IBM-Kunden protestieren

05.05.2010
Auf ihrer Jahrestagung kritisierte die IBM-User-Group Guide Share Europe (GSE) einmal mehr die Preise für den Softwarebetrieb auf Großrechnern.

Gleich zu Beginn der Veranstaltung legte Michael Weiß, Region Manager des deutschen GSE-Ablegers, den Finger in die Wunde. Obwohl IBMs Softwaresparte nicht einmal ein Viertel zum Konzernumsatz beisteuere, liege ihr Anteil am Gewinn bei satten 58 Prozent. "Diese Gewinne bezahlen wir", echauffierte sich der Anwendervertreter. Etliche Mainframe-Nutzer betrachteten die Rechnungsposten für eingesetzte IBM-Software inzwischen als "Zwangsabgabe".

Das Kernproblem aus Sicht der GSE sind die komplexen Lizenz- und Abrechnungsmodelle, die IBM für die Softwarenutzung auf ihren System-z-Mainframes vorgibt. Nicht wenige Großanwender beschäftigten deshalb Spezialisten, die sich ausschließlich darum kümmerten, dass die Softwarekosten im Rechenzentrum nicht aus dem Ruder laufen. Das aber könnten sich immer weniger Anwender leisten. IT-Verantwortlichen falle es zunehmend schwer, die hohen Kosten für den Betrieb der Großrechner vor dem Business-Management zu rechtfertigen.

Frank Wondrak, Geschäftsführer des Kommunalen Rechenzentrums für Städte, Gemeinden und Landkreise in der Region Stuttgart (KDRS/RZRS), hieb in die gleiche Kerbe: "Wie erklären Sie diese Preise dem Aufsichtsrat? Wie soll sie der CIO dem CFO plausibel machen?", fragte er in seinem Vortrag. IBM schlachte die "Cash Cow z-Software" gnadenlos aus. Auf dem "Wunschzettel eines Anwenders" an die IBM stehe deshalb ganz oben: "Macht endlich vernünftige z-Softwarepreise!"

In der Preis- und Lizenzpolitik der IBM fehle es nach wie vor an Transparenz, fasste Weiß die Kritik der Mainframe-Kunden zusammen. Öffentliche Diskussionen darüber schätze der Konzern aber gar nicht: "Als Kunde und Anwendervertreter braucht man da schon eine kugelsichere Weste." Das Reizwort schlechthin für IBM heiße Neon. Dahinter steckt eine kleine Softwarefirma, die es Anwendern ermöglicht, IBM-Standardanwendungen wie Cics oder IMS auf Spezialprozessoren, so genannten Specialty Engines, laufen zu lassen, wo sie weniger Kosten verursachen. Für IBM bedeutet das weniger Einnahmen. Schon seit längerem geht der IT-Konzern deshalb juristisch gegen Neon vor.

Wofür steht IBM?

Die bereits seit Jahren schwelende Diskussion um teure Mainframe-Software ist nicht der einzige Punkt, der IBM-Anwendern Sorgen bereitet. "Viele GSE-Mitglieder sind verunsichert, was die Zukunft des Mainframes betrifft", berichtete Weiß. Zwar genieße IBM im Mainframe-Geschäft ein Quasi-Monopol. Doch andererseits kaufe der Konzern immer mehr Softwarehersteller auf und verändere sein Geschäftsmodell stetig in Richtung Services. Die große Frage für die IBM-User laute: "Wofür steht IBM heute und in Zukunft?"

Was die Anwender stutzig macht, ist auch eine veränderte Informationspolitik der IBM in Sachen Großrechner. In den vergangenen Jahren hat der Konzern auf stets gut besuchten Konferenzen jeweils eine Roadmap für die nächsten fünf Jahre vorgelegt. "Diese Präsentationen waren der Renner", erinnert sich der GSE-Chef. Heute wagt der Konzern zumindest öffentlich kaum mehr den Blick in die fernere Zukunft. Weiß: "Damit fehlt uns ein Stück Planungssicherheit."

Für das dritte Quartal 2010 hat Big Blue die neue Mainframe-Generation z11 angekündigt. Jürgen Ley, ehemaliger Z-Series-Manager bei IBM Deutschland und inzwischen freier Berater, brachte mit seinem Vortrag etwas Licht ins Dunkel. Bei der neuen Großrechnerfamilie werde es sich um ein "hybrides System" handeln, das neben weiterentwickelten Mainframe-Prozessoren auch die Nutzung von Intel-CPUs und anderer Plattformen erlaube. IBM verabschiede sich damit erstmals seit den legendären /360-Mainframes vom Konzept des Universalrechners.

Maßgeschneiderte Server

Gefragt seien künftig spezialisierte Rechner, die jeweils auf einen bestimmten Anwendungszweck zugeschnitten seien. Ganz neu ist diese Erkenntnis freilich nicht. IBMs Konkurrenten im Server-Markt machen schon seit längerem vor, wie sich mit Spezialrechnern wie etwa Oracles Exadata Database Machine besonders leistungsstarke und effiziente Systeme entwickeln lassen.

Profitieren könnten Anwender mit der z11-Serie auch von zusätzlichen Optionen für besagte Specialty Engines, rührte Vorruheständler Ley die Werbetrommel für seinen einstigen Arbeitgeber. Die Kunden forderte er auf, mit IBM über eine erweiterte Nutzung solcher und anderer kostensparender Betriebsoptionen zu verhandeln. "Z-Software ist sauteuer. Eine Unverschämtheit!", räumte er mit einem Augenzwinkern ein. "Aber wir müssen auch von irgendetwas leben."

Wohin steuert die GSE?

Die altehrwürdige User Group GSE muss auch interne Herausforderungen bewältigen. Ebenso wie viele Anwenderunternehmen kämpft die Organisation in Sachen Großrechner mit einem Nachwuchsproblem. Die Anzahl klassischer Mainframe-Mitglieder in der GSE ist in den vergangenen Jahren stetig zurückgegangen, konzedierte Region Manager Michael Weiß. Dazu hätten auch Firmenübernahmen und Fusionen beigetragen. Dennoch seien die Mitgliederzahlen einigermaßen konstant geblieben. In Deutschland zählte die GSE demnach zwischen 420 und 440 Unternehmen zu ihren Mitgliedern, europaweit waren in den letzten Jahren zwischen 1040 und 1100 Unternehmen in der User Group organisiert. Laut Weiß sind in jüngster Zeit etliche neue Mitglieder vornehmlich aus den Bereichen Unix/Risc und Storage hinzugekommen. Die 1959 gegründete GSE sei längst keine reine Mainframe-Vereinigung mehr, betonen die Anwendervertreter schon seit einigen Jahren.