Aktuelles Gartner-Ranking sorgt für Zündstoff

IBM stößt Oracle vom Datenbank-Thron

17.05.2002
MÜNCHEN (CW) - Laut Gartner gelang es IBM im vergangenen Jahr, Oracle als führenden Datenbankanbieter abzulösen. Während Oracle jedoch die jüngsten Zahlen in Zweifel zieht und auf seine unangefochtene Position im Unix-Segment verweist, dürfte der wahre Gewinner ohnehin anders heißen: Microsoft.

"The Winner is: IBM!" So einfach ließe sich die jüngste Erhebung von Gartner zum weltweiten Datenbankmarkt auf den ersten Blick zusammenfassen. Doch wie bei den meisten Statistiken ist vieles Interpretationssache, steckt die Tücke im Detail. Fest steht nur eines: Für den klassischen Datenbankanbieter Oracle, der sich seit geraumer Zeit einem "Zweifrontenkrieg" gegen IBM (im Highend-Bereich) und Microsoft (im Lowend-Segment) ausgesetzt sieht, hat sich die Situation im vergangenen Jahr dramatisch zugespitzt. Denn laut Gartner hat sich Big Blue 2001 dank der Übernahme von Informix die Spitzenposition im Markt für Datenbank-Management-Systeme (DBMS) gesichert. Die Armonker kamen demnach auf 34,6 Prozent aller Umsätze mit Neulizenzen, Oracle nur auf 32 Prozent. 2000 hatte die Larry-Ellison-Company noch mit einem Marktanteil von 34,1 Prozent knapp die Führung vor IBM (33,7 Prozent) behauptet (siehe Abbildung "Der weltweite DBMS-Markt 2001").

Insgesamt beziffern die Gartner-Auguren das DBMS-Marktvolumen 2001 auf 8,8 Milliarden Dollar. Dies entspricht einem konjunkturbedingt mageren Plus von 1,4 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Zum Vergleich: Von 1999 auf 2000 war der Markt noch um rund zehn Prozent gewachsen. "2001 war ein hartes Jahr für die Anbieter, nicht nur aufgrund des konjunkturellen Abschwungs", heißt es denn auch bei Gartner in Anspielung auf die Preiskämpfe, die sich IBM, Oracle und Microsoft in letzter Zeit geliefert haben. Mit unterschiedlichem Ausgang übrigens, denn während IBM und Microsoft ihre Einnahmen mit Datenbanksoftware um 5,7 beziehungsweise 17,8 Prozent steigern konnten, musste Oracle der Gartner-Studie zufolge ein Minus von 4,9 Prozent hinnehmen.

Unterschiede gab es vergangene Woche auch in der Interpretation dieser Ergebnisse - und eine Menge Aufgeregtheiten. Schon einen Tag nach Veröffentlichung der Gartner-Untersuchung äußerte Oracle-Finanzchef Jeff Henley in einer offiziellen Presseerklärung Zweifel an der Aussagekraft der Statistik. Er forderte namentlich die Konkurrenten IBM und Microsoft auf, Analystenfirmen wie Gartner nur "geprüfte Zahlen" vorzulegen. Außer den Kennziffern seiner Company gebe es derzeit kein "unabhängig validiertes" Material, hieß es in seiner Stellungnahme. Zudem habe Gartner den gesamten Datenbankmarkt untersucht, der auch die Legacy-Mainframe-Datenbanken und damit "IBMs Domäne" beinhalte. Der "moderne Datenbankmarkt" spiele sich hingegen bei Unix-, Windows- und Linux-Plattformen ab, und hier sei Oracle nach wie vor führend.

Das Problem ist: Mit dieser Einlassung hatte der Oracle-Manager recht und unrecht zugleich. Denn natürlich haben die Gartner-Auguren auch den Markt für so genannte Relationale Datenbank-Management-Systeme (RDBMS) unter die Lupe genommen - und hier die Lesart von Henley sogar weitgehend bestätigt. Mit einem Anteil von 39,8 Prozent konnte Oracle in diesem Segment - das alle gängigen Datenbankplattformen mit Ausnahme einschlägiger Großrechnerprogramme sowie Zugangssoftware umfasst und damit rund 80 Prozent des gesamten Datenbankmarktes ausmacht - seine Vormachtstellung vor IBM (34,1 Prozent) und Microsoft (14,4 Prozent) behaupten. Allerdings sind die Kalifornier auch hier neben Sybase der einzige Anbieter, der gegenüber 2000 einen Umsatzrückgang (minus 4,9 Prozent) zu verzeichnen hatte.

Nicht völlig falsch dürfte der Oracle-Verantwortliche auch mit seiner Kritik daran liegen, dass den von Gartner ermittelten Zahlen für IBM und Microsoft nur bedingt zu trauen ist. Denn beide Oracle-Wettbewerber weisen in ihren Bilanzen die Umsätze mit Datenbanksoftware nicht explizit aus. Zudem sind seit geraumer Zeit sowohl bei Big Blue und als auch bei Microsoft Bundlings mit anderer Hardware und Software an der Tagesordnung. So werden viele Windows-Rechner automatisch mit dem SQL-Server bestückt ausgeliefert; IBM verkauft beispielsweise seine I-Series-Maschinen (vormals AS/400) vorkonfiguriert mit der Datenbank DB/400.

Rückläufige Tendenz seit drei QuartalenAndererseits laufen die Geschäfte beim einstigen Datenbankprimus schon seit Monaten schlecht. Eine Krise mit Ansage sozusagen - und ein Umstand, auf den auch Gartner-Analystin Betsi Burton, Mit-Autorin der aus Oracle-Sicht umstrittenen Studie, hinweist. "Unsere Methoden wurden in der Vergangenheit von keinem Anbieter hinterfragt, auch nicht von Oracle", konterte Burton den Angriff von Oracle-CFO Henley mit dem Hinweis, dass die Kalifornier lange Zeit gerne selbst mit (für sie guten) Gartner-Zahlen hausieren gingen. Nun aber ist das Anwendungs- und Datenbankgeschäft von Oracle bereits drei Quartale in Folge rückläufig. Für Gartner ist dies keine Überraschung. Schon seit zwei Jahren habe man betont, dass Oracles Marktführerschaft aufgrund der aggressiven Preisstrategie des Wettbewerbs - insbesondere von Microsoft im Low-end-Sektor - in Gefahr sei, bekräftigte Burton ihre Kritik an der Larry-Ellison-Company.

Deren Probleme dürften in naher Zukunft nicht geringer werden. Denn im Gegensatz zu Microsoft und IBM haben die Kalifornier nicht so viele Möglichkeiten, Einbrüche im Geschäft mit Datenbanklizenzen durch Einnahmen anderer Geschäftsbereiche zu kompensieren. Man müsse Oracles Reaktion verstehen, schließlich beende man dort gerade ein Quartal und stehe "enorm unter Druck", legte Burton den Finger in die Wunde der Kalifornier. Eine Einschätzung, für die vieles spricht. Denn vergangene Woche wurde auch bekannt, dass eine Reihe von US-Investmentbanken ihre Gewinnprognosen für das vierte Quartal nach unten korrigiert haben. Man glaube nicht mehr an die traditionell stärkste Umsatzperiode des Unternehmens, für die Oracle selbst einen im Vergleich zum dritten Quartal rund 50-prozentigen Anstieg der Lizenzeinnahmen vorhergesagt hatte, hieß es an der Wallstreet. (gh/tc)

Der weltweite DBMS-Markt 2001Anbieter / 2001** / Marktanteil* 2001 / 2000** / Marktanteil* 2000 / Wachstum* 2000-2001

IBM gesamt / 3064,2 / 34,6 / 2938,0 / 33,7 / 4,3

IBM alleine / 2799,7 / 31,7 / 2647,9 / 30,3 / 5,7

Informix / 264,4 / 3,0 / 290,1 / 3,3 / -9,4

Oracle / 2829,8 / 32,0 / 2974,1 / 34,1 / -4,9

Microsoft / 1442,7 / 16,3 / 1224,5 / 14,0 / -17,8

Sybase / 234,2 / 2,6 / 279,2 / 3,2 / -16,1

Andere / 1272,6 / 14,4 / 1309,0 / 15,0 / -2,8

Gesamt / 8843,5 / 100,0 / 8724,8 / 100,0 / 1,4

Auf Tuchfühlung: Selbst ohne die Informix-Umsätze ist IBM dem Datenbankprimus Oracle inzwischen gefährlich nahe gekommen.

* Angaben in Prozent, ** Angaben in Millionen DollarQuelle: Gartner Dataquest