IBM will weniger feste Mitarbeiter

03.02.2012
Das Unternehmen plant in Deutschland angeblich, rund 8000 von 20.000 Arbeitsplätzen in freie Beschäftigungsverhältnisse zu überführen.

Das Vorhaben sei Teil des weltweiten "Liquid"-Programms von IBM, das feste Jobs durch Freelancer ersetzen soll, schreibt das "Handelsblatt". Dem Bericht zufolge plant die hiesige Landesgesellschaft, mittelfristig eine hohe vierstellige Zahl der hierzulande 20.000 Stellen abzubauen und stattdessen freiberufliche Experten zu beauftragen. Die Zeitung beruft sich auf Quellen in obersten Führungsgremien. Dort sehe man langfristig bis zu 8000 feste Arbeitsplätze gefährdet.

Der Abbau der Festanstellungen soll sukzessive und nicht über die üblichen Mittel eines Sozialplans geschehen. "Es gibt keinerlei Anträge über Sozialplanverhandlungen oder entsprechende Sozialtarifverträge", zitiert das Blatt Bert Stach, Verhandlungsleiter von Verdi bei den Tarifgesprächen sowie Mitglied des deutschen IBM-Aufsichtsrats. Betroffen sind vor allem Mitarbeiter im Projektgeschäft. IBM wolle Kundenvorhaben künftig viel stärker an Freelancer ausschreiben, heißt es weiter.

Deutschland ist offenbar eines der Pilotländer für das Liquid-Programm. Das deutsche Management plant der Zeitung zufolge darüber hinaus, die Zuständigkeiten in der Organisation neu zu sortieren und etwa in der Beratung neue Kompetenz-Center zu errichten. Auch das könnte Insidern zufolge Stellen kosten.

Alles soll flexibler werden

Für IBM-Kenner Rüdiger Spies, Vice President bei IDC Central Europe, fügt sich der Plan in die Flexibilisierungsbestrebungen der vergangenen Jahre ein. Angefangen habe der Konzern vor geraumer Zeit damit, die festen Arbeitsplätze aufzulösen, heute habe kaum noch ein IBM-Mitarbeiter einen eigenen Schreibtisch. "Die Flexibilisierung der Arbeitsverträge ist ein weiterer, konsequenter Weg in diese Richtung", beschreibt Spies die Hintergründe. Alles folge letztendlich dem Margenziel, dem sich IBM verpflichtet hat. Der Finanzindustrie wurde für das Jahr 2015 ein Gewinn von 15 Dollar pro Aktie in Aussicht gestellt. Dazu habe man bereits Entwicklungs- und Support-Aufgaben in Offshore-Länder verlagert und Back-Office-Dienste etwa für Finance und Accounting nach Osteuropa vergeben.

"Die Kosten für deutsche Arbeitnehmer sind nun einmal sehr hoch", sagt Spies. Das dürfte auch einer der Gründe dafür sein, dass IBM das Pilotprojekt zur Flexibilisierung gerade hier startet. Schon in den vergangenen Jahren hatte sich IBM um eine "atmende Organisation" bemüht, die in schlechten Zeiten weniger feste Mitarbeiter beschäftigt und sich in guten Zeiten am Freiberufler- und Offshoring-Markt bedient. Das strebt IBM - wie übrigens fast alle anderen IT-Dienstleister auch - insbesondere im konjunkturanfälligen Projektgeschäft an.

Experimente in Deutschland?

IBM hat sich in früheren Jahren immer in Länderorganisationen mit Problemen experimentierfreudig gezeigt. Anfang der 90iger Jahre begann der Konzern beispielsweise in Großbritannien ein Erneuerungsprogramm, nachdem die Niederlassung in wirtschaftliche Bedrängnis geraten war. Dort probte man den flexiblen Arbeitsplatz und das Ausgliedern von Sparten in eigenständige Geschäftseinheiten, anfangs mit erheblichen Problemen und hoher Fluktuation. Die gewonnenen Erfahrungen nutzte IBM später, um das Modell weltweit voranzutreiben. Ob ähnliche Gründe auch in den aktuellen Plänen eine Rolle gespielt haben, ist unklar. IBM veröffentlicht keine finanziellen Eckdaten zu einzelnen Ländern.

Umbau trotz guter Geschäfte

Verdi-Verhandlungsleiter Stach weiß jedoch, dass die Geschäfte für den Branchenriesen, der im vergangenen Jahr seinen 100. Geburtstag feierte, hierzulande alles in allem rund laufen. "IBM hat im vergangenen Jahr einen deutlichen Gewinn und eine ordentliche Marge gemacht", sagte er gegenüber der computerwoche. Auch für Stach sind die nun öffentlich gewordenen Pläne Teil eines langfristigen Programms, feste Arbeitsverhältnisse durch Freiberufler zu ersetzen, zumal diesbezügliche Überlegungen schon länger im Konzern kursierten. "Wir sind uns sicher, dass irgendetwas derartiges passieren wird, über Ausmaß und Zeitpunkt wurden wir bislang nicht informiert", sagte er. "Es wird Zeit, dass die Geschäftsleitung für Klarheit und Ruhe sorgt."

von Thomas Cloer und Joachim Hackmann