Neue Big Player im E-Commerce-Markt

HP kauft Verifone und sagt IBM den Kampf an

02.05.1997

Der Kauf von Verifone durch HP könnte IBM langfristig die Vormachtstellung im Markt für elektronische Bezahlungssysteme kosten. Bislang war Big Blue der einzige Hersteller, der Komplettlösungen aus einer Hand anbieten konnte. In der Verbindung zwischen HP als zweitgrößtem Computerhersteller und Verifone, mit 60 Prozent Marktanteil der Weltmarktführer bei elektronischen Kartensystemen, dürfte Big Blue einen ernstzunehmenden Gegner finden. Während IBM allerdings die Banken und Finanzdienstleister als Hauptabnehmer bedient, will das neue Duo neben den Geldhäusern auch Handelsfirmen als Kunden gewinnen.

Analysten und die New Yorker Börse nahmen die Nachricht von der Übernahme Verifones durch HP positiv auf. An der Wall Street stieg der Aktienkurs von Verifone von 17,12 Dollar auf 47,25 Dollar. Im Zuge der Übernahme sollen die Verifone-Aktionäre pro Aktie einen HP-Anteilsschein bekommen. Ausgehend von etwa 23,9 Millionen Verifone-Aktien und einem HP-Kurs von 50 Dollar errechnet sich ein Kaufpreis von zirka 1,18 Milliarden Dollar. Nach dem Kauf soll Verifone, wie aus HP-Kreisen verlautete, als eigenständiges Unternehmen in Redwood City weiterbestehen.

Bei der IBM, die für ihre Projekte auch Equipment von Verifone bezieht, nahm man die Nachricht nach außen hin gelassen auf.

Offiziell begrüßte Big Blue sogar den Kauf mit der Begründung, daß nun der Secure-Electronic-Transaction-(SET-)Standard für das Bezahlen im Internet vermutlich schneller verabschiedet werde.

Karl Salnoske, General Manager von IBMs Internet Appli- cations Unit, bemühte sich, den Milliarden-Deal positiv zu sehen: "Wir warten immer noch darauf, daß Verifone entsprechende Produkte für die SET-Versuche liefert. Die Übernahme setzt hoffentlich die SET-Entwicklung wieder an die Spitze ihrer Prioritätenliste."

Branchenkenner halten IBMs Gelassenheit jedoch für gespielt. Im Hintergrund mischt bei dem HP-Deal nämlich IBMs Erzrivale Microsoft mit. Die Gates-Company ist einer der wichtigsten strategischen Partner von HP und versteht sich auch mit Verifone gut. So will der Softwaregigant in die nächste Version seines "Merchant Server" Verifones "Cash Register" integrieren. Das Produkt erlaubt es, im Internet elektronische Bezahlungen entgegenzunehmen und zu verifizieren. Entsprechend positiv wertet man bei Microsoft hinter vorgehaltener Hand die Übernahme als "Win-Win"-Handel für alle drei Partner.

Microsoft will vom HP-Coup profitieren

Das siegessichere Trio hat im Electronic Commerce Business jedoch noch eine strategische Schwachstelle, auf die Allen Wiener vom Marktforschungsunternehmen Dataquest aufmerksam macht. Während die drei Branchengrößen für den Business-to-Consumer-Bereich gute Lösungen hätten, so der Analyst, fehle dagegen ein Konzept für den Business-to-Business-Markt. Wiener vermißt bei den drei Verbündeten Kompetenz für den Electronic Data Interchange (EDI), wie das Verfahren heißt, mit dem Großunternehmen und Zulieferer ihre Geschäftskommunikation abwickeln.

Eine offene Flanke, die allerdings in Wochenfrist geschlossen sein dürfte. In der Branche kursieren nämlich Gerüchte, wonach Microsoft noch in der ersten Mai-Woche einen Partner für den EDI-Bereich bekanntgeben will. Als potentielle Weggefährten werden in Insider-Kreisen vor allem Sterling Commerce und Harbinger gehandelt, wobei letzteres Unternehmen sogar als möglicher Übernahmekandidat gilt.

Sollte ein solches Konglomerat zustandekommen, dürfte auch die Actra Business Systems einen schweren Stand haben. Actra ist ein Joint-venture von Netscape und GE Information Systems (Geis), dem weltgrößten EDI-Player. Der Neuling will Mitte Mai mit eigenen E-Commerce-Produkten antreten.