Carleton Fiorina sieht ihr Unternehmen als Internet-Service-Company

HP sagt Übernahme von PwC Consulting ab

17.11.2000
LAS VEGAS (ls/CW) - Hewlett-Packards Chief Executive Officer Carleton Fiorina hat die Übernahme der Consulting-Einheit von Pricewaterhouse-Coopers abgeblasen. Zu den schlechten Ergebnissen im vierten Quartal des Geschäftsjahres 2000 unkte sie in Anspielung auf die US-Präsidentschaftswahl: "Sollen wir noch einmal zählen?" Sie akzeptierte die "sehr enttäuschenden" Zahlen: "Ich übernehme die volle Verantwortung."

Die Börse reagierte sofort auf die vergleichsweise schwachen Ergebnisse (siehe Seite 3) und schickte die HP-Aktie auf einen Sinkflug: Die Notierung fiel um 15 Prozent auf 33,25 Dollar und stand bei Redaktionsschluss bei 28,93 Dollar. Am 10. März 2000 lag der Wert der Aktie noch bei 77,75 Dollar.

Angesichts der in den letzten Monaten schlechteren Entwicklung hat Fiorina von der geplanten Übernahme der Beratungstochter von PwC wieder Abstand genommen. HP machte wenige Angaben darüber, wie das Beratungs- und Dienstleistungsgeschäft nunmehr ausgebaut werden soll. Man halte an der Wachstumsstrategie für das Beratungsgeschäft fest. Auch sei das Unternehmen weiterhin an Zukäufen interessiert.

Zwar bedeuten die kurzfristig abgeblasenen Akquisitionsverhandlungen mit PwC vordergründig einen Imageverlust insbesondere für Fiorina. Allerdings hat die Entscheidung doch ihr Gutes: Auch wenn der zum Teil in HP-Aktien zu zahlende Preis von 18 Milliarden Dollar für die Übernahme des Consulting-Bereichs zuletzt um drei Milliarden Dollar reduziert wurde, wäre die finanzielle Belastung für HP erheblich gewesen - nicht zu reden von 30000 neuen Mitarbeitern, die HPs 6000 Mann starke Beratungsmannschaft ergänzt hätten. Insbesondere der Integrationsprozess wäre wohl nicht unproblematisch gewesen.

Sowohl Computer Sciences Corp. als auch Compaq - und dieser Hersteller sollte es nach der Einverleibung von Digital Equipment wissen - hatten vor der Übernahme der Consulting-Basis von PwC gewarnt. Eine Hardware- und eine Beratungsfirma zu verschmelzen sei wegen der unterschiedlichen operativen Abläufe und Vertriebskulturen alles andere als trivial. Die Unternehmensberatung Meta Group weist zudem auf einen weiteren kritischen Aspekt hin, der sich durch eine Zusammenlegung der Beratungstätigkeiten von PwC und HP ergeben habe: Konkurrenten wie Sun Microsystems, IBM oder Compaq hätten mit Sicherheit in der Branche eine Diskussion darüber angezettelt, wie neutral die Beratungen der PwC-Mannschaft noch geblieben wären, hätte HP sie übernommen. Die Möglichkeit, dass die zugekaufte Consulting-Sparte zu einem Vertriebsarm HPs verkommen wäre, hätte das Beratungsgeschäft von PwC wahrscheinlich beschädigt, schreibt Meta.

Fiorina betonte, die HP-Mitarbeiter sollten sich auf eine veränderte Rolle des Unternehmens einstellen. Das Internet wachse gerade in eine neue Phase der Services-basierten Nutzung. Eine Vielzahl von zum Teil neuen Devices ermögliche bisher undenkbare Anwendungen und vor allem ihren effizienten Gebrauch. In dieser Ära soll HP eine führende Rolle als Technologieanbieter einnehmen.

Ein entschlossener Schritt in diese Richtung ist ein neuer Vertrag mit Nokia, mit dem eine Größe der DV-Industrie die Bedeutung der Mobilfunker für die Zukunft des Internet unterstreicht. HP will die Technik entwickeln, mit der Nokia-Handys an Drucker angeschlossen werden können, um beliebige Dokumente aus dem Web unmittelbar auszudrucken. Nokia soll die HP-Software mit seinen Handys ausliefern.

Als weiteres Beispiel dafür, dass Internet-basierte Services wichtiger werden als IT-Produkte, führte die HP-Chefin "E-Speak" an. Es handelt sich um eine Softwareplattform von HP, die der Kommunikation von Geräten dient. Leider fand Fiorina dazu kein originelles Beispiel. So könnte dank E-Speak ein Drucker die Farbpatronen automatisch im Web bestellen, wenn sie zur Neige gehen.

Seit dem Erwerb der Firma Bluestone Software, von der XML-basierte Tools für Web-Application-Server kommen, sieht Fiorina HP gut gerüstet: "Wir schaffen die breiteste Entwicklungsumgebung für das Services-basierte Modell." Gegen einen möglichen Vergleich mit Microsofts .NET verwahrt sie sich: Das Internet der Zukunft müsse "offenen Standards" folgen: "Wir glauben an ein Internet, das nicht mehr von proprietären Technologien, geschlossenen Architekturen oder klassischen PCs begrenzt ist."

HPs ErgebnisHP hat im letzten Quartal zwar Nettoeinnahmen vor Sonderaufwendungen in Höhe von 922 Millionen Dollar melden können. Das bedeutet einen Anstieg um 21 Prozent gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres beziehungsweise Mehreinnahmen von 162 Millionen Dollar. Allerdings lag das Ergebnis von 41 Cent pro Aktie deutlich unter den Analysten-Vorhersagen von 51 Cent. Berücksichtigt man zudem außerordentliche Aufwendungen und Erträge, beläuft sich das Ergebnis auf 45 Cent pro Aktie.

Der Umsatz im abgelaufenen Geschäftsjahr stieg um 15 Prozent auf 48,8 Milliarden Dollar. Das Jahresergebnis vor Steuern konnte HP gegenüber dem Vorjahr ebenfalls um 15 Prozent auf 3,6 Milliarden Dollar steigern. Der Gewinn pro Aktie vermehrte sich damit von 1,49 auf 1,73 Dollar. Im laufenden Geschäftsjahr soll der Umsatz um 15 bis 17 Prozent wachsen.

Der Umsatz der deutschen HP-Dependance konnte im abgelaufenen Geschäftsjahr (Ende: 31. Oktober 2000) um 20 Prozent auf 9,6 Milliarden Mark gesteigert werden. Der Gewinn pendelte sich, so das Unternehmen, auf dem Vorjahresniveau von 453 Millionen Mark ein.