Herr User und sein Knecht

28.03.1980

Hilflos fühlen sich viele Endbenutzer gegenüber dem Computer- und gegenüber den Computerspezialisten, die als einzige mit den neuen, komplexen Informations- und Kommunikationssystemen umgehen können. Einziger Ausweg: Die Bedienung des Computers muß einfacher werden.

Teil 3

Die Erfüllung der Grundforderungen an große innerbetriebliche oder zwischenbetriebliche Verbundsysteme wie Wartbarkeit, Verfügbarkeit und Zuverlässigkeit ist meiner Ansicht nach der wirklich entscheidende und heute noch weitgehend ungelöste Ausgangspunkt jedes Gesamtentwurfs für ein hochentwickeltes Computer- und Telekommunikationssystems.

Welchen Einfluß die Beherrschung der System-Komplexität und das Vermeiden schwerwiegender Zusammenbrüche auf die Kosten zeitigt, läßt sich aus Darstellung 2 ersehen. Auf die Kostenverschiebung zu Betriebs- und Wartungskosten hat Diebold immer wieder hingewiesen, so daß ich mir eine weitere Begründung ersparen will.

Interessanter ist die Frage, welche Vorschläge man machen kann, um das nicht allein prozentual - ungezügelte Wachstum der Betriebs- und Wartungskosten zu bremsen. Der Kasten zeigt die wesentlichen Punkte: Die Vielfalt der Anwendungssoftware mit unterschiedlichen Softwarelösungen für gleiche und ähnliche Aufgabenstellungen muß drastisch reduziert werden. Die breite Nutzung von standardisierter, nach modernen softwaretechnologischen Methoden entworfener Anwendungssoftware ist eine große technische und organisatorische Herausforderung des bevorstehenden Jahrzehnts.

Diese Software soll und darf nicht vom Benutzer selbst beschafft, implementiert und gewartet werden.

Derartige Funktionen gehören in die Hand zentraler Abteilungen. Diese Gruppen haben dann auch die Aufgabe die Benutzer in allen gelegentlichen Softwarefragen zu trainieren und zu beraten.

Die zweite vielleicht vom Benutzer weniger erwünschte Funktion umfaßt die laufende Kontrolle: und Überwachung der Informationsübertragung zwischen den dezentralisierten Systemen und natürlich auch den im Netz befindlichen Großrechenanlagen.

Eine sehr schwierige Aufgabe ist, Methoden und Hilfsmittel zu installieren und zu nutzen, um die Qualität und Integrität überlokal wichtiger Daten zu prüfen und zu sichern.

Die technische Basis für die Funktion: Endbenutzer-Unterstützung zeigt Diagramm 1.

Der Grundgedanke ist, daß eine "Softwarebank" existiert, in der die standardisierte Anwendungssoftware, Generatoren für maßgeschneiderte Softwarepakete für den dezentralen Einsatz, Dokumentationsmaterial, Beratungsunterlagen und Modelle für die Simulation sehr unterschiedlicher Endbenutzerprobleme enthalten sind. Sie Softwarebank wird von Teams aus Anwendungsspezialisten, EDV-Fachleuten und Programmierern mit Standardsoftware entsprechend den Wünschen der Endbenutzer und den Vorgaben der Firmenpolitik mit neuem Material versorgt. Durch eine leistungsfähige eigene Entwicklungshardware und -software können die zentralen Teams die Programme sorgfältig testen. Auf die Softwarebank greifen die Arbeitsgruppen der Benutzerberatung und Benutzerunterstützung zu.

Eine sehr wesentliche Vorstellung ist, daß in zukünftigen fortschrittlichen Systemen die Benutzerunterstützung sehr wesentlich durch Telekommunikation und nicht mehr durch persönliche Treffen am Ort der Endbenutzerinstallation bereitgestellt wird. Die viel diskutierten breitbandigen Telekommunikationsdienste für Sprache, Bilder, Daten und technische Signale lassen es als selbstverständlich erscheinen, daß Informationen "reisen" und nicht hochqualifizierte Fachleute viele Stunden auf Reisen zu den dezentral arbeitenden Benutzern verbringen.

Diagramm 2 zeigt das Zusammenspiel zwischen zentraler Softwareunterstützung und dem Benutzer. So wird die gesamte vom Benutzer akzeptierte Anwendungssoftware über eine Telekommunikationsverbindung direkt in die Speicher der dezentralen Maschine geladen, Fehler werden durch Prüfsoftwaremoduln erkannt und unmittelbar zur Auswertung an die Zentrale gemeldet. Der Benutzer kann jederzeit Beratung anfordern, die ihm entweder von einem Trainingsprogramm des zentralen Dienstes oder über Bildtelefon, Fernkopierer und andere Medien durch einen Anwendungssoftware-Spezialisten gegeben wird.

Hat der Benutzer weitergehende Wünsche kann er Software bei der Zentrale bestellen, die gegebenenfalls neu entwickelt werden muß.

Das Diagramm 2 deutet auch die Arbeitsteilung und die Verantwortlichkeiten an. Die entscheidende Aufgabe der Nutzung des dezentralen Systems, zu der auch Zugriff auf andere DV-Systeme oder Datenbanken im Rahmen eines Informationsnetzwerkes gehören kann, obliegt dem Benutzer. Er kann dazu spezielle Adaptionen vornehmen, die Schaffung von Ein-/Ausgabe-Bildschirmmasken, Anlage und Strukturierung lokaler Datenbestände, Eingriffe in die Verarbeitungsabläufe sowie lokale Prüfungen und Kontrollen. Die eigentlichen Anwendungsprogramme sind ihm zur Änderung dagegen nicht zugänglich. Ebenso gibt es beispielsweise Einschränkungen beim Aufbau und der Strukturierung von Daten, die auch über das Netzwerk zugänglich sein sollen. Die dargestellte Organisation in Diagramm 2 sowie Diagramm 3 zeigen klar die zukünftigen Aufgaben der jetzigen MIS-Staff.

Organisationsplanung, Informationsplanung und daraus abgeleitet die Planung des Computer- und Kommunikationsnetzwerkes sind Grundaufgaben, die zur vollen Nutzung der informationstechnologischen Hilfsmittel und zur Vermeidung der früher geschilderten negativen Folgewirkungen nicht mehr getrennt werden dürfen.

Hier arbeiten EDV-Spezialisten eng mit unter Berücksichtigung der Fachabteilungen übergeordneten Unternehmensplanung zusammen. Aus der Planung und dem Design des Informationsnetzwerkes ergeben sich Modelle, die eine Überwachung und Steuerung des Informationsflusses in der Organisation ermöglichen. Diese Überwachungs- und Steuerfunktionen werden ebenso wie der Anwendungssoftware-Service von zentralen Gruppen mit massiver Computerunterstützung abgewickelt. Viele der Routineüberwachungsaufgaben, wie die Konsistenzprüfung von verteilten Datenbasen oder die Zugriffsüberwachung aus vertrauliche Daten, die Rechner ohne Intervention des Menschen erledigen können.

Für andere mehr außergewöhnliche Vorgänge, wie Entscheidungsprobleme bei widersprüchlichen Aussagen verschiedener Teilsysteme, wird der Mensch im Dialog einzuschalten sein. Soweit es sich bei auftretenden Abweichungen nicht um technisch bedingte Ursachen handelt, sind Entscheidungen natürlich nicht Sache der EDV-Abteilung, sondern des zuständigen Managements.

Wichtig ist, daß das von mir skizzierte Modell nicht die elementaren Übertragungsprotokolle, wie den Packet Switching Service X.25 anspricht. Solche Kommunikationstechniken werden als vorhanden und nicht im Verantwortungsbereich des Unternehmens liegend vorausgesetzt.

Lassen Sie mich meine Zukunftsvision zusammenfassen: Die Rolle von zentralen koordinierenden und überwachenden EDV-Abteilungen wird nicht abnehmen, sondern eher weiter wachsen. Das Aufgabenspektrum der EDV-Spezialisten wird sich wesentlich erweitern. Besonders wesentlich wird die Verbindung der Unternehmens- und Organisationsplanung mit der Planung der informationstechnologischen Logistik des Unternehmens sein. Ebenso ist die Steuerung und Überwachung der Informationsabläufe und Datenbestände des Unternehmens auf anwendungstechnischer Ebene mit der Routine-Arbeit der strategischen und taktischen Managementebene zu verknüpfen. Wird fortgesetzt