"IBM-Kunden fühlen sich wohl in ihrem Gefängnis"

04.01.1991

Mit Rolf Brillinger, Vorsitzender der Geschäftsführung der Comparex Informationssysteme GmbH, sprach Dieter Eckbauer

CW: Herr Brillinger, jeder zehnte 1370-Anwender in der Bundesrepublik stellt sich eine Comparex-Maschine neben eine IBM-Anlage. Halten Sie das bereits für eine tolle Sache?

Brillinger: Wenn es mehr wären, wäre es uns lieber.

CW: Wie viele sind es denn?

Brillinger: Ich glaube, es sind mehr als zehn Prozent. Und vor allem, wir haben sehr viele Kunden, die eben nicht ein Comparex-System neben ein IBM-System stellen, sondern die nur unseres dastehen haben.

CW: Das geht nur unter der Voraussetzung, daß Sie sich, was die systemnahe Software betrifft, ganz eng an die IBW-Welt anlehnen, so daß der Kunde im Prinzip IBM-Anwender bleibt.

Brillinger: Der Kunde bleibt softwaremäßig voll IBM-Anwender, der einzige Unterschied ist, daß er den Support und die Zuständigkeit für die Gesamtsysteme anstatt von der IBM von uns bekommt.

CW: Welche Rolle spielt die IBM noch bei diesen Anwendern?

Brillinger: Die IBM ist nach wie vor dominierend, was die Softwareseite angeht. Was die Anwender allerdings machen: Sie nabeln sich von der permanenten Beeinflussung durch die IBM-VBs und SEs ab. Sie sind nicht mehr so leicht beeinflußbar.

CW: Bei diesen Anwendern stehen Sie in Konkurrenz zu Amdahl, neuerdings auch zur Hitachi Data Systems (HDS), dem Joint-venture Ihres japanischen Hardwarelieferanten mit der FDS. Wie stellt sich aus Ihrer Sicht die Situation auf dem deutschen PCM-Markt dar?

Brillinger: Die Sache ist ganz einfach, weil es eben nicht nur darum geht, ein Stück Hardware, eine Box hinzustellen, sondern weil es darauf ankommt, den entsprechenden Service zu liefern. Der Kunde ist an der Hardware nur im übertragenen Sinne interessiert. Ihn interessiert die Nutzung Die Nutzung der Hardware hängt sehr stark davon ab, welchen Service ich gebe, und es gibt in Deutschland, in Europa niemanden, der im PCM-Geschäft ein so enges Service-Netzwerk hätte wie wir. Für den Kunden ist es absolut untragbar, daß er eine lange Wartezeit hat, wenn das System down geht. Das heißt, für ihn ist der Lieferant interessant, der nah am Geschehen dran ist und der schnell reagiert. Und wir sind an allen unseren Kunden sehr sehr nah dran.

CW: Die Hardware wird immer zuverlässiger. Rückt damit das Service-Argument nicht in den Hintergrund?

Brillinger: Ganz im Gegenteil. Mit der größeren Zuverlässigkeit wird der Service für den Kunden immer wichtiger, denn wenn doch einmal der Fall eintritt, daß das System abstürzt, wird es für ihn um so tragischer. Früher war es kein Problem. Der Kunde war in seinem gesamten Betrieb darauf eingerichtet, daß er Ausfallzeiten hatte, daß er die Maschine für die Wartung zur Verfügung stellen mußte. Heute ist so gut wie nichts mehr vorgesehen für Ausfälle, und das heißt, wenn der Fall eintritt - so selten das auch sein mag - , muß man in der Lage sein, schnell und effizient zu reagieren. Der Nutzungsgrad der Anlagen hat enorm zugenommen.

CW: Es kann sich doch heute kein Anbieter mehr erlauben, diesen Service nicht zuzusagen ...

Brillinger: Er muß ihn nicht nur zusagen und garantieren, er muß diese Zusage auch einhalten können.

CW: Sie müssen sich diesbezüglich doch immer an der großen IBM messen lassen.

Brillinger: Das ist richtig. Und die IBM ist, was die Sicherheit betrifft, in den Augen der Anwender eine Bank - theoretisch bedeutet das einen großen Vorteil.

CW: Wenn man von der IBM weggeht und zu Ihnen kommt, so ist das doch eine Frage des Preises...

Brillinger: Preis - und vor allem auch Leistung ...

CW: ... die nackte Power der Hardware?

Brillinger: Nicht nur, sondern die Gesamtleistung, die erbracht wird, einschließlich Service. Es ist klar, daß der Preis in der Argumentation mit dem Kunden eine Rolle spielt. Als zweiten Grund, uns zu nehmen, sehe ich, daß man zu uns Vertrauen hat. Der dritte Punkt ist vielleicht der in der Priorität ganz oben stehende, daß die Kunden sagen, wir wollen eben nicht IBM haben.

CW: Wir hatten gefragt, wie Sie sich gegen die PCM-Konkurrenten abgrenzen, unter anderem gegen Hitachi Data Systems. Mit der Übernahme der NAS durch Hitachi/EDS ist für Comparex eine neue Situation entstanden. Noch ist offen, wie sich Hitachi endgültig entscheiden wird. Will man zweigleisig weiterfahren oder wird man sich pro Land, auf jeweils nur einen Vertriebspartner stützen?

Brillinger: Zunächst ist theoretisch ganz eindeutig, daß zwei Vertriebswege zwangsläufig suboptimal bleiben müssen, weil ein Teil der Energie durch die Reibungsverluste mit dem direkten Gegenüber verlorengehen - und es ist sonnenklar, daß das immer schlechter, sein muß als eine Lösung mit einem Kanal. Auf der anderen Seite hat es natürlich auch Vorteile. Es bedeutet Konkurrenz, weile auch zwischen zwei Anbietern, die zwar nicht immer gleiche, so doch ähnliche Produkte liefern. Was letztendlich die Hitachi machen wird, das kann nur sie selbst beantworten. Ich persönlich kann nur meine Überzeugung äußern, daß das mittelfristig einer Lösung zugeführt werden muß und wird.

CW: Wer das sagt, muß gute Gründe haben, zuversichtlich zu sein, daß Comparex weiterhin den Vertrieb der Hitachi-Systeme machen wird.

Brillinger: Normalerweise sagt man, der Stärkere und Bessere setzt sich durch.

CW: Ihre Aussage konnte auch so verstanden werden, daß Sie eine Entscheidung seitens Hitachi herbeiführen, daß Sie Hitachi unter Zugzwang setzen wollen, diese unklare Situation zu Ihren Gunsten zu beenden, weil Sie davon ausgehen, Hitachi kann es sich nicht leisten zu sagen, Comparex gibt es nicht mehr.

Brillinger: Nein, das ist ein Mißverständnis. Vor anderthalb Jahren haben wir gemeinsam gesagt, wir haben keine Lösung gefunden, wir suchen zwar weiter, aber bis dato haben wir keine Lösung gefunden und wir haben uns entschieden, weiter zu fahren, wie in der Vergangenheit, das heißt auf zwei verschiedenen Wegen. Der Erfolg, den wir in den letzten anderthalb Jahren hatten, spricht eindeutig dafür, daß wir kein Problem haben. Wir müssen deshalb auch keinen Druck ausüben. Unsere Position in Europa ist in der Zwischenzeit stärker geworden, nicht schwächer.

CW: Also wird sich nichts ändern?

Brillinger: Das habe ich damit nicht gesagt. Denn ich muß doch auch logisch und konsequent bleiben. Ich habe vor zwei Jahren gesagt, als es darum ging, ob wir den europäischen Teil der NAS kaufen sollen: Ganz klar, es ist die bessere Lösung, wenn die beiden Wege zusammengeführt werden. Ich kann doch nicht hinterher sagen bloß weil mir das jetzt nicht gelungen ist, aus weichen Gründen auch immer -, daß das, was ich vorher gesagt habe, alles falsch war. Das würden mir meine eigenen Mitarbeiter, die Kunden und auch die Journalisten nicht abnehmen.

CW: Es sieht so aus, als ob Ihr Erfolg zu Lasten des, zweiten Hitachi-Partners, nämlich der HDS geht.

Brillinger: Es ist nicht so, denn wir haben der HDS keine Kunden abgenommen, und umgekehrt. Wir haben aber sehr wohl der IBM den einen oder anderen Kunden in den letzten 18 Monaten abgenommen - und damit haben wir unser Wachstum erzielt.

CW: Comparex hat vielleicht der HDS keinen Kunden abgenommen, aber wenn die einen Kunden gewinnen wollten, dann waren Sie möglicherweise schon vorher da. Sie können nicht argumentieren, eins und einig gleich zwei, wir verdoppeln unseren PCM-Marktanteil dadurch, daß wir beide hier parallel fahren. Die Rechnung kann so nicht aufgehen.

Brillinger: Ich würde sagen, die Rechnung heißt eigentlich eins und eins gleich mehr als zwei, aber nicht, weil man unter Umständen mehr Marktanteile dadurch kriegt, sondern weil man es in einer günstigeren Kostenstruktur verbinden kann, und die günstigere Kostenstruktur erlaubt dann im Zweifelsfall ein aggressiveres Vorgehen gegen die IBM und gegen den Wettbewerb. Denn eines ist heute klar: In all den Fällen, wo wir, Comparex und HDS, uns untereinander bekriegen, sind wir laufend in Gefahr, daß der lachende Dritte der Wettbewerb ist.

CW: Da war genau unser Argument, daß es so wie bisher nicht weitergeht. Wenn Sie die Möglichkeit hätten, auf andere Zielmärkte auszuweichen, stimmte auszuweichen, stimmte es vielleicht, aber sie bewegen sich beide in demselben Markt, und dieser Markt ist sehr klar definiert, auch genau abgegrenzt der ist ja nicht beliebig erweiterbar. Es handelt sich um die mittleren und Großen /370-Anwender.

Brillinger: Was wir natürlich ausspielen - und das ist auch das, worin wir uns für den Kunden unterscheiden -, ist der Service. Dort versuchen wir, uns abzusetzen. Bei den Boxen kann sich sicher keiner von uns beiden profilieren. Das sind ja ohnehin, soweit unser Angebotsspektrum übereinstimmt, dieselben. Die entscheidende Frage ist, wer bietet an Extras das, was die Entscheidung zu seinen Gunsten herbeiführt.

CW: Hitachi räumt ein, daß Comparex einen guten Job macht. Das ist aber indirekt doch eine Backpfeife für HDS.

Brillinger: Es kann ja auch durchaus sein, daß sich der eine endgültig durchsetzt.

CW: Darauf will es einer der Hitachi-Manager, Soji Endo, offensichtlich nicht ankommen lassen. Was er sagt, vor allem, was er nicht sagt, muß Ihnen mißfallen. Wir zitieren aus einer Comparex-Pressemitteilung: "Aus den Ausführungen von Herrn Endo können wir einmal mehr nicht entnehmen, wie er sich die Lösung der Vertriebsproblematik Comparex/HDS vorstellt."

Brillinger: Das heißt mit anderen Worten, es gibt bislang kein öffentlich oder auch sonst verfügbares Konzept, wie denn die effizientere Lösung aussehen könnte. Es gab einmal einen Ansatz, als die BASF gesagt hat, okay, wir sind willens, unserer Tochter Comparex zusammen mit Siemens das Geld vorzustrecken, daß sie die NAS kaufen kann, um die Situation zu

bereinigen. Und wir müssen jetzt einen Weg finden, wie wir aus dem Dilemma herauskommen. Der Unterschied, der zwischen uns und der HDS bestehen mag, ist folgender: Ich weiß, daß ich Oberhaupt nicht unter Druck stehe. Unsere Umsatz- und Ergebnis-Entwicklung, die Entwicklung unserer Marktanteile in Europa, ist so, daß wir Oberhaupt nicht unter Druck stehen.

CW: Aber wenn die Firma Hitachi sagt, ich liefere Comparex keine Systeme mehr..

Brillinger: Diese Möglichkeit sehen wir nicht, denn das wäre ein Bruch der langfristigen Verträge. Abgesehen davon würde sich Hitachi selbst schaden.

CW: Das ist schon klar, daß IBM der lachende Dritte wäre.

Brillinger: Hier muß man wieder sagen, der Markt entscheidet. Und unsere Kunden haben sich offensichtlich - gerade in den letzten 18 Monaten - doch sehr eindeutig für uns entschieden.

CW: Sie gehen davon aus, daß an Ihren Erfolgen die Firma Hitachi letztlich nicht vorbeikommt. Andererseits versucht sie, über eine eigene Tochter, nämlich die HDS, verstärkt den deutschen Markt zu bearbeiten.

Brillinger: Das ist auch klar, und das ist ein schwieriges Problem. Wenn es eine offensichtliche einfache Lösung gäbe, dann hätten wir sie sicher schon gefunden.

CW: Das Damoklesschwert hängt nach wie vor über Ihnen: Wie entscheidet sich Hitachi?

Brillinger: Wir könnten jetzt trefflich darüber streiten, wer da unter Druck steht. Ich kann nur noch einmal sagen, die Zahlen über die Umsatz- und Ergebnisentwicklung, die wir haben, werden veröffentlicht, sie sind nachvollziehbar, und es ist für jeden Dritten absolut erkennbar, daß wir kein Problem haben. Ob die HDS eines hat: Es kann natürlich so sein, daß die HDS auch kein Problem hat, so daß im Moment gar kein Zwang besteht, unmittelbar eine andere Lösung zu finden.

CW: Unser Eindruck ist, daß aus der HDS-Ecke ein bißchen auf Comparex geschossen wird.

Brillinger: Wenn Sie das so sehen.

CW: Verständlich zumindest wäre es, nach allem, was sich - und wir haben darüber bereits gesprochen im Markt getan hat.

Brillinger: Ich kann die auch durchaus verstehen. Nur kann ich nicht verstehen, daß sie über den Wettbewerber reden. Man sollte es besser so machen, wie ich es mit meinen Mitarbeitern versuchte, daß wir über uns reden. Es gab mal von Thomas Watson eine Anweisung, die ist in vielen Teilen auch in der Firma IBM schon vergessen: "Zeige dem Interessenten deine Vorteile und rede nicht über den Dritten." Und das ist genau das, was wir tun. Wir reden über unsere Stärken als Comparex, als deutsche, als europäische Firma. Wir sind hier etabliert, wir haben die notwendigen Strukturen, wir haben die notwendige Organisation, die Kunden kennen uns seit 10, 20 Jahren, sie wissen, daß sie sich absolut darauf verlassen können, daß das, was wir zusagen, eingehalten wird. Wir sind die einzigen im PCM-Lager, die noch nicht verkauft, umbenannt, in Konkurs oder unter Chapter eleven gegangen sind. Wir haben auch nie rote Zahlen geschrieben und die Kunden honorieren das. Sie haben einen soliden, zuverlässigen Partner, bei dem sie ihre Investitionen, die sie tätigen, geschätzt sehen.

CW: Fühlen Sie sich durch das aktuelle 390-Announcement der IBM nicht in die Ecke gedrückt?

Brillinger: So würde ich das nicht sagen. Wir fühlen uns nicht in die Ecke gedrückt, sondern wir haben nur eine Situation, wie sie alle paar Jahre mal

da ist, wenn die IBM ein größeres Announcement bringt. Sie ändert die Rahmenbedingungen, und wir müssen ihr folgen. Unser Kunde weiß, das kommt alle paar Jahre, und er muß halt damit leben, nicht den Vorreiter zu spielen und sofort alles neu zu ordern. Im Zweifelsfall sagt er sich, ich warte mal ein Jahr - was sich auch sonst nicht als schlecht herausgestellt hat das Jahr gibt ihm dann auch die Möglichkeit zu überlegen, ob es dann der Marktführer sein muß oder ob es die PCMS sind. Die IBM hat immer noch den großen Marktanteil, gar keine Frage, und sie hat gute Kunden, von denen ihr sofort die Bestellungen reinregnen, sobald sie etwas Neues bringt. Aber es gibt auch Kunden, die rechnen müssen, die daher etwas kritischer sind, und die warten im Zweifelsfalle auf uns. Die haben in der Vergangenheit auch die Erfahrung gemacht, daß wir durchaus in der Lage sind, der IBM in angemessener Zeit zu folgen. Die ganzen Unkenrufe, die es immer wieder gab, jetzt hat die IBM einen Schritt getan, der ist fast nicht mehr nachvollziehbar, die haben sich immer als falsch herausgestellt.

CW: Es gibt viele IBM-Kunden, die überhaupt nicht mixen. Verzweifeln

Sie nicht manchmal daran, daß der Markt Ihr Verhalten nicht ausreichend honoriert?

Brillinger: Der Anteil der PCMs ist immer noch relativ klein. Der Grund liegt wohl in vielen Fällen in der menschlichen Verhaltensweise: Gehst Du mit dem Marktführer, gehst Du kein Risiko ein ...

CW: ... in der Masse stirbt's sich leichter!

Brillinger: Ich glaube, daß die DV-Verantwortlichen in den großen Unternehmen sich sehr wohl alle mit der Frage beschäftigen, was eigentlich die Alternativen zum Marktführer sind. Aber nach relativ kurzen Überlegensphasen kommen sie darauf, daß der Kern ihres Geschäfts leider ohne Alternative ist, es sei denn, sie setzen auf PCM...

CW:... wobei klar ist, daß die Kunden in der IBM- Welt bleiben, was ja indirekt zum Ableben der IBM-Wettbewerber auf dem Mainframesektor geführt hat.

Brillinger: Da gebe ich Ihnen absolut recht. Das führt die Anwender aus ihrer Abhängigkeit, die sie mit dem Betriebssystem und mit ihren Anwendungen eingegangen sind, letztendlich nicht heraus. Aber alle denken darüber nach, ob sie aus dieser Abhängigkeit nicht herauskommen können. Und wo sie die Möglichkeit haben, machen sie es auch. Nur gerade im Großrechner-Bereich, in dem wir tätig sind, hat es sich eben bis heute herausgestellt, daß die Alternative noch nicht existiert.

CW: Aber zeichnet sich nicht doch ab, daß DV-Verantwortliche in großen, multinationalen Unternehmen beginnen, über eine viel weitergehende Veränderung ihrer Strategie nachzudenken, sich nämlich im Zuge der Vernetzung unterschiedlicher Rechnerwelten von proprietären Systemen zu lösen, so daß der PCM-Gedanke an Attraktivität verliert?

Brillinger: Die Globalisierung der Märkte, die Notwendigkeit, sich in ein internationales Netzwerk einzulassen spricht meiner Meinung nach gerade für die IBM, das heißt, an der starken Stellung der IBM im Mainframe-Markt hat sich bislang nichts geändert.

CW: Das ist gar keine Frage. Etwas anderes ist es, daß Sie sich aber doch ein. Zukunfts-Szenario ausmalen werden. Wird es in diesem Szenario noch Alternativen geben in bezug auf die Systemintegration?

Brillinger: Wenn man es nüchtern sieht, muß man konstatieren, es gibt im Moment zum Marktführer keine Alternative, die allen etwas bietet.

CW: Ein Quasi-Monopol der IBM, eine begrenzte Zahl von Alternativen in Teilbereichen, etwa PCM oder Peripherie - ist das ungefähr Ihr Szenario?

Brillinger: Daß die IBM zu irgendeinem Zeitpunkt alleine auf dem Markt sein wird, dieser Überzeugung bin ich nicht. Da müßten bei sämtlichen Regierungen sämtliche Alarmzeichen angehen. Ich glaube durchaus, daß es auch auf längere Sicht mehrere Player geben wird, und ich bin im Gegensatz zu anderen der Überzeugung, daß gerade PCM die Alternative darstellt. Ich sehe zwar auch Ihr Argument, daß durch PCM natürlich die Power der IBM gestärkt wird, so daß wir PCMer das Gefängnis, in dem sich der Kunde befindet, eigentlich auch nicht aufschließen, sondern nur die Zellentür, das Gefängnis aber so lassen, wie es ist.

Die Kunden fühlen sich offensichtlich wohl in ihrem Gefängnis, und wenn sie sich, wie in den letzten 18 Monaten der DDR, irgendwann nicht mehr wohl fühlen sollten, dann kann es durchaus eintreten, daß sie sagen, jetzt reicht's.

CW: Woher nehmen Sie eigentlich den Optimismus zu sagen, es wird mehrere Player geben?

Brillinger: Im Moment kann ich nur sagen, es ist immer noch die IBM, die die Weichen stellt. Auf der anderen Seite darf man nicht übersehen, daß die Wachstumsraten, die von den japanischen Firmen erzielt werden, zwar nicht zu der Überlegung führen, daß man innerhalb der nächsten Jahre die Übernahme der Macht durch die drei großen Japaner Fujitsu, NEC, Hitachi zu erwarten hat, aber sie führen dazu, daß sie der IBM näherkommen. Letztendlich überholen kann die IBM nur, wer einen Standard hat, der von den Kunden akzeptiert wird und in dessen Rahmen man sich bewegen kann. Heute heißt eben der Standard bei Großsystemen MVS, und wenn es eine Alternative gäbe, dessen bin ich mir sicher, würden sehr viele Kunden darauf setzen. Aber es gibt eben nur diesen einen Standard, und der wird von der IBM offensichtlich so weiterentwickelt, daß der Kunde mit diesen Weiterentwicklungen leben kann.

Rolf Brillinger (51) ist Vorsitzender der Geschäftsleitung der Comparex Informationssysteme GmbH, Mannheim, einem Unternehmen von BASF und Siemens.

Nachdem er 1967 sein wirtschaftswissenschaftliches Studium an der Universität Tübingen als Diplom-Volkswirt abgeschlossen hatte, sammelte er bei einer kleinen Firma Berufserfahrung als Assistent der Geschäftsleitung. Es folgten "Lehrjahre" in Datenverarbeitung und Vertrieb bei Bull General Electric in Köln, Stuttgart und München. Nach einer weiteren beruflichen Station bei einer Unternehmensberatung kam er 1971 zur BASF-Datentechnik.

Dort war Rolf Brillinger zuerst im Stuttgarter Verkaufsbüro Vertriebsleiter für die Produkte der BASF-Datentechnik. 1974 wechselte er in die Zentrale und war für den Vertrieb in den westeuropäischen Exportmärkten zuständig, später für das gesamte Europa und schließlich auch für die Märkte in Übersee. Die Ernennung zum Prokuristen erfolgte 1979. Von diesem Zeitpunkt an war er für den gesamten Vertrieb an Endanwender - ausschließlich der OEM-Produkte - verantwortlich.

Zum 1. Januar 1987 wurde er Vorsitzender der Geschäftsleitung der Comparex Informationssysteme GmbH.