IBM und Apple Computer müssen mit Marktverschiebungen kämpfen:Tendenz zu Profirechnern zwingt zu Low-Cost-Aktionen

15.11.1985

MÜNCHEN - Nicht nur weihnachtliche Marketingaktivitäten sind Grund für neue Preissenkungen im "PC"-Markt. Bei IBM und Apple vermuten Marktanalytiker schlichtweg volle Lager. Der Wunsch nach mehr Komfort wird zudem 8- und 16-Bit-Lieferanten einen schweren Stand bescheren.

Auch die IBM will mit großzügigen Händlerrabatten für die PC-Modelle XT und AT das bisher recht flaue Geschäft noch einmal ankurbeln. Der Lagerbestand wird von der International Data Corporation (IDC) zum Beispiel als "hoch" und das Angebot "größer als die Nachfrage" eingeschätzt. Allein Big Blue soll auf rund einer halben Million PC sitzen. Genaue Zahlen will der Marktführer nicht bekanntgeben. "Wir haben unsere Lager im Griff", erklärt dazu IBM-Sprecher Rob Wilson. Auch zu den vorweihnachtlichen Händler-Konditionen äußerte sich IBM sparsam: "Wir behandeln dies vertraulich". Wie bisher jedoch bekannt wurde, staffeln sich die Nachlässe um bis zu 350 Dollar für den PC AT, also sechs Prozent, und bis zu 300 Dollar für den PC XT, also acht Prozent vom Normalpreis. Außerdem seien für den "gestrichenen" PCjr mancherorts 174 Dollar weniger zu zahlen.

An diese Bonbons knüpft IBM allerdings recht handfeste Bedingungen: Händler kommen nur dann in den Genuß der neuen Rabatte, wenn sie in den vier letzten Monaten dieses Jahres 70 Prozent der AT- und 80 Prozent der XT-Lieferungen des ersten Halbjahres abnehmen wollen. Der Maximalrabatt greift außerdem nur dann, wenn Quoten zwischen 85 und 100 Prozent akzeptiert werden. Skepsis macht sich da bei den Händlern breit, die mit diesen Einschränkungen die Lagerbestände abbauen sollen.

Bedenken äußerte auch das Consultingunternehmen Gartner Group in Stamford, USA, über die IBM-Maßnahmen. Wegen des Überangebots an PC, der hohen Lagerbestände und der Verkaufszahlen - geringer als erwartet - werde der Marktführer 1986 gezwungen sein, die Preise für die Kleinstrechner weiter bis zu 40 Prozent zu senken.

Bei Apple wird's ebenfalls billiger: Ab 1. November 1985 gelten für Produkte der Apple-II- und Macintosh-Personal-Computer-Linien neue Preise. Künftig umwirbt die deutsche Vertriebsgesellschaft des amerikanischen Mikrokonzerns nach eigenen Aussagen mit Verve den "Kopfarbeiter" in den Zielbereichen Wirtschaft, Ausbildung, Handel und Handwerk sowie freie Berufe. Speziell geschulte Händler sollen dann auch diese potentiellen Anwender vom Nutzen des Kleinstrechners samt Peripherie wie der neuen

20-MB-Festplatte zu 6840 Mark - die durchschnittliche Zugriffszeit liegt bei 85 Millisekunden - oder dem Farbendrucker Imagewriter II zu 2850 Mark - mit einer Standardgeschwindigkeit von 180 Zeichen pro Sekunde und acht eingebauten Zeichensätzen - bei der täglichen Arbeit überzeugen. Der Rutsch zwischen 6 und 60 Prozent abwärts bei lI-Modellen, "Macs" und Speichererweiterungskarten sowie Druckern ist, so Apple-GmbH-Boß Ralph M. Deja, neben den Vorteilen des gesunkenen Dollar-Kurses, die "Frucht weltweiter Umstrukturierung". Im übrigen seien neben "Super-Umsätzen" auf der Systems '85 die Umsatzerwartungen der deutschen Gesellschaft für das am 30. September 1985 abgelaufene Geschäftsjahr mit einem Plus von 30 Prozent eingetroffen. Apple meldete auch für die USA eine Gutwetterlage: Nach einem Verlust von 17,2 Millionen Dollar im vierten Quartal 1983/84 konnte die US-Muttergesellschaft in Cupertino im letzten Quartal

1984/85 bei einem Umsatz von 409,7 (374,9) Millionen Dollar wieder einen Gewinn von 22,4 Millionen Dollar erzielen. Für das Gesamtjahr 1984/85 weist die Mutter einen um 27 Prozent höheren Umsatz von 1,92 (1,52) Milliarden Dollar aus. Die Barreserven von 337 ( 114,8) Millionen Dollar seien noch nie so hoch gewesen, hieß es weiter. Die International Data Corporation (IDC), befleißigt sich mit Blick auf eine PC-Halde allerdings einer etwas anderen Lesart.

Der PC-Überhang bei Apple - wie auch bei IBM - habe seine Ursache in Produktionsstätten, deren Kapazitäten nicht ausgenutzt werden könnten, so Evan Moltz von IDC. Die "Mac"-Fertigung beispielsweise könne 80 000 Einheiten im Monat produzieren, die Nachfrage übersteige aber kaum 30 000. Nach Angaben des New Yorker Nachrichtendienstes "The Computer Letter" seien die Bestände an Apple-Equipment zur Mitte dieses Jahres um knapp 40 Prozent gestiegen.

Kopfschmerzen ähnlicher Art hätten neben den beiden großen Kleinstrechner-Produzenten aber auch Commodore durch einen Anstieg von unverkauften Rechnern in eigenen Depots um 70 Prozent, Hewlett-Packard mit 15 Prozentpunkten sowie Altos mit zehn Anteilen.

Der Heimcomputer ist "out", denn Käufer mit kommerziellen Absichten verlangen nun Bedienungskomfort - so etwa sieht die Markt- und Managementberatung Diebold

Deutschland GmbH, Frankfurt/Main, den Trend. Marktuntersuchungen zeigen, daß dieser Teilmarkt bereits 1984 mit einem Absatz von 660 000 Rechnern seinen Höhepunkt überschritten hatte. Dramatische Bewegungen seien in Zukunft hier nicht mehr zu erwarten. Um so mehr Chancen rechnen sich die Bewerber für den professionell einsetzbaren "Personal Computer" aus. Mit einem Volumen von 100 Milliarden Mark ist der bundesdeutsche Markt für Produkte und Dienstleistungen der Informationstechnik ein sicher reizvolles Areal. Diebold zum Beispiel nennt als PC-Wachstumsrate bis zu 20 Prozent.

"Im Bereich der Personal Computer", so meldet sich ein dritter Mitbewerber zu Wort, "sind wir die Alternative zu IBM": Olivetti will 1985 insgesamt ein Produktvolumen von

400 000 PC realisieren. Damit würde die Produktionskapazität von 4000 auf 25 000 Einheiten monatlich steigen. Vittorio Levi, Vice-President Operations in Ivrea, schreibt seinem Konzern für dieses Jahr einen Anteil von zehn Prozent am professionellen PC-Markt in Europa zu.

Der amerikanischen Konkurrenz wird Stirn geboten. In Westeuropa hat der italienische Produzent Apple als Mitbewerber bereits abgehängt: Mit einem Marktanteil von über zehn Prozent folgt er dem IBM-Konzern, der mittlerweile 35 Punkte aufweisen kann.

Auch die gemeinsam vorangetriebene Entwicklung eines europäischen Mikrocomputers für Unterrichtszwecke mit der französischen Thomson-Gruppe und der britischen Acorn gehört in diesem Zusammenhang erwähnt. 1986 solle die Position als zweiter Lieferant von Business-Computern in Europa gefestigt und weltweit ein Schnitt von acht Anteilen erreicht werden: "Damit sind wir Dritter nach IBM und Apple", rechnet Levi. Ob Olivetti bei Preisnachlässen mitzieht, bleibt ungewiß. Der deutschen Niederlassung ist nichts bekannt: "Wir erwarten eine Ankündigung für Anfang nächsten Jahres". Die Kooperation mit dem US-Konzern American Telephone and Telegraph (AT&T) ermuntert die Italiener noch weiter: Bei professionellen Computern werde auch international der zweite Platz ins Auge gefaßt.

Nicht nur Attraktivität - beispielsweise durch ein wachsendes Angebot an Software - konzediert Diebold dem Markt für professionelle Mikros. Probleme konnten besonders bei dem für nicht wenige Anwender unerläßlichen Service, auf den sich der Preisdruck nachteilig auswirke, auftauchen. Beim Dateitransfer gäbe es altbekannte Probleme, auch an netzwerkfähiger Anwendungssoftware mangele es.

Die Installationen, skizziert Diebold, werden indes weiter wachsen: Für 1990 rechnet der Marktbeobachter mit rund 1,8 Millionen professionellen Mikros im Vergleich zum Stand von rund einer halben Million in diesem Jahr. Besonders der 32-Bit-Rechner sammle im traditionellen Büroumfeld Pluspunkte, nämlich dort, wo größere Projekte zu planen, Budgets zu erstellen oder Betriebskosten zu überwachen sind.