Herstellerauswahl als Lotteriespiel: Trau, schau, wem!

15.01.1982

Die Anwender beobachten intensiv und skeptisch die wirtschaftliche Entwicklung der DV-Hersteller. Bei Entscheidungen spielen zunehmend - neben technischen - wirtschaftliche Sicherheitsüberlegungen eine Rolle. Eckhard Schupp, DV-Leiter bei Südfleisch, ist mit seinen Druckern ein "gebranntes Kind" und will sich deshalb zukünftig bei Neu-Anschaffungen noch besser informieren. Christian Blamauer fürchtet, daß eine Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation eine Änderung der Modellpolitik seines Hardwarepartners nach sich ziehen könnte. Er schließt einen Herstellerwechsel nicht aus, sollte er dort positivere Möglichkeiten entdecken. Vor der "Hüftschußmethode" mancher Vertriebsbeauftragter warnt DV-Leiter Günther Fischer und hofft, daß Blender jetzt endlich vom Markt verschwinden werden. Außerdem sieht er eine Chance für kleinere Anbieter, die ihre Fähigkeiten kennen und eine echte Problemlösung offerieren. ih

Christian Blamauer, Org. /DV-Leiter, F.C. Trapp, Wesel (ICL 2950/10, ME 29/35

Wir beobachten die wirtschaftliche Lage bei den Hardware-Herstellern sehr genau. Natürlich interessiert uns die Entwicklung bei ICL besonders.

Das soll nicht heißen, daß wir bei einer Schlagzeile wie "ICL zieht sich vom deutschen Markt zurück" verschreckt reagieren würden. Uns ist klar, daß sich unser Hersteller so schnell nicht vom deutschen Markt zurückziehen kann. Zuerst einmal müßte es einen Nachfolger geben, der die Systeme wartet.

Von der Softwareseite her sind wir herstellerneutral, das heißt, wir könnten morgen auf IBM oder andere umstellen. Hier haben wir uns schon frühzeitig abgesichert. Interessant ist für den Anwender, daß eine Veränderung der wirtschaftlichen Situation auch oft eine Änderung in der Modellpolitik bedeutet. Bei ICL sieht es jetzt so aus, daß kein großer Wert mehr auf Großanlagen, sondern mehr auf kleinere Systeme wie ME 29 gelegt wird.

Ich werfe ICL vor, daß sie sich schlecht verkaufen. Wenn ich sehe, mit welchen Problemen IBM-Anwender beispielsweise bei der Umstellung der Betriebssoftware von einer Anlage auf die andere zu kämpfen haben, ist mir das unverständlich. Wir kennen das einfach nicht. Auch die Möglichkeiten, die in der ME 29 stecken, werden von dem Hersteller nicht richtig herausgestellt. In unserer Niederlassung in Berlin, die immerhin einen Umsatz von 40 Millionen Mark macht, steht eine NIE 29 mit einem Mietwert von 13 000 Mark monatlich.

Auf ihr werden die ganzen Programmsysteme wie Finanzbuchhaltung, Kostenrechnung, Lohnbuchhaltung, technische Programme, Kalkulation und so weiter voll unter Sachbearbeiterkontrolle gefahren. Die Anlage ist per DFÜ an die 29/50 und gleichzeitig an einen Operator-Bildschirm im Stammhaus angeschlossen so daß Datenaustausch und sogenanntes Fernoperating jederzeit möglich sind. Zwei Drucker stehen im Haus an zentralen Stellen verteilt, an denen die Sachbearbeiter ihre Listen entnehmen. Vergleichbare Installationen sind mir beispielsweise bei IBM nicht bekannt.

Aber es besteht durchaus die Möglichkeit, daß wir bei einem anderen Hersteller positive Möglichkeiten entdecken und deshalb langfristig unseren Hersteller wechseln würden. Es ist eine Tatsache, daß die Engländer einfach nicht in der Lage sind, sich und ihre Produkte gut zu verkaufen. Sollte sich ICL wirklich irgendwann vom deutschen Markt zurückziehen, müßten wir uns natürlich nach einem anderen Hersteller umsehen. Eilig hätten wir es nicht, denn wir sind mit unseren Anlagen für die nächsten 3 bis 4 Jahre versorgt. Von der Softwareseite her gibt es sowieso keine Probleme.

Günther Fischer, Leiter DV/Org., Laudenbach (IBM/38)

Die existenzielle Bedeutung der DV, die hohen Kosten und die Tatsache, daß DV-Projekte prinzipiell langfristiger, Natur sind, hat viele Anwender, so auch uns, dazu gebracht, Sicherheitsüberlegungen nicht nur technischer, sondern auch wirtschaftlicher Art in den Entscheidungsprozeß über DV-Projekte einzubeziehen.

Auch durch Erfahrung klug geworden haben wir die technischen Sicherheitsüberlegungen also über Wartungs- und Fehlerhäufigkeit, Datenschutz und Datensicherheit, durch die Prüfung der wirtschaftlichen Zuverlässigkeit der Projektpartner, insbesondere von Software-Häusern, ergänzt.

Diese zusätzliche Aufmerksamkeit erscheint jetzt, wo sich eine erste ernste Krisenanfälligkeit der von Erfolgen verwöhnten Branche zeigt, angebracht. Aber schon vor zwei Jahren, als alle Welt vom "Gold der 80er Jahre" schwärmte, als Software-Häuser und -Hütten wie einst die Wohnsilos aus dem Boden schossen, war Vorsicht die Mutter der Computerkiste. Das explosionsartig erweiterte Angebot traf damals auf die gierige Nachfrage der unter Rationalisierungszwang stehenden Anwender. Auch mußte die billig gewordene Hardware sinnvoll beschäftigt werden. Jetzt haben der Druck der flauen Konjunktur, die allgemeine Sparwelle, eine gewisse Desillusion freie Kapazitäten geschaffen. Ihre Leerkosten zwingen die oft nur schwach mit Eigenkapital ausgestatteten Häuser so in die Knie, daß auch laufende Projekte heute gefährdet sind. Wer damals einen solide wirtschaftenden

Partner wählte, braucht heute nicht um den Abschluß seines Langzeitprogrammierprojektes zu fürchten.

Welche Kriterien können nun zur Prüfung der wirtschaftlichen Solidität eines potentiellen Partners herangezogen werden? Gute Einblicke gestatten natürlich Geschäftsberichte, Bankauskünfte und Presseberichte. Diese Informationen stehen jedoch nicht immer zur Verfügung, beziehungsweise sind nicht auf aktuellem Stand oder sie sind werbewirksam aufbereitet. Auf jeden Fall ist es' angebracht, das Verkaufsgebaren aufmerksam zu beobachten und andere Kunden zu kontaktieren, um so von deren Erfahrungen zu profitieren.

Die Art und Weise, wie ein Anbieter akquiriert, kann einigen Aufschluß über seine Seriosität und damit wirtschaftliche Zuverlässigkeit geben. Wir werden skeptisch, wenn ein übermäßiger Repräsentationsaufwand getrieben wird, und wenn umfangreiche Lastenhefte und bohrendes Nachfragen nach dem Motto "Wir können alles" behandelt werden. Auch Rabattverkäufer und Leute, die Preise nach der Hüftschußmethode kalkulieren, machen uns mißtrauisch. Denn Preiskorrekturen, Nachforderungen im laufenden Projekt (wenn man nicht mehr zurückkann) sind nicht nur unangenehm, sondern auch gefährlich. Bedenklich wird's auch, wenn Termine und Zusagen schon in der Angebotsphase wiederholt und grundlos nicht eingehalten werden. Denn dann kann man sicher sein, daß man auch bei der Realisierung entsprechend frustriert wird und daß der Anbieter auch in wirtschaftlicher Hinsicht unzuverlässig ist. Aber "Terminüberprüfungen" kommen ja in den besten Familien vor.

Alle Vorsicht schützt frelich vor Überraschungen nicht aber sie hilft, Blendern auf die Schliche zu kommen und auch kleinen Anbietern oder gar Außenseitern, die ihre Fähigkeiten kennen und eine echte Problemlösung offerieren, ihre Chance zu geben.

Gernot Korth, Geschäftsführer und DV-Leiter Hüller und Brunn KG, Bonn (ICL 2950)

Wir sind seit 1975 DV-Anwender mit eigener Anlage.

Die Entwicklung der Hardware-Hersteller, die für uns möglicherweise als Lieferanten in Betracht kommen könnten, wird von uns laufend beobachtet. Unsere Informationen beziehen wir im wesentlichen aus der Wirtschafts- und DV-Fachpresse. Mit Software-Häusern beschäftigen wir uns kaum, da wir unsere Anwendungssoftware selbst herstellen.

Seit 1975 arbeiten wir mit ICL-Systemen, und dies wird voraussichtlich auch in nächster Zukunft so bleiben. Die Entwicklung von ICL interessiert uns natürlich vorrangig. Eine intensivere Beobachtung eines anderen Herstellers wird dann akut, wenn an einen Systemwechsel gedacht wird.' Sicher ist die wirtschaftliche Lage eines Hardware-Unternehmens bei unseren Kaufund Mietentscheidungen von Bedeutung. Bei der Beurteilung der Entwicklung des Herstellers spielen folgende Kriterien eine Rolle:

- Ist der DV-Bereich Haupt- oder Nebenzweig des anbietenden Unternehmens (Konzern)?

Für einen DV-Hersteller ist der Ausstieg aus dem Geschäft mit der Liquidation des Unternehmens gleichzusetzen. Die Trennung eines Mischkonzerns von seinem DV-Bereich ist bei einem Unternehmen mit Aktivitäten auf verschiedenen Gebieten schon leichter vorstellbar.

- Wie ist die Marktpräsenz allgemein und im besonderen im öffentlichen Bereich?

ICL beispielsweise wurde wiederholt von der britischen Regierung gestützt, weil es eine starke Präsenz im dortigen öffentlichen Bereich hat.

Im Vordergrund unserer Entscheidungen steht nach wie vor die durch die Hardware gebotene Problemlösung. An zweiter Stelle' rangiert das Preis-/Leistungsverhältnis.

Die Komplexität unseres Systems und das erworbene Know-how der DV-Mannschaft machen die Entscheidungen für einen Herstellerwechsel immer schwieriger. Das wirkt sich natürlich ebenfalls auf die Einflußgroße "Entwicklung des Herstellerunternehmens" aus.

Die Entwicklung im DV-Bereich sehen wir so: Der Druck der Anwender in den Betrieben nach Verbesserung und Erweiterung der DV-Leistung ist ungebrochen und wird durch den Zwang zur Rationalisierung noch verstärkt.

Eckhard Schupp, DV-Leiter, Südfleisch GmbH, München

Natürlich gibt es zu denken, wenn die wirtschaftliche Lage eines Herstellers nicht mehr so gut aussieht. Die Anwender werden sich überlegen, welche Ursachen dahinter stecken könnten. Ein Grund konnte sein, daß die Produkte nicht gut sind und sich dies inzwischen rumgesprochen hat. Oder das Unternehmen hat nicht genügend Geld für Investitionen und Neuentwicklungen. Besonders die Entwicklung von Betriebssystemen kostet viel, und wenn hier nicht mehr investiert wird, leidet der Käufer darunter. Außerdem sparen die Hersteller in schlechten Zeiten an Mitarbeitern und dadurch werden Service und Wartung eingeschränkt. Unser Unternehmen arbeitet derzeit noch mit einem Rechenzentrum zusammen, doch stehen wir vor der Entscheidung, eine eigene Anlage anzuschaffen.

Wie andere Hersteller steht auch Siemens zur Debatte, aber wir sind durch einige Punkte verunsichert worden. Wir fragen uns nämlich, ob das Betriebssystem BS2000 zukunftsträchtig ist. Spricht man mit einem Siemens-Vertriebsbeauftragten, heißt es selbstverständlich, das BS2000 sei bis ins Jahr 1990 gesichert. Dafür bürge schließlich der Name Siemens.

Dieser Aussage des VBs steht das Zitat des Siemens-Chefs Karlheinz Kaske gegenüber: "Wir müssen doch weitermachen, es gibt doch niemand mehr außer uns in Europa." Wenn das heißen soll, sie bauen nicht aufgrund guter Gewinne Computer, sondern weil sie die einzigen in Europa sind, ist dieser Grund nicht gut genug. Da wir vor der Neu-Anschaffung stehen, sind wir besonders skeptisch. Wir haben einfach Angst, eine Anlage zu kaufen, in deren Weiterentwicklung der Hersteller später kein Geld mehr reinsteckt, weil keins mehr da ist.

Wir kennen dieses Problem bei unseren Logabax-Druckern. Diese Drucker werden nicht mehr produziert. Erfahren haben wir es aus Fachzeitschriften. Das System kurzfristig zu wechseln, ist nicht möglich. CTM, Konstanz, übernimmt zwar die Wartung und Pflege dieser Geräte, hat sich aber für Drucker der Firma Triumph-Adler entschieden. Wir bangen etwas, wenn wir an zukünftige Reparaturen und Wartung denken. Also versuchen wir in Zukunft, uns schon vor der Anschaffung neuer Produkte so umfassend wie möglich zu informieren. Grundlage hierfür sind Fachpublikationen oder Erfahrungsaustausch im Kollegenkreis.