Hochautomatisierte Halbleiterfertigung bei IBM

20.07.1979

STUTTGART (pi) - Am 13. Juni 1979 stellte die IBM Deutschland die neue Halbleiterproduktion des Werkes Sindelfingen im Böblinger Industriegebiet Hulb der Öffentlichkeit vor. Hier werden Speicherchips in "Samos"-Technologie gefertigt, unter anderem auch das 64-K-Bit-Chip mit der höchsten von IBM bisher ! hergestellten Speicherdichte. Kennzeichnend für das neue Werk ist der hohe Automatisierungsgrad der Fertigung, die von einem Computerverbundsystem überwacht und gesteuert wird.

Das Ausgangsmaterial für die Chip-Produktion "auf der Hulb" ist eine runde Siliziumscheibe mit einem Durchmesser von 82 Millimetern und einer Dicke von 0,4 Millimetern. Auf einem solchen "Wafer-" lassen sich gleichzeitig 120 Speicherchips herstellen. Etwa 40 Schlüsselprozesse muß ein Wafer im Fertigungsverlauf über sich ergehen lassen. Allein neun entfallen auf die fotolithografische Bearbeitung. Hinzu kommen Prozesse zur Dotierung, zum Aufbringen von schützenden und isolierenden Schichten und zur Metallisierung.

Bei allen diesen Prozessen wird äußerste Genauigkeit sowohl bei der Herstellung als auch bei den späteren Meßverfahren verlangt. Bei den fotolithografischen Prozessen sind Maskenstrukturen mit einer Feinheit von bis zu zwei Mikrometern erforderlich. Noch geringere Abmessungen haben die Schichtdicken, die bei den verschiedenen Oxidations- und Verdampfungsprozessen eingehalten werden müssen. Sie reichen hinunter bis zu 20 Nanometern (ein Nanometer ist ein Millionstel Millimeter). Hierbei gerät man schon in die Größenordnung von Atomlagen, die bei etwa einem Nanometer liegen.

Das im neuen Halbleiterwerk zur Fertigungssteuerung und zum Testen eingesetzte Rechnerverbundsystem arbeitet mit drei Großcomputern in der Zentrale (2 X IBM System /370-168, 1 x /370-158) und 40 Prozeßrechnern IBM System /7. Die Aufgaben der Prozeßrechner liegen in der Steuerung und Überwachung der Luftkissen-Transportsysteme, in der Überwachung und teilweise auch der Steuerung der Bearbeitungsanlagen, in der Erfassung einer Vielzahl von Meßwerten, aus denen man später Rückschlüsse auf die Qualität der Bearbeitung ziehen kann.

Während des gesamten Durchlaufs durch die automatische Fertigung wird jeder Wafer durch das Computerverbundsystem kontrolliert und gesteuert. Nach der Eingabe in eine Fertigungsstraße wird an Lesestationen mit einem Laserstrahl die zu Beginn der Produktion in den Wafer eingebrannte Identitätsnummer gelesen. Das Computersystem vergleicht diese Nummer mit den eingespeicherten Ziffernfolgen und ordnet den nächsten Fertigungs- oder Prüfschritt für diesen speziellen Wafer an. Das heißt, ab dem Zeitpunkt, zu dem die Wafer-Nummer zum ersten Mal eingelesen wurde, kann der Wafer für das Computersystem innerhalb der Fertigung nicht mehr verlorengehen. Gelangt versehentlich ein falscher Wafer in einen speziellen Arbeitsgang, so wird er noch vor seiner Bearbeitung vom Computer aufgrund seiner Nummer erkannt und zurückgewiesen .

Sensoren prüfen Prozeßmedien

Die "Verantwortung" der Prozeßrechner besteht zum Teil in der Steuerung der Bearbeitungsanlagen, vor allem aber in der Überwachung dieser Einrichtungen. Über Sensoren können die Prozeßmedien auf Druck, Konzentration, Temperatur etc. geprüft werden. Die gemessenen Werte werden mit den gespeicherten Sollwerten verglichen, bei Abweichungen kann entweder automatisch der gewünschte Zustand wiederhergestellt werden, oder der Rechner alarmiert die Prozeßingenieure .

Alle Meßdaten werden zusammen mit der Zeitangabe ihrer Messung gespeichert. Beim späteren Testen der Wafer läßt sich dann beispielsweise feststellen, daß ein Teil der Wafer bei einer zu niedrigen Temperatur oxidiert wurde, daß die Konzentration einer Flüssigkeit zu hoch war oder daß ein bestimmter Bearbeitungsvorgang zu früh beendet wurde. Für die ständige Verbesserung der Prozesse sind solche Messungen äußerst wertvoll.

Die Prozeßingenieure haben zwei Möglichkeiten, um in den Fertigungsprozeß "hineinzusehen" und eventuellen einzugreifen. Über Bildschirmgeräte können sie Zustandsinformationen eines bestimmten Fertigungsabschnittes abfragen. Außerdem sind alle Prozeßrechner noch an eine gemeinsame Leitzentrale angeschlossen. Hier wird auf übersichtlichen Anzeigetafeln die gesamte Fertigungssituation angezeigt; von hier aus lassen sich alle Daten abfragen. Die Leitzentrale übernimmt hauptsächlich bei Störfällen die erforderlichen Aktivitäten, die Verständigung mit den Prozeßingenieuren erfolgt akustisch.