Horizontal verbunden ohne Umweg über die Zentrale

10.06.1977

Die Apostel des Distributed Processing sagen, der Markt verlange jetzt die richtige DP-Hardware, der Druck komme vom Anwender: "Es redet doch keiner mehr davon, daß er ein größeres, daß er ein schnelleres Zentralsystem braucht", meint dazu Harmut Schlenk (Foto), Marketing-Manager bei Harris/Sanders .

Die "Gewissensfrage" sei vielmehr, welche Funktionen nach draußen verlagert, wie zentrale Datenbanken verteilt werden könnten. Schlenk: "Das ist anwendungsbezogen. Es gäbe Anwendungen, bei denen das unmöglich sei - Flugreservierung zum Beispiel, "wo eine zentrale Kontrolle für Richtigkeit sorgt". Ansonsten jedoch: "Wenn Sie zehn regionale Verkaufsbüros haben, ist es doch nicht richtig, daß soviel Ballast in Form von Kundendateien im zentralen System herumgeschleppt wird." Und weiter: "Immer wenn eine Kundenanfrage kommt, geht das System in das Anwendungsprogramm und nudelt da rum."

Welche Konsequenzen die Mainframer daraus gezogen haben, ist hinlänglich bekannt: Die Hauptspeicher wurden immer größer, die Platten wurden immer größer. So daß der Anwender auch die Datenbanken immer größer machen konnte. Wenn er damit auch arbeiten wollte, mußte er allerdings entsprechend viele Terminals dranhängen. Die Folge war, daß keiner mehr etwas gekriegt hat. Schlenk: "Sie müssen mal die Leute fragen, mit den vielen, vielen Megabytes DiskKapazität, wie viele Daten denn pro Tag bewegt werden."

Deshalb sollten Informationen, die kundenbezogen sind, die nur das einzelne Verkaufsbüro interessieren, ausgelagert werden. Die Gretchenfrage, ob es notwendig sei, ständig den Abfragestatus zu haben, macht den Harris-Mann nicht verlegen: "Es ist im Prinzip einfacher, eine ausgelagerte Datenbank im Batch upzudaten, als rein interaktiv." Schlenk ist im übrigen der Auffassung, daß es noch zu unterschiedliche Meinungen darüber gibt, was mit "Distributed Processing" eigentlich gemeint ist: "Die einen sagen, es müssen viele kleine Systeme sein, die anderen sagen, es muß ein Verbund unter zentraler Kontrolle sein, und wieder andere sagen, wir wollen zwar die zentrale Kontrolle nicht aufgeben, aber möglichst viele Funktionen nach draußen verlagern, um die Zentrale klein zu halten."

Mit einer eigenen Definition will der Sales-Profi allerdings auch nicht überkommen: "Was wir anstreben, ist horizontale Kommunikation zwischen (Sanders-) Terminal und (Sanders-) Terminal ohne den Umweg über die (IBM-)Zentrale." So soll es zwar - wie Schlenk erklärt - nach wie vor ein Überwachungssystem geben, jedoch keine herkömmliche Ferndaten-Steuereinheit Ó la 370 X, die zwangsläufig voraussetze, daß die Zentrale immer die Zentrale ist. Unter mehreren "remote" stehenden Systemen, die untereinander alle gleiche Priorität haben, könne jedes von Fall zu Fall die Zentrale sein: "Dann werden eben verschiedene Wege geschaltet." Conditio sine qua non dafür sei, daß ein gewisses Maß an eigener Computerpower im Terminal zur Verfügung steht. Eine Bedingung, die durch die meisten neueren Datenstationen erfüllt wird: Viele Dinge - über die herkömmlichen Eingabeprüfungen hinaus - werden heute schon am Terminal gemacht und nicht mehr am Zentralsystem.

Eitel Freude und Sonnenschein für die einschlägigen Hersteller - wenn es nicht das leidige Postproblem gäbe. Die schnellsten Leitungen bringen bekanntlich nicht mehr als 9600 Baud, darüber gibt es nichts. Was nützt es also, wenn der Rechner auf der Terminalseite wahnsinnig schnell ist und sich dann alles vor der Leitung staut? "Die Software könnte zehnmal so langsam sein, wie sie heute ist, es kommt ja eh nichts durch", bedauert Schlenk. Er hofft jedoch, daß mit dem elektronischen Vermittlungssystem EDS die Leitungskosten runtergehen werden: "Auch in der Monopolstellung, die die Post hat, ist es nicht mehr vertretbar, die Kosten zu erhöhen."