Schachzug von Big Blue soll Innovationen der Konkurrenz entwerten:

IBM-Intel-Pakt zielt auf eigenen 386er

10.10.1986

SANTA CLARA (ujf) - Gegen die Hardwareanbieter, die dem Marktführer mit PCs auf der Basis des Intel-Chips 80386 zuvorgekommen sind, richtet sich nach Ansicht von Branchenbeobachtern die Kooperation zwischen IBM und Intel.

Die offizielle Lesart besagt, daß die IBM mit ihrem Hauslieferanten für Mikroprozessoren, an dem sie auch finanziell beteiligt ist, das Know-how für die Fertigung bestimmter Chiptypen austauschen will. Außerdem umfasse die Kooperation mit Intel die gemeinsame Entwicklung von speziellen Halbleitern für künftige IBM-Produkte. Dahinter steckt, wie Insider berichten, in Wirklichkeit der Plan, eine modifizierte IBM-Variante des Prozessors 80386 zu lancieren, die von Intels Originaldesign so weit abweicht, daß die Systeme anderer Hersteller mit den künftigen 386er PCs aus Armonk nicht voll kompatibel wären.

Doch auf die Vorteile, die IBM aus der Zusammenarbeit ziehen kann, geht die Ankündigung der beiden Firmen kaum ein. In den Mittelpunkt des Announcements stellten die Partner den Teil des Vertrags, der Intel erlaubt, "Cell Libraries" von Big Blue zu übernehmen. Zum ersten Mal, heißt es, habe die IBM damit Know-how aus ihrem Halbleiterbereich an Außenstehende vergeben. Zweck dieses Bündnisses soll sein, daß Intel jetzt anwendungsspezifische Schaltkreise (ASICs) nach IBM-Spezifikationen bauen darf. Freilich glaubt in der Branche niemand, daß der Chipschmiede die Lizenz für das lukrative Geschäft mit den Gate Arrays ohne Gegenleistung erteilt worden ist. Dies nährte bei vielen Insidern die Spekulation, Intel-Chef Gordon Moore, der vor wenigen Wochen noch Compaqs Leistung über den grünen Klee gelobt hatte, habe dem DV-Riesen dafür die Detailpläne des 386 herausrücken müssen - und die Zusage, an einer "blauen" Version mitzuarbeiten.

Einzelheiten der Vereinbarung lagen der COMPUTERWOCHE bei Redaktionsschluß noch nicht vor. Sowohl die deutsche Intel-Niederlassung, die heute die offizielle Ankündigung mit viertägiger Verzögerung nachholt, als auch die hauptsächlich von der erwarteten Entwicklung betroffene Compaq Computer GmbH wollten vor Bekanntwerden der Details noch keine Stellung zu IBMs Plänen nehmen.