1999
Von CW-Mitarbeiter Andreas Stolzenberger MÜNCHEN (CW) - Die Entwicklung eines einheitlichen I/O-Standards für Server, der die Schnittstelle zwischen Prozessoren und Peripherie festschreibt, droht zu scheitern. Intels "Next- Generation-I/O"-Konzept verliert mit Compaq, Hewlett-Packard (HP) und Adaptec wichtige Partner, die sich nun auf die Seite von IBMs "Future-I/O"-Technik stellen.

Vor wenigen Jahren mußten sich die Unternehmen bei der Anschaffung von Servern für eines der konkurrierenden Bussysteme EISA oder Microchannel entscheiden. Im Moment gibt es nur einen Standard: Peripherial Component Interconnect (PCI). Doch diese Einheit ist gefährdet. In drei Jahren müssen sich die Anwender möglicherweise zwischen Next Generation I/O und Future I/O entscheiden.

Daß der PCI-Bus zukünftigen Servergenerationen nicht mehr genügen kann, ist den Herstellern schon länger bewußt. Im vergangenen Jahr haben Compaq, IBM und HP den PCI-Nachfolger PCI-X vorgestellt, sehr zum Ärger der Intel-Entwickler, die nicht in diesen Prozeß involviert wurden. Die beteiligten Unternehmen einigten sich schließlich, und auch Intel unterstützt nun diese Spezifikation. Aber PCI-X ist längerfristig keine akzeptable Lösung. Die Busarchitektur ist weder skalierbar, noch fehlertolerant und auch nicht schnell genug. Die Zahl der Steckplätze ist limitiert. Die physische Länge der Leitungen ist durch den parallelen Bus begrenzt und das Shared-Memory-Konzept macht es schwierig, einzelne Komponenten zur Laufzeit an- oder abzuschalten.

Alle Hersteller sind sich einig, daß ein Nachfolgesystem nur auf einem seriellen Bus mit Switching-Technologie zu realisieren ist (siehe Grafik Seite 38). Zusammen mit Intel hat sich daher eine Reihe von Serverherstellern, darunter auch Sun, Siemens, NEC und Hitachi an die Entwicklung des "Next Generation I/O" (NGIO) gemacht. Parallel dazu arbeitet IBM an dem konkurrierenden System "Future I/O", das auf Technologien der Großrechnerwelt basiert, vom Prinzip her NGIO aber ähnelt.

Die beiden potentiellen I/O-Standards der Zukunft haben zu einem Schisma in der Hardwarebranche geführt. Compaq, HP und Adaptec sind auf die Seite von IBM gewechselt und auch andere Hersteller wie 3Com sympathisieren mit dieser Allianz.

Auf der anderen Seite bleibt Intel mit Sun, Siemens und einigen Partnern wie Dell, die mehr an der Nutzung der neuen I/O- Technologie als an deren Entwicklung interessiert sind. Der Streit entzündet sich in erster Linie an der Frage, wie die Technologie an Hersteller weitergegeben wird, ob und wie hoch die Gebühren für die Vergabe von Lizenzen angesetzt werden und wer die Entwicklung maßgeblich beeinflußt. Technische Aspekte spielen eher eine untergeordnete Rolle. Intel ist vor allem daran interessiert, seine NGIO-Technik so schnell wie möglich auf den Markt zu bekommen und damit die Kontrolle über Technologien im Server- Umfeld weiter auszubauen. Daher soll NGIO als offener Standard anderen Herstellern kostenlos zugänglich sein.

Weil Compaq & Co. das nicht einsahen, wechselten sie die Seiten. Sie wollen nicht, daß ihre mit hohem finanziellen Aufwand entwickelten Technologien verschenkt werden. Trittbrettfahrer wie Dell könnten somit fast ohne eigenes Engagement das neue Bussystem verwenden, in das andere viel Geld investierten. "Wenn Standards ohne Berücksichtigung und Honorierung des geistigen Eigentümers gesetzt werden, könnte das den Fortschritt behindern", äußerte Tom Bradicich, Leiter der Abteilung für Serverarchitektur und - technologie bei IBM gegenüber einem US-Nachrichtendienst. Martin Whittaker aus der Entwicklungsabteilung für HPs "Netserver" betont, daß die Future-I/O- Gemeinde einen offenen Industriestandard vorlegen möchte, der die Technologien der mitwirkenden Hersteller würdigt und zu fairen Lizenzkonditionen weitergibt.

Die abtrünnigen Intel-Partner hatten sich auch darüber beschwert, daß der Prozessorkrösus zu wenig auf ihre Änderungsvorschläge am Bussystem eingegangen war und nur seine eigenen Vorstellungen verwirklichen wollte. Deshalb fürchten die NGIO-Gegner auch um die Stabilität der zukünftigen Intel-Norm. Die Chip-Company könnte ohne Absprache mit anderen Herstellern willkürlich Spezifikationen ändern, so die Kritiker.

Tom Macdonald, General Manager der NGIO-Division bei Intel, verteidigt sein Unternehmen: "Die anderen Hersteller suchen nach einer proprietären, geschlossenen Lösung, an der sie verdienen können." Noch haben die Future-I/O-Partner jedoch nicht genau bekanntgegeben, zu welchem Preis sie ihre Technologie weitergeben werden.

Dataquest-Analyst Kimball Brown versteht die Beweggründe der Future-I/O-Verfechter: "Die drei (HP, Compaq, IBM, Anm. der Red.) möchten ihre installierte Basis vor Allerwelts-Hardware schützen, die jeder bauen kann. Sie versuchen, einen von allen Beteiligten gleichermaßen unterstützten, robusten Standard zu etablieren." Brown bezeichnet Intels Technologie als proprietär, da die Entwicklung maßgeblich von einem Unternehmen bestimmt werde.

Auch 3Com will mit der Future-I/O-Gemeinde zusammenarbeiten. Da das neue Buskonzept auf Netzwerk-Technologie (Switching) basiert, möchte das Unternehmen sein Know-how gewinnbringend einsetzen und eigene Controllerchips fertigen.

Die Allianz der Future-I/O-Gruppe stellt eine starke Technologiemacht gegen Intel dar. Die größten Hersteller von Midrange- und Enterprise-Servertechnologie stehen nun gegen NGIO. Intel kann als starke Partner, die auch im Enterprise-Server-Markt eine Rolle spielen, nur noch Sun und Siemens vorweisen. Außerdem könnten sich dem Prozessor- giganten noch andere Hindernisse in den Weg stellen. Unbestätigten IBM-Quellen zufolge verletzen einige Technologien der NGIO-Spezifikation Patente von IBM und Tandon (hundertprozentige Compaq-Tochter). Das ist nicht verwunderlich. Intel-Entwickler weisen IBMs S/390 G5 als "Reference Standard" für ihre Technologie aus.

Der Streit betrifft die Kunden zwar noch nicht unmittelbar. IT- Verantwortliche müssen sich bei Entscheidungen über zukünftige Serveranschaffungen aber bald auf einen Hersteller und damit ein I/O-System festlegen.

Status der I/O-Technologien

Intels Next Generation I/O ist der endgültigen Standardisierung bereits recht nahe. Die offizielle Freigabe der Spezifikation soll auf dem Intel Developer Forum am 22. Februar erfolgen. Eine genaue Dokumentation des I/O-Systems (Stand: Oktober 1998) und die Unterlagen für Lizenznehmer liegen bei Intel auf der Web-Site : http://developer.intel.com/design/servers/future_server_io/index.h tm.

Die ersten Vorstellungen von NGIO fanden bereits auf den Intel- Konferenzen im Herbst des letzten Jahres statt. Das Design kooperiert mit bestehenden Technologien wie I2O und VIA (Virtual Interface Architecture, siehe CW Nr. 51, Seite 25).

Future I/O wurde bislang noch nicht öffentlich präsentiert. Es sind auch noch kaum Informationen über die Architektur zu bekommen. Das System soll auf einer Konferenz der Future-I/O- Partner am 12. Februar in USA vorgestellt werden.