Nach einer Beraterfirma überprüfte der PTT-Verwaltungsrat das Projekt:

IBM verliert Schlüsselstellung bei Terco

13.03.1987

BERN (CWS) - Die im Herbst 1986 bei der Beraterfirma ICS bestellte Expertise über die Schwachstellen beim PTT-Großprojekt TERCO hat dem "Gelben Riesen" im Hardware-Bereich auf Kosten des "BIauen Riesen" IBM Einsparungen in Millionenhöhe ermöglicht. Zu diesem Ergebnis ist der Sonderausschuß des PTT-Verwaltungsrates gelangt, der den Fall Terco unter die Lupe genommen hat.

Der Präsident des Ausschusses, Bernard Schneider, hat Ende letzter Woche auf einer Pressekonferenz in Bern im wesentlichen die von ICS angeprangerten Schwachstellen des Projektes bestätigt. Die inzwischen getroffenen Maßnahmen führten ihn zu der Feststellung: "Die Terco-Turbulenzen sind überwunden."

Die langwierige und vor allem kostspielige Projektentwicklung - 290 statt 150 Millionen Franken - ist nach den Erkenntnissen des Sonderausschusses auf folgende Mängel zurückzuführen:

- In technischer Hinsicht standen Softwareprobleme im Vordergrund. Ausgelöst wurden sie durch die Annahme, daß die administrativen Arbeiten so auf Computer umgestellt werden müßten, wie sie vorher manuell ausgeführt worden waren. Das stellte sich als unzweckmäßig heraus. Hinzu kam, daß der Einsatz von systemfremden Endgeräten zu Kompatibilitätsproblemen führte.

-Insbesondere aufgrund der Unterschätzung der Komplexität des Vorhabens, aber auch wegen der laufenden Berücksichtigung neuer Bedürfnisse der Benutzer entstanden Verspätungen.

- Das noch nicht stabile Konzept beim Projektbeginn und die entsprechend ungewisse Wirtschaftlichkeitsvorschau waren zusammen mit dem erwähnten Zeitverzug und dem mangelhaften Kreditmanagement verantwortlich für die Kostenüberschreitungen.

Während das Teilprojekt 1 - Auskunftsdienst und Telefonbuchredaktion - noch im Rahmen eines Generalunternehmervertrags realisiert wurde, nahmen die PTT den großen Projektteil 2.1 - Abonnementsdienste - auf eigene Verantwortung in Angriff. Dabei waren sie von Anfang an auf die Unterstützung externer Mitarbeiter angewiesen. Doch auch hier hat man sich verrechnet: 30 externe Berater würden ausreichen, glaubte man. 70 aus 15 verschiedenen Unternehmungen sind es inzwischen, davon elf IBM-Angestellte.

"Der Konflikt im personellen Bereich", glaubt Schneider, "war vorprogrammiert." Denn mangels qualifiziertem eigenen Informatikpersonal mußte man Schlüsselpositionen außenstehenden Spezialisten übertragen, die zum Teil gleichzeitig Vertreter der wichtigsten Gerätelieferanten waren. Interessenkonflikte und Spannungen, nicht zuletzt auch in Lohnfragen, wird jetzt eingeräumt, seien bei dieser Situation eine zwangsläufige Folge gewesen.

PTT-Ausschuß: Fehler nicht schnell genug behoben

1983 sind bei den PTT-Verantwortlichen erste Zweifel über das gewählte Vorgehen aufgekommen. Folge: Eine Umgestaltung im infrastrukturellen Bereich. 1985 erfolgte eine weitere Gesamtüberprüfung. Sie zeigte offenbar, daß die Schwierigkeiten zu einem großen Teil von organisatorischen und Führungsmängeln herrührten. Diagnostiziert der PTT-Ausschuß: "Als eigentliche Schwachstellen wurden die langen Reaktionszeiten auf erkannte Fehler, unklare Zuständigkeitsabgrenzungen und ein ungenügendes gegenseitiges Verständnis der Beteiligten erkannt. Diese Unzulänglichkeiten ergaben sich nicht zuletzt dadurch, daß verschiedene Unterstützungsmittel wie Systemtechnik oder das Entwicklungszentrum sowie wichtige Entscheidungen nicht im Kompetenzbereich des Leiters des Teilprojektes 2.1 lagen."

Schlüsselpositionen durch eigene Leute besetzt

Im Herbst 1986 war dann auf Initiative von PTT-Generaldirektor Rudolf Trachsel die Beraterfirma ICS eingesetzt worden. Sie bestätigte, was man im Prinzip bereits ahnte oder wußte, und schlug konkrete Kosteneinsparungen im Hardware-Bereich vor. Folgende Maßnahmen leitete Trachsel daraufhin in die Wege:

-Reduktion gewisser übersteigerter Anforderungen bezüglich Betriebssicherheit und Systemleistungen. IBM verlor deshalb einen 70-Millionen-Auftrag;

-Vorgabe eines verbindlichen Finanzrahmens für weitere Teilprojekte;

-Stärkung der Kostenüberwachung (Controlling), indem das Gesamtprojekt Terco den internen "Richtlinien über die Führung von Großprojekten" untergeordnet wurde

- Planung einer EDV-Abteilung innerhalb des Fernmelde-Departements;

- Überprüfung der Funktion "EDV" in der unternehmerischen Anwendung.

Überdies beschloß die Generaldirektion, die Schlüsselpositionen im Projekt schrittweise durch eigene Mitarbeiter zu besetzen und die bereits bestehende interne EDV-Schulung mit einer eigenen PTT-Informatik-Ausbildungsstätte in Fribourg zu intensivieren. Und endlich wird eine flexiblere Personalpolitik - Einreihung, Besoldung - angestrebt, um marktkonformer operieren zu können.

Mit diesem stattlichen Maßnahmenpaket gibt sich der Sonderausschuß indes noch nicht zufrieden. Vielmehr hat er eine Reihe von "Zusatzempfehlungen" abgegeben. Bei der Projektplanung wird eine Aufgliederung in überschaubare Teile verlangt. Im Bereich der Kostenkontrolle postuliert der Sonderausschuß den Ausbau und die Systematisierung eines projektbegleitenden Controlling als permanentes Führungs- und Überwachungsinstrument. Bei der Projektorganisation erachtet er eine Aufteilung der Aufgaben auf vier hierarchische Ebenen als unzweckmäßig, weil dadurch die Zuständigkeiten verwischt werden. Der Sonderausschuß lehnt namentlich auch den Einsatz von Projektoberleitungen ab, deren Mitglieder ihre Funktion bloß nebenamtlich ausüben.

Ferner wird empfohlen, die Schlüsselpositionen in erster Linie mit PTT-Mitarbeitern zu besetzen und dazu auch hinsichtlich der Besoldung alle Mittel des Personalrechts auszuschöpfen. Zudem sollen die Anstrengungen zur Ausbildung eigener EDV-Spezialisten weitergeführt werden. An die PTT-Spitze richtet sich die Empfehlung, die allfällige Gründung einer EDV-Tochtergesellschaft der Postbetriebe sowie die Nutzung bereits bestehender Firmen in ihre Pläne einbeziehen.