Patenturteil bringt einige Hersteller in die Klemme

Hitachi gewinnt Patentstreit gegen Motorola um 68030

13.04.1990

MÜNCHEN (gs) - Nachdem ein US-Gericht Patentverletzungen bei Motorolas 68030-Prozessor und bei Hitachis H8/532-Mikrocontroller festgestellt hat, können beide Kontrahenten ihre Chips nur noch per einseitiger Verfügung liefern. Wenn der Streit nicht schnellstens beigelegt wird, dürften einige Computerhersteller, vor allem Apple und Atari, ernste Probleme bekommen.

Es war ein Pyrrhus-Sieg für Motorola. Zwar bestätigte das Bundesgericht in Austin, USA, daß Hitachis H8/532-Mikrocontroller drei Motorola-Patente verletzt. Zugleich aber stellte Richter Lucius D. Bunton fest, daß ein viertes eingeklagtes Patent ungültig ist. Der härteste Schlag jedoch: Bunton gab Hitachis Gegenklage statt, wonach Motorolas 68030-Prozessor eines der Patente seines japanischen Konkurrenten verletzt.

Das am 29. März 1990 ergangene Urteil verbietet beiden Firmen, die strittigen Produkte zu verkaufen, solange die entsprechenden Patente der Gegenseite gelten. Darüber hinaus verdonnerte Richter Bunten sie zu Schadensersatz: Motorola hat an Hitachi 500 000 Dollar zu zahlen, Hitachi an Motorola exakt 1 901 460 Dollar. Endgültig entschieden ist trotzdem noch nichts: Bereits am folgenden Tag erwirkten die Amerikaner eine Aussetzung ihres Urteils. Hitachis Antrag auf Aussetzung wird vermutlich in den ersten April-Tagen genehmigt.

Wie es weitergehen soll, weiß momentan keiner. Man erwäge die Optionen, hieß es bei den Kontrahenten. Die meisten Beobachter sind sich einig, daß die beiden schnellstens zu einer Lösung kommen sollten. Andernfalls könnte es für sie - und auch für ihre Kunden - ausgesprochen schmerzhaft werden.

Auf Motorolas 32-Bit-Prozessor basieren unter anderem High-end-Workstations von Hewlett-Packard, Stratus und Sun, vor allem jedoch Apples Standbein, der Mac II, und Ataris geplante TT-Familie, die noch in diesem Jahr die etwas angegraute ST-Reihe ablösen und das Unternehmen wieder in die Höhe bringen soll. Insgesamt bauen mehr als 30 Hersteller Systeme, die auf den 68030 aufbauen. Laut Dataquest konnte Motorola von dem Prozessor allein im letzten Jahr etwa 1,1 Millionen Stück verkaufen.

Auch Hitachis H8, obwohl längst nicht so bekannt wie der 68030, verspricht nach Einschätzung der Marktauguren ein glänzendes Geschäft zu werden. Als integrierter Prozessor in einer Vielzahl von Geräten, von Klimaanlagen bis zu Industriesteuerungen, kann er mit einer Millionenauflage rechnen. Zwar beziffert Hitachi-Sprecher Matthew Trawbridge den Beitrag des H8 zum gesamten Halbleiterumsatz des japanischen Elektronikriesen auf derzeit gerade ein Prozent, doch hätten mehrere hundert Unternehmen Produkte auf H8-Basis in der Entwicklung.

Drei Klagen sind noch anhängig

Der Beginn des Streits geht zurück auf das Jahr 1986. Damals hatten Hitachi und Motorola sich in einem Über-Kreuz-Abkommen gegenseitig die Verwendung bestimmter patentierter Techniken zugestanden. Die Folge waren endlose Streitereien darüber, was die Vereinbarung abdeckt und was nicht.

Gegenwärtig sind noch drei Klagen anhängig. Einen Fall betrachtet Hitachi nach dem jetzigen Urteil als erledigt, weil er sich auf das Patent berufe, das Richter Bunton für ungültig erklärt habe. Und auch in einem weiteren Fall sehen sich die Japaner bereits als Sieger: Hier geht es um Motorolas RISC-Prozessor 88000, der ihrer Ansicht nach dasselbe Patent verletzt wie der 68030. Dieses Patent vom Februar 1987 schützt laut Hitachi eine Technik der Adreßumsetzung für einen assoziativ arbeitenden Befehls-Cache.

Motorolas Kunden sehen vorerst gelassen in die Zukunft; sie rechnen mit einer gütlichen Einigung. Falls es doch Schwierigkeiten geben sollte, hoffen sie, mit ihren Chip-Vorräten auszukommen. Bei Stratus, die gerade eine Reihe neuer fehlertoleranter Systeme auf den Markt bringt, von denen einige auf dem 68030 basieren, reichen nach Angaben eines Firmensprechers die Bestände für etwa drei Monate. Apple meldete, genügend Macs auf Lager zu haben, um den Bedarf decken zu können. Und Sun sieht überhaupt kein Problem: Die Nachfrage nach den 3/80-Modellen, die mit dem Motorola-Prozessor arbeiten, sei "sehr, sehr gering".

Schwierig könnte es allerdings dennoch werden: Dann nämlich, wenn Motorola an seinem ursprünglichen Ziel festhalten sollte, das nach den Worten eines Pressesprechers "absolut" darin besteht, "die H8-Familie nicht mehr von Hitachi vermarkten zu lassen".