Partnerprogramm soll zu mehr Prozessorvarianten auf einheitlicher Basis führen

IBM öffnet die Power-Architektur weitgehend

09.04.2004
NEW YORK (CW) - IBM legt die Architektur des "Power"-Prozessors in weiten Teilen offen, damit andere Unternehmen sie als Basis eigener Chipdesigns nutzen können. Interessenten haben schon Lizenzen erworben.

Die Möglichkeiten, durch Verkleinerung der Fertigungsstrukturen und durch höhere Taktraten zu leistungsfähigeren Prozessoren zu kommen, könnten in absehbarer Zeit an ihre Grenzen stoßen, erklärten IBM-Manager auf der Veranstaltung "Power Everywhere" in New York. Wichtiger sei es daher, eine einheitliche Architektur zur Grundlage verschiedener CPUs für unterschiedliche Geräte zu machen.

Im Gegensatz zur Interpretation in manchen Presseberichten verfolgt Big Blue keine Open-Source-Strategie auf Hardwareebene; eher geht es um eine Variante der "On-Demand"-Strategie. Big Blue behält sich die Kontrolle über den Risc-Befehlssatz des Power-Chips vor. Dies sei notwendig, um ein einheitliches Fundament zu bewahren. Ansonsten legt IBM die Architektur des Prozessors offen. Somit können nun andere Unternehmen, Forschungsinstitute und Universitäten um den blauen Kern herum eigene Designs entwickeln. Sie dürfen in den Chip beliebige Funktionen integrieren und ihn bei anderen Unternehmen herstellen lassen. Bisher hatten nur IBM und Motorola Power-Prozessoren gefertigt.

So könnte Cisco, das schon jetzt den Power-PC-Chip in Netz-Appliances verwendet, den Kern des Power-Prozessors um Funktionen erweitern, die das Unternehmen für seine Geräte benötigt.

Der Netzwerkriese würde dann weniger zusätzliche Prozessoren in Appliances einbauen müssen, die Produktionskosten würden sinken. Oder Sony könnte die Grafikfähigkeiten der Power-Architektur verbessern, um die CPU in künftigen "Playstation"-Konsolen zu verbauen. Beide Firmen hätten die Möglichkeit, ihre Power-Varianten kostengünstig beispielsweise in Taiwan brennen zu lassen. Voraussetzung ist lediglich, dass die interessierten Firmen offiziell am IBM-Programm teilnehmen.

Dieses stützt sich derzeit auf vier Säulen. Das Unternehmen richtet ein Portal für Chipentwickler ein, die auf Basis der Power-Architektur arbeiten wollen. Außerdem soll ein kostenloses "Power Architecture Pack" zur Verfügung stehen. Dabei handelt es sich um eine kostenlose Software, mit der Firmen die Funktionen ihrer eigenen Chipdesigns simulieren können.

Erste Interessenten

Ein weiteres Toolkit soll Entwicklern helfen, Chips zu entwickeln und das Design zu verbessern. Big Blue will mehrere "Power Architecture Center" einrichten, in denen IBM-Mitarbeiter Fremdfirmen bei ihren Chipentwicklungen beraten und unterstützen.

Sony hat bereits die Power-Architektur in Lizenz genommen, ebenso die US-Rüstungsschmiede L-3 Communications, der chinesische Hersteller elektronischer Komponenten Global Brands Manufacture sowie der Linux- und Embedded-Systems-Spezialist Red Hat. Chartered Semiconductor aus Singapur will Power-Prozessoren herstellen. Es gilt als wahrscheinlich, dass sich bisherige IBM-Partner wie Apple, Cisco, Infineon und Samsung dem Programm anschließen werden. Doch sicher werden Jahre vergehen, bis sich herausstellt, ob die Öffnung der Power-Architektur zu einer breiten Industrieallianz führt. Eine ähnliche Strategie betreibt IBM seit Jahren mit der Power-verwandten 32- und 64-Bit-CPU-Reihe "Power-PC". Hier sind Motorola, Apple, Sony und Cisco die bekanntesten Partner.

Marktanalysten werten den Schachzug von IBM als Beleg dafür, dass Big Blue zu seinem Power-Prozessor steht. Während Hewlett-Packard die eigene PA-Risc-Linie aufgibt, kapituliere der weltgrößte IT-Anbieter nicht vor Intels Itanium-Reihe. Durch die Öffnung werde sich das Spektrum der Power-Chips erweitern, ohne dass IBM die Entwicklungskosten allein schultern müsse. Für die Anwender sei es ein beruhigender Vorteil, eine einheitliche Basisarchitektur in einem breiten Spektrum von Geräten zu wissen.

IBM hat angekündigt, den Power-Prozessor selbst weiterentwickeln zu wollen. Der "Power 5" soll in der zweiten Hälfte dieses Jahres auf den Markt kommen. Das Unternehmen bot in New York nur einen sehr knappen Ausblick auf die kommende CPU. Auf ihr sollen mehrere Betriebssysteme in virtuellen Mikropartitionen parallel laufen können. (ls)