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IBM denkt über Mainframe-Linux nach

13.12.1999
Alternative zu Unix 98 und Monterey-APIs?

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Die IBM denkt offenbar ernsthaft darüber nach, das Open-Source-Unix Linux auf seine Mainframes der S/390-Familie zu bringen. Doug Nielson, Berater für High-end-Systeme bei Big Blue in Großbritannien, erklärte gegenüber "Computergram", eine native Implementierung von Linux sei eine von drei Optionen, die man derzeit für die künftige Betriebssystem-Strategie in Erwägung ziehe. Eine Entscheidung darüber werde in den kommenden 18 Monaten fallen.

Unix auf dem Mainframe ist bei der IBM eigentlich nicht neu - zumindest als Subsystem von MVS. Das aktuelle Betriebssystem OS/390 ist in vieler Hinsicht bereits ein Unix-Derivat. Es hat das offizielle "PPG-95"-Siegel (Posix-Kompatibilität) und kann damit neben nativen Anwendungen auch bestimmte Unix-Applikationen verarbeiten. Nielson zufolge gilt es allerdings jetzt, wichtige Entscheidungen für die Zukunft von Unix auf dem Mainframe zu treffen.

Eine Alternative ist zweifellos die Weiterentwicklung der Unix System Services ("Unix Personality") in Richtung des bereits von der XPG (Expertengruppe der Open Group) verabschiedeten "Unix-98"-Standards. Aktuell ist OS/390 auf dem Stand von "Unix 95". Neu in Unix 98 sind eine Reihe von Internet-Techniken (Java Virtual Machine, HTML, Domain Name Service und andere), Echtzeitfunktionen, die grafische Benutzerschnittstelle CDE (Common Desktop Environment), vierstellige Jahreszahlen sowie die Unterstützung von Very Large Databases - fast alles unverzichtbare Erweiterungen.

In einem weiteren Schritt könnte IBM das Mainframe-Betriebssystem mit den gleichen Programmierschnittstellen versehen wie "Monterey", das derzeit gemeinsam mit Santa Cruz Operation SCO) auf Basis von AIX und SCO Unixware entwickelte "Universal-Unix" für Power-PC- und Intel-Prozessoren (CW Infonet berichtete).

Der mögliche "dritte Weg" wäre daneben Linux - auch wenn Nielson gleich einschränkt, daß das quelloffene Betriebssystem zum jetzigen Zeitpunkt "noch nicht für geschäftskritische Anwendungen taugt" und daher nicht so schnell auf S/390-Servern debütieren werde. Wenn Linux allerdings die entsprechenden "höheren Weihen" erlangen sollte, dann sei es im Unix-Bereich wahrscheinlich die erste Wahl, so Nielson. Dabei favorisiere IBM einen nativen Port auf die Hardware, wie ihn Amdahl bereits für seine PCM-Server (Plug-compatible Manufacturer = S/390-Clones) realisiert habe. Denkbar sei aber auch der Betrieb von Linux als "Gast-Betriebssystem" unter der Obhut eines "VM-Beobachters" (Virtual Machine).

Bereits im vergangenen Oktober hatte sich ein skandinavischer Experte der IBM in ähnlicher Weise geäußert. Zum damaligen Zeitpunkt war allerdings ausschließlich von Linux als Zweitsystem unter OS/390 und nicht von einem nativen Port die Rede gewesen (CW Infonet berichtete).

Die 64-Bit-Frage, die derzeit die Unix-Welt umtreibt, spielt für OS/390 keine so große Rolle. Nielson erläutert: "Dank der Architektur des Betriebssystems arbeiten S/390-Server schon immer mit 32-Bit-Anwendungen, aber 44-Bit-Adressierung." Dennoch werde auch S/390 mittelfristig - im Laufe der kommenden zwei bis drei Jahre - auf 64 Bit umgestellt, weil immer mehr Unix-Anwendungen (etwa von Oracle, SAP und dem hauseigenen DB2-Bereich) in 64-Bit-Versionen auf den Markt kommen würden.