Mainframe-Engagement im Fernen Osten

IBM will minimale Marktanteile durch Mitsubishi-Deal aufpäppeln

24.05.1991

TOKIO (CW) - Erstmals in der Unternehmens-Geschichte hat Big Blue sich bereitgefunden, Technologie-Know-how seiner Mainframes an eine andere Firma abzugeben.

Mit der Mitsubishi Electric Corp. als OEM sowohl für ES/9000-Technologie als auch die neueste MVS/ESA-Betriebssystem-Version soll der bislang mit IBM-Modellen nur äußerst schwach besetzte japanische Markt aggressiver angegangen werden.

Mitsubishi wird die 9121-Rechner zukünftig als Top-System unter dem Namen "Melcom 900" vertreiben. Die Japan-Niederlassung von Big Blue, die IBM Japan Ltd., stellt hierzu sowohl die Hardware- als auch MVS/ESA-Betriebssystem-Technologie zur Verfügung, äußerten Sprecher beider Unternehmen übereinstimmend.

Bereits vergangenes Jahr hatte die IBM durch eine Ankündigung im Land der aufgehenden Sonne für Interesse gesorgt: Damals hatte Big Blue die Offenlegung und Verfügbarmachung seiner PC-Technologie verkündet.

Damit sollte zugunsten des blauen Riesen dieses Marktsegment in Bewegung gebracht werden und NECs 50prozentiger Marktanteil angeknabbert werden.

Auch im Mainframe-Bereich hatte die IBM bislang in Japan wenig Chancen: Mit einem Anteil von zwei bis maximal fünf Prozent in diesem Rechnersegment sah Big Blue etwa gegenüber Fujitsu, die mit IBM-kompatiblen Mainframes den japanischen Markt dominierten, und Hitachi Ltd. nicht besonders gut aus.

Mitsubishi wird ab Oktober 1991 sechs verschiedene Melcom-900-Systeme sowohl unter IBMs MVS/ESA- als auch Mitsubishis proprietärem "GOS/EA"-Betriebssystem vertreiben.

Die Zusammenarbeit von Big Blue und Mitsubishi entbehrt nicht einer gewissen Pikanterie: " Wie auch der Informationsdienst vwd mitteilt, hatte der japanische Konzern die Entwicklung von IBM-kompatiblen Computern eingestellt, nachdem ein Fall von Industriespionage im Zusammenhang mit dem IBM-Betriebssystem aufgedeckt worden war, in den auch die Hitachi Ltd. verwickelt gewesen ist.

Wie ein Mitsubishi-Sprecher in diesem Zusammenhang erläuterte, habe man sich nun entschlossen, mit der IBM gemeinsam in Fragen des Betriebssystems zusammenzuarbeiten, andernfalls hätte man Geschäftschancen eingebüßt. Der IBM-Mitsubishi-Deal ist nicht das erste japanisch-amerikanische Übereinkommen zum Verkauf von US-Technologie im High-Tech-Bereich in Japan: Schon vor einigen Monaten hatten NEC und Stratus bekanntgegeben, daß die fehlertoleranten Systeme des Herstellers aus Marlboro, Massachusetts, von NEC in Japan vertrieben werden dürfen.