Blue Gene soll Protein-Code knacken

IBM investiert 100 Millionen Dollar in mächtigen Supercomputer

17.12.1999
MÜNCHEN (CW) - IBM hat bekanntgegeben, 100 Millionen Dollar in die Entwicklung eines neuen Supercomputers zu investieren. Das Superhirn mit dem Spitznamen "Blue Gene" soll alle bislang aufgestellten Rechenrekorde um Längen schlagen.

Die Techniker in den Entwicklungslabors von IBM visieren mit ihrem neuen Supercomputer eine Rechenleistung von einer Billiarde Operationen pro Sekunde an. Das entspricht einem Petaflops. Damit wäre Blue Gene 500mal schneller als der momentan schnellste Computer, 1000mal schneller als IBMs Schachcomputer "Deep Blue", der 1997 Garry Kasparov schlagen konnte, und etwa zweimillionenmal leistungsfähiger als ein herkömmlicher PC.

IBMs Superrechner soll mit mehr als einer Million Prozessoren rechnen. Gruppen von 32 CPUs werden mit einem integrierten Speicher in einem Chip zusammengefaßt. Auf einer Prozessorplatine sollen 64 dieser Chips Platz finden. Acht derartige Platinen werden in einem knapp zwei Meter hohen Gehäuse eingebaut. Die ganze Maschine, die aus 64 solcher Gehäuse besteht, wird die Größe eines Tennisplatzes einnehmen, erklärt IBM-Wissenschaftler Monty Denneau. Die Architektur, die das System verbindet, nennen die Entwickler Smash (Simple, many and self-healing). Der Rechner soll Fehler im System selbständig erkennen und beheben können. Im laufenden Betrieb wird der Rechner 2000 Dollar pro Tag verschlingen. Zur Kühlung sind über 80000 Liter pro Stunde notwendig.

Laut Hersteller soll der Superrechner in der biologischen Grundlagenforschung eingesetzt werden. Das Gerät soll komplexe dreidimensionale Strukturen von menschlichen Protein-Verbindungen berechnen. Die Aminosäuren, aus denen sich die Proteine zusammensetzen, können auf eine Milliarde verschiedene Arten kombiniert sein. Um alle Arten durchzuspielen, muß Blue Gene eine Billion Berechnungen pro Kombination durchführen.

Blue Gene kann bei der Krebsforschung helfenMit den Ergebnissen aus diesem Projekt hätten die Wissenschaftler bessere Informationen über Krankheiten, die aus Fehlern in der Proteinsynthese entstehen, und gleichzeitig die Chance, diese Krankheiten zu bekämpfen, erklärt Ambuj Goyal, Vice-President der Systems- and Software-Group bei IBM. Die Wissenschaftler hoffen, mit Hilfe von Blue Gene der Heilung von Krankheiten wie Aids und Krebs näher zu kommen.

Die Armonker wollen mit diesem Projekt in erster Linie die Pharmaindustrie ansprechen. Unternehmen wie Aventis, der Technologie-Ableger von Hoechst, zeigten sich bereits sehr interessiert, erklärt Paul Horn, Senior Vice-President der Forschungsabteilung bei IBM. Mit Medikamenten gegen schwere Krankheiten würde sich eine neue sprudelnde Einnahmequelle auftun. Nach dem Zeitplan der IBM-Labors soll der Rechner in vier bis fünf Jahren fertig sein. Etwa 50 Entwickler arbeiten an dem Blue-Gene-Projekt.

IBMs Zeitplan und die Architektur rufen bei den Wettbewerbern Skepsis hervor. So glaubt Beau Vrolyk, Senior Vice-President bei SGI, daß die Entwicklung des Supercomputers, so wie IBM es vorschwebt, mindestens zehn bis 20 Jahre dauert. Auch die Architektur mit unabhängig voneinander arbeitenden Prozessorengruppen sei problematisch. Daraus würden Fehlerraten resultieren, die nicht akzeptabel seien. Zuletzt müßten speziell an den Rechner angepaßte Applikationen entwickelt werden.