PCs sind das Geschäft der Zukunft

Hersteller und Fachhändler sollten sich zur Kooperation entschließen

19.06.1992

Betrachtet man den Herstellermarkt im Bereich Mikrocomputer (Intel-Prozessor-Linie), kann man nicht in Deutschland, auch nicht in Europa, stehenbleiben. Der Markt wird zukünftig von den Unternehmen bestimmt werden, die auf dem Weltmarkt eine führende Position haben und sie behaupten können.

Die amerikanische Fachzeitung "Computer Reseller News" hat in ihrer April-Ausgabe die zehn umsatzstärksten Unternehmen der Welt aufgelistet. Dieser gibt nicht unbedingt die Marktanteilsverhältnisse in Deutschland wieder, ermöglicht jedoch einen guten Überblick über die Kräfteverteilung im Markt. Letztendlich werden diese "Global Players" entscheidenden Einfluß auf den Markt der Zukunft nehmen.

Die IBM mit 8,5 Milliarden Dollar PC-Umsatz führt die Riege an. Hier ist ein wesentlicher Background durch den Gesamtkonzernumsatz von über 65 Milliarden Dollar zu sehen, also ein unantastbares Durchhaltevermögen. Auf dem zweiten Platz ist die Apple Computer Inc. zu finden, die mit 4,9 Milliarden Dollar gegenüber dem Vorjahr noch einmal 600 Millionen zulegen konnte. Durch die strategische Allianz mit IBM hat sich hier die stärkste und einflußreichste Gruppierung im Markt gebildet.

Den dritten Rang belegt Compaq mit einem leichten Rückgang von 3,6 auf 3,3 Milliarden Dollar. Teilen müssen sich die Texaner diesen Platz mit dem japanischen Unternehmen NEC. Toshiba mit einem gleichbleibenden Ergebnis von 1,8 Milliarden Dollar liegt an fünfter Stelle. Olivetti auf Platz sechs mit 1,5 Milliarden Dollar und Zenith auf Platz sieben mit 1,4 Milliarden werden verfolgt von Packard Bell, Tandy und Commodore. Der einstige Heimcomputer-Spezialist weist ein Umsatzvolumen von einer Milliarde Dollar auf.

Speziell der Erfolg von Apple rechtfertigt die Investition in den Low-end-Markt. Die Kalifornier haben bewiesen, daß trotz sinkender Stückerlöse Umsatzwachstum möglich ist, wenn man andere Vertriebskanäle abdeckt. Dieses Beispiel wird Nachahmer finden, hat es auch bereits gefunden.

Der Versuch von IBM, mit dem PS/1-Modell den Consumer-Markt beziehungsweise den Markt der Kleinunternehmen anzusprechen, ist noch nicht von Erfolg gekrönt. Compaq versucht, mit attraktiven Niedrigpreisen zu Lasten der Handelsspanne den Markt zu besetzen. Dies kann nur als hektische Aktion gewertet werden. Mittelfristig bringen die Texaner sicher Low-end-Produkte auf den Markt, die auch für die Handelsmittler wieder akzeptable Deckungsbeiträge bieten.

Die Branche wird sich deutlich in Consumer- und Professional-Schiene teilen. Marktführende Unternehmen werden mit Hochdruck daran arbeiten, den "No-names" und kleineren Handelsmarken die Existenz so schwer wie möglich zu machen. Es sieht zwar derzeit in Deutschland so aus, als ob die Händler den Markt durch den Vertrieb von vielen kleinen Handelsmarken zu ihren Gunsten wenden könnten, doch der Schein trügt. Niedrige Einkaufspreise werden in der Regel weitergegeben - daraus resultieren noch geringere Handelsspannen, die den Händler nicht in die Lage versetzen, kompetente Mitarbeiter an sein Unternehmen zu binden.

Markenhersteller wollen No-name-Markt zurück

Was wird passieren? Die marktführenden Anbieter haben sich jahrelang sehr stark mit dem kommerziellen Teil der Computerbranche auseinandergesetzt. Die meisten Computerfachbetriebe entwickelten sich ebenfalls in diese Richtung. Für die Fachhändler ist diese Reaktion auch richtig. Sie verkaufen Dienstleistungen und bieten dem Kunden ihr Know-how an.

Die Hersteller haben das Problem, daß sie ihre aus ständig rationalisierten Fertigungen immer größer Lernenden Stückzahlen über diese Kanäle nicht mehr absetzen können. Der Consumer-Markt könnte ein Ventil bieten, ist jedoch hierzulande belegt durch Firmen wie Vobis, Escom und andere große Handelsketten, die bereits Eigenmarken und Clones in ihr Sortiment aufgenommen haben und erfolgreich vermarkten. Nun wollen die PC-Hersteller diesen Markt zurückerobern.

Man kann deshalb davon ausgehen, daß in nicht allzu ferner Zeit Apple-Computer bei Vobis erhältlich sind, daß Compaq-Produkte der Low-end-Range über alle Vertriebskanäle verteilt sein werden ebenso wie IBM-Produkte. Verlierer in diesem Spiel dürften die Unternehmen sein, die mit zu geringen Umsatzgrößen und wenig technologischem Esprit derzeit Handelsmarken anbieten. Eines der ersten Beispiele bildet sicher PC-Anbieter Victor, der sich gerade aus dem deutschen Markt verabschiedete.

Aus den genannten Gründen ist jeder Computerfachhändler gut beraten, sich mit einem der führenden Markenanbieter langfristig zu "arrangieren" - auch in diesen schlechten Zeiten. Eigenmarkenprodukte im Low-end-Bereich können nur eine Reaktion auf die derzeitige Marktumwälzung sein, sind aber kein Konzept auf Dauer. Außerdem werden die marktführenden Unternehmen neue Technologien präsentieren, die dann wiederum in die Zukunft weisen.

Sollten sich in einem regionalen Markt keine Möglichkeiten finden, über entsprechende Vertriebskanäle einen neuen Massenmarkt zu erreichen, werden die Hersteller sicher Wege finden, diesen Markt zu generieren. Hierzu gehört die Einrichtung der "Superstores", die sich auch in Deutschland etablieren dürften, aber auch der Aufbau von qualifizierten Mail-Order-Institutionen, die ähnlich wie Dell den professionellen und semiprofessionellen Anwender erreichen wollen (zum Beispiel mit Notebooks).

Diese Konzeptionen sind von den Markenherstellern zu fördern, wenn sich nicht andere Kanäle zur Aufnahme der Massenproduktionen anbieten. Daher sollten Markenhersteller und Handel gerade jetzt eng zusammenarbeiten.