VDMA ist mit Verordnung noch nicht ganz zufrieden:

Herstellerverband bemüht sich grundsätzlich um Recycling

10.01.1992

Bei der Ausarbeitung der Elektronik-Schrott-Verordnung haben Herstellerverbände und Umweltministerium zusammengearbeitet. Beide Parteien sind sich einig, daß alte Geräte im normalen Hausmüll nichts zu suchen haben. Uneinigkeit herrscht allerdings darüber, ob Komponentenhersteller in die Pflicht genommen werden sollen, oder wie sinnvoll herstellerunabhängige Rücknahmepflicht ist. Peter Günther* erläutert die Haltung des VDMA.

Das Schlagwort lautet "from cradle to grave" oder - wer etwas hergestellt hat, sei es Plastiktüten, Autos oder Computer muß es wieder vom Kunden zurücknehmen, wenn dieser es will. Damit ist zwar noch nicht das Müllproblem gelöst - es ist vielmehr auf Handel und Industrie verschoben. Man verspricht sich aber von seiten der Politik aufgrund der Verordnung, daß die Hersteller recyclingfreundlicher konstruieren. Dies fordert auch der Entwurf einer Elektronik-Schrott-Verordnung in ° l, den abfallwirtschaftlichen Zielsetzungen.

Die im Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau e.V. (VDMA) zusammengeschlossenen Hersteller von Maschinen und Anlagen, darunter auch die Unternehmen der Büro- und Informationstechnik, teilen die Auffassung des Umweltministeriums, daß derartige Geräte und Anlagen grundsätzlich weder auf die Deponie noch in die Verbrennung gehören. Auch sie sehen die Lösung des Entsorgungsproblems darin, bereits bei der Entwicklung von Neugeräten an die Verwertungs- und Entsorgungsfragen zu denken. Dies bedeutet Kennzeichnung der Materialien, Verwendung wiederverwertbarer Materialien und demontagefreundliche Verbindungen von Teilen.

Sechs Millionen Tonnen Elektronik-Schrott

Doch selbst unter der Voraussetzung, ein solcher recyclingfreundlicher "grüner" PC könnte bereits morgen verkauft werden, würde es zirka bis zum Jahr 2000 dauern, bevor dieser PC zu Elektronikschrott wird. Nimmt man die Zahlen des Umweltministeriums, so würden bis zu diesem Zeitpunkt über sechs Millionen Tonnen Elektronik-Schrott anfallen, der noch nicht das Kriterium "recyclingfreundlich" aufweist. Hinzu kommt, daß gerade in der informationstechnischen Industrie mit einem erheblichen Importanteil die rechtlichen Rahmenbedingungen für eine recyclinggerechte Konstruktion nicht durch nationale Alleingänge, sondern nur durch international abgestimmte Maßnahmen gesetzt werden müssen.

Die Lösung des Altlastenproblems, das heißt der Geräte, die zur Zeit im Markt sind, kann nach Auffassung des VDMA nur durch die Rücknahme und Verwertung der gebrauchten Geräte geschehen.

Die Idee, Produkte, die man einmal selbst produziert hat, wiederzuverwerten, um somit zu einer Verminderung des Abfallaufkommens beizutragen, war letztendlich auch Auslöser für entsprechende Aktivitäten einzelner Unternehmen des VDMA Anfang 1990.

Goldgräbermentalität der "Wertstoffhändler"

Zu diesem Zeitpunkt trafen sich die VDMA-Mitgliedsunternehmen und berichteten über die Erfahrungen, die sie mit der Geräterücknahme und -verwertung gesammelt hatten.

Die Ergebnisse dieser Einzelaktivitäten zeigten, daß die Verwertungsquoten deutlich über dem lagen, was eine Vielzahl von "Wertstoffhändlern" schon seit längerer Zeit in echter Goldgräbermentalität aus dem Computerschrott herausholte. Sie zeigten auch, daß es zur Zeit noch drei problematische Fraktionen gibt - Mischkunststoffe, Bildröhrenglas und bestückte Leiterplatten.

Für sie stehen noch keine gesicherten Verwertungsmöglichkeiten zur Verfügung. Und die Einzelaktivitäten führten auch zu dem Schluß, daß ein gemeinsames Rücknahme- und Verwertungssystem, an dem sich eine größere Anzahl von Firmen beteiligen müßte, sicherlich wirtschaftlicher gestaltet werden könnte.

Auf Anregung des VDMA-Ausschusses Umweltpolitik wurde deshalb ein Arbeitskreis aus Experten gebildet, der gemeinsam mit Vertretern des Zentralverbandes der Elektro- und Elektronikindustrie e.V. (ZVEI) den Lösungsweg für ein gemeinsames Rücknahme- und Verwertungssystem erarbeiten sollte.

Um zu einer größtmöglichen Wiederverwertung der in elektronischen Produkten enthaltenen Stoffe zu gelangen, wurden folgende Zielvorgaben definiert:

- Mit Hilfe eines Sammelsystems sollen die gebrauchten Produkte einer Wiederverwertung zugeführt werden. Die Rückführung der in den elektronischen Geräten enthaltenen Stoffe in den Wirtschaftskreislauf, das heißt die stoffliche Verwertung, hat dabei oberste Priorität. Allerdings muß die thermische Verwertung für nicht stofflich verwertbare Teile nach wie vor zur Verfügung stehen.

- Die Verwertung einschließlich der Demontage soll durch qualifizierte Dritte umweltverträglich durchgeführt werden. Die Gerätehersteller stellen insbesondere für die Demontage das erforderliche Know-how zur Verfügung.

- Die Kosten, die bei Sammlung und Verwertung zwangsläufig anfallen werden, sollen auf privatwirtschaftlicher Basis kostengerecht unter den Beteiligten, das heißt unter Hersteller, Handel und Endverbraucher, verteilt werden. Auf jeden Fall sind alle den deutschen Markt beliefernden Importeure entsprechend ihres Importanteils an den Kosten zu beteiligen.

- Die Erfahrungen aus Rücknahme und Verwertung sollen ständig in die recyclingfreundliche Konstruktion von Neugeräten einfließen.

Ausgehend von dieser Zielsetzung wurde folgendes Konzept für ein privatwirtschaftliches Rücknahme- und Verwertungssystem erarbeitet. Die Sammlung soll in erste Linie herstellerunabhängig an Sammelstellen durchgeführt werden, die flächendeckend verteilt sein müssen. Das System muß allerdings so flexibel sein, daß auch über Handel beziehungsweise vom Hersteller zurückgenommene Geräte in den Verwertungsstrang eingespeist werden können.

Ein Finanzierungssystem ist erforderlich

Von der Sammelstelle gelangen die Altgeräte zu einer zentralen Demontagestelle, in der die Geräte zunächst grob sortiert, von schadstoffhaltigen Bauteilen beispielsweise von PCB-haltigen Kondensatoren befreit und anschließend in bestimmte wiederverwertbare Fraktionen zerlegt werden, die anschließend von Recyclingfirmen weiterverarbeitet werden.

Teile oder Fraktionen, die momentan nicht stofflich verwertet werden können, weil sowohl technisch als auch wirtschaftlich keine geeigneten Verfahren zur Verfügung stehen, müssen in die Abfallentsorgung eingespeist werden können. Das bedeutet, daß für diese Abfälle nach wie vor die thermische Vorbehandlung und die gesicherte Ablagerung unverzichtbar sind und die umweltverträglichste Lösung darstellen.

Da zu erwarten ist, daß die Erlöse aus der Sekundärrohstoffgewinnung bei weitem nicht die Kosten der Sammlung, Demontage und Entsorgung decken werden, ist ein Finanzierungssystem erforderlich, das alle Beteiligten, das heißt Käufer, Hersteller, Importeure und Handel miteinbezieht. Sofern der Verordnungsgeber hierfür die Weichen stellt, könnte ein solches System ähnlich wie das duale System für Verpackungen beziehungsweise wie die Gema-Gebühr für Musikaufführungen aussehen. Durch einen Aufpreis bei Neugeräten werden die Verwertungskosten von Altgeräten gedeckt.

Auf den ersten Blick gleichen Zielsetzung und Konzept dieses Rücknahme- und Verwertungssystems dem vom Umweltminister Klaus

Töpfer vorgelegten Referentenentwurf einer Elektronik-Schrott-Verordnung. So gesehen begrüßt auch der VDMA den Verordnungsentwurf und bekennt sich zu einer Mitwirkungspflicht bei der Lösung des Entsorgungsproblems.

Allerdings weist der Verordnungsentwurf aus der Sicht der Gerätehersteller vier gravierende Mängel auf:

- Die Verordnung verpflichtet den Hersteller zu einer Geräterücknahme unabhängig davon, ob er das Gerät hergestellt hat oder nicht (herstellerunabhängige Rücknahme). Damit stirbt jeder Anreiz für den Hersteller, zukünftig recyclinggerechte Neugeräte herzustellen - er muß ja nun auch mit dem recyclingunfreundlichen anderen Elektronikschrott zurecht kommen.

- Die Verordnung verpflichtet Hersteller und Handel beziehungsweise ein von diesen getragenes Rücknahme- und Verwertungssystem, Geräte zurückzunehmen unabhängig davon, ob ein Neugerät gekauft wird oder nicht. Ein solch pauschales Rückgaberecht verleitet zu Haushaltsentrümpelungen und würde durch die zu erwartenden Altlasten der neuen Bundesländer Handel und Industrie überfordern. Hier ist der Verordnungsgeber aufgefordert, die Finanzierung dieser Altlasten entweder durch eine finanzielle Beteiligung des Bundes oder durch die Erhebung einer "Gema"-Gebühr für gebrauchte Elektronikgeräte sicherzustellen.

- Die Rücknahmeverpflichtung des Verordnungsentwurfs endet beim Hersteller des vollständigen Gerätes. Nun bezieht der Computerhersteller aber viele Teile (beispielsweise Bildröhren, Tastaturen) von Lieferanten, auf deren recyclinggerechte Konstruktion er keinen direkten Einfluß hat. Aus Sicht des VDMA ist es dringend erforderlich, die Teilehersteller in die Verordnung miteinzubeziehen, um die Rücknahme- und Verwertungsziele auf alle Beteiligten an der Herstellung von elektronischen Geräten wirken zu lassen.

- Die zwangsweise Einbindung der entsorgungspflichtigen Körperschaften (Kommunen) mit einem gesetzlich verankerten Einspruchsrecht in ein von Herstellern und Handel getragenes Rücknahme- und Verwertungssystem widerspricht den Grundsätzen eines privatwirtschaftlich organisierten Entsorgungsystems. Selbstverständlich wird ein solches System alle in Frage kommenden Problemlöser - und darunter sicherlich auch die kommunalen Entsorger - miteinbeziehen, dies kann allerdings nur unter gleichen Wettbewerbsbedingungen erfolgen.