Content-Management

Heiße Ware: Kampf um Online-Verkauf

15.09.2000
Inhalte, neudeutsch Content, gibt´s im Überfluss. Manche geben sie kostenlos ab, andere verkaufen, Dritte vermitteln sie. Etablierte Verlage konkurrieren mit Dot-Coms. Die Kunst besteht darin, dem Website-Betreiber Content zu liefern - zur richtigen Zeit, passend zum Umfeld sowie maßgerecht in Umfang und Form. Denn die Site soll dem Nutzer einen entscheidenden Mehrwert bringen, sonst wandert er ab. Gerda von Radetzky* hat sich bei Anbietern und Vermarktern umgeschaut.

"Content is King." Mit diesem Slogan wirbt 4-Content (www.content.de) auf seiner Einstiegsseite. Content ist alles, was es auf einer Website zu sehen, zu lesen und zu hören gibt. Content zu finden, zu ordnen, zu strukturieren, in eine angemessene Form zu gießen und damit auch noch Geld zu verdienen ist ein Geschäft geworden, an dem sämtliche Zweige der IT-Branche beteiligt sind: Produzenten von Inhalten, Vermarkter, Content-Management-Software- und Hardware-Hersteller. Geld wird dabei nicht mit dem End-User verdient - der bekommt Inhalte bester Qualität längst umsonst -, sondern mit dem Site-Betreiber, der damit eigene Angebote aufwerten will, damit der Kunde länger und öfter die Internet-Seite aufruft.

Der Inhalt kann die Form bestimmen, muss es aber nicht. Mit heutiger Technik kann er in jeder Form auf jedes Endgerät gebracht und dem Corporate Design des Site-Betreibers vollkommen angepasst werden. Anbieter mit Millionenpublikum und solche mit starker Konkurrenz waren die Ersten, die fremde Inhalte integrierten. Offenbar rechnet es sich für sie, Content einzukaufen statt selbst zu produzieren. Denn Verlage, Radio- und TV-Stationen und damit Produzenten gibt es zuhauf. Wie vielfältig allein die Kooperationen zwischen Internet-Firmen sind, zeigen einige Beispiele: Altavista und AOL integrierten den Immobilienscout, Focus Online und Yahoo lassen über Aspect Online Versicherungen vergleichen, Hewlett-Packard-Services nistete sich bei Yourwap ein. Einer aus der Old Economy, der sich online selbst vermarktet, ist die Nachrichtenagentur DPA. Sie beliefert off- und online Verlage genauso wie große Portale und kleine Websites. Inzwischen nutzt sie auch Syndication, also Content-Vermittlung, um so mehr Geld mit einer einmal produzierten Nachricht zu verdienen.

Aus dem Bedarf der Site-Betreiber an attraktiven Inhalten wollen im Wesentlichen zwei Gruppen Profit schlagen. Eingesessene Verlage wie Bertelsmann gründeten Online-Töchter, um eigene Inhalte mehrfach zu verkaufen, auf Wunsch des Kunden zusammenzustellen oder fremde Inhalte zu makeln; Spiegel und Axel Springer zogen nach. Die Tomorrow Internet AG, Online-Tochter des Milchstraßen-Verlags, war eine der Ersten und bietet ein über die Printprodukte der Mutter weit hinausragendes Spektrum an Themen. Neuester Lieferant ist Asuro. Damit verkauft Tomorrow jetzt auch News aus der Versicherungsbranche. Auch Kleinere versuchen sich: Aus der Verlagsbranche kommend, bietet Rainer Rossipaul einige Content-Dienste (www.econtentservices.de) an. Seine Firma ECS liefert aus einem eigenen Pool Content aus Wörterbüchern, Lexika und Schulungen oder nach Bedarf von Autoren und Partnern.

Die entgegengesetzte Strategie verfolgt ZDNet, entwachsen aus dem Verlag Ziff Davis. "Wir geben unsere Inhalte direkt kostenlos ab, machen 80 Prozent des Umsatzes mit Werbung", berichtet Chef Dan Rosenzweig. Sein Konzept: Als Spezialanbieter Branchen-News zu Firmen, Finanzen und Produkten zielgruppengerecht produzieren und auf jedes Endgerät liefern nach der Devise "Verstehen - Kaufen - Anwenden", wobei das Verstehen, die Information an sich, nichts kostet. Content-Anbieter Cnet, der ZDNet kürzlich kaufte, ergänzt dessen Datensammlungen in Sachen Broadcasting.

Aber genau die Kompetenz, alles über ein Thema zu wissen, spricht eine neue Art von Dot-Coms, die Medienbroker, selbst Weltverlagen wie Bertelsmann ab. Sie fungieren wie die Alten, in umgekehrter Folge: In erster Linie kaufen sie bei Etablierten Inhalte zu bestimmten Themen ein, bei Nachrichten- und Bildagenturen, Verlagen, Radio- und TV-Stationen. Sie vermitteln diese Produkte, Wort-, Bild- und Tonbeiträge oder eine Mixtur aus allem, an Website-Betreiber und verdienen an der Provision.

Nach US-amerikanischem Muster (www.isyndicate.com) trat im März 4-Content (www.4content.de) an, laut Gründer Volker Binder als "Vollsortimenter" mit Themen von Wirtschaft bis Unterhaltung. Der promovierte Multimediaspezialist sieht bisher kaum Konkurrenz auf dem deutschen Markt: "Wir beraten den Website-Betreiber und binden ihm ein individuelles Content-Bouquet aus unterschiedlichsten Quellen." Die Technik liefert Coremedia. Die Blätter des "Straußes" sind Inhalte von Verlagen und Agenturen, teure Blüten werden kundenspezifisch erstellt, denn "in der Auftragsfertigung liegen attraktive Zusatzerlöse". Abgerechnet wird pro Monat je Content-Objekt. Das beginnt bei rund 500 Mark - die Preisspanne ist nach oben offen. 4-Content berechnet in der Regel 30 Prozent Provision.

Rund 200 Anfragen, von der Großbank bis zu vertikalen Portalen, bearbeiten die Büros in Hamburg, Berlin und Köln zurzeit. Erstes Renommier-Objekt ist Formel-1-Content in Deutsch und Englisch für den McLaren-Mercedes-Sponsor Fujitsu-Siemens (www.fujitsu-siemens.de/.com), demnächst in vier weiteren Sprachen.

Content gilt als Schlüssel zum ErfolgZum Vergleich: ZDNet liefert in 16 Sprachen, aber, wie schon betont, verkauft die Inhalte nicht an andere Website-Betreiber.

Binder sieht sich als "Partner der Verlage", da seine Firma über die Broker-Vertriebsschiene an einem Inhalt zusätzlich verdienen kann. Für den Site-Betreiber ergäben sich beim Kauf "aus einer Hand" vor allem drei Vorteile:

-Nur eine Technik für Inhalte aus unterschiedlichsten Quellen.

-Nur eine Rechnung.

-Individuell auf den Bedarf zugeschnittene Inhalte.

Zurzeit richten die Hamburger einen geschlossenen Bereich für Lieferanten und Abnehmer ein. Beide Seiten erhalten dann Einblick in Angebot und Nachfrage.

Das Angebot lässt sich beim im Mai mit Kapital von der Pari Capital AG ins Netz gegangenen Münchner Tanto (www.tanto.de) bereits nicht nur sehen, sondern direkt ordern und per Kreditkarte bezahlen. Gründerin Tanja Wallrabenstein will wie 4-Content in zwei Jahren schwarze Zahlen schreiben. Der neueste Kunde lässt sich Wirtschaftsnachrichten liefern (www.victorvox.de).

Die Inhalte kauft Tanto bei 32 Produzenten, von AFP bis Wallstreet Online, auch von IDG interactive, der Online-Tochter des Mutterhauses von COMPUTERWOCHE. Der Abnehmer zahlt an Tanto den Lieferantenpreis, zwischen 0,4 und fünf Pfennig pro Abruf, der Lieferant erhält seinen Obolus, wenn ein Nutzer eine Nachricht abruft. Davon behält Tanto zwischen 20 und 50 Prozent Provision. Weder Broker noch Lieferant noch Käufer wissen, wann sie wie viel Geld bekommen. Der Nachrichtendienst DPA hat sich darauf nicht eingelassen, sondern liefert wie an 4-Content gegen eine Monatspauschale.

Technologisch unterscheiden sich 4-Content und Tanto noch gewaltig: Die Hamburger transportieren das Bestellte auf die Server des Abnehmers, damit auch dynamische oder sensible Inhalte aus Abnehmer-eigenen Quellen integriert werden können. Die Münchner lagern die Inhalte bei sich. Ab November soll auch der Transport auf den Server des Kunden angeboten werden.

Geld verdienen will auch Tanto mit Content-on-Demand. Wallrabenstein sieht Bedarf in der Biotechnologie, Binder in Bereichen von Automobil bis Sport. Beide bieten Beratung, von Marktanalysen bis zu Ausarbeitung und Umsetzung einer Strategie. Binder unterstreicht: "Unsere Dienstleistungspalette reicht von der Zielgruppenanalyse bis zum individuellen Paket."

Ganz neu im Geschäft ist www.newskwell.de der Firma Entain aus Berlin. Heiko Schönborn, ehemaliger Radio-Journalist, stellte sie mit zwei Freunden und, wie 4-Content, mit Kapital von der Deutschen Ausgleichsbank Mitte August ins Netz. Er habe "in Deutschland noch keine Konkurrenz", denn er baue auf ein weltweites Lieferantennetz, um jedem, ob Radiostation, Fernsehanstalt oder Website-Betreiber, aktuelle Meldungen, Biografien und allgemeine Ereignisse aus der Unterhaltungsbranche in Form von Text, Ton oder Video digital zu liefern.

Das herausragende Werkzeug für den Nutzer sei eine Freitext-Suchmaschine. Hat der TV-Moderator Bobby X einen Flugzeugabsturz überlebt, so lassen sich nicht nur sämtliche Airliner-Unfälle abrufen, bei denen Entertainer betroffen waren, sondern auch alle VIPs aus dem Show-Biz mit Pilotenschein. Schönborn sieht einen riesigen Markt, denn "in jeder Radio- oder TV-Station muss jeden Tag nicht nur etwas, sondern etwas anderes erzählt werden. Auf jeder Audio- oder TV-Website auch. Wir liefern die Inhalte zielgruppengenau, egal auf welches Endgerät."

Bezahlt wird pro Leistung, wobei die Kosten von der Menge und der Art der Aufbereitung abhängen. Die ersten Kunden bestellten Biografien über bestimmte Personen. Ein Radio-Feature beginnt im vierstelligen Mark-Bereich. Zurzeit entsteht www.youwant.com, die Musik auf Websites und in Stationen liefern soll.

Nicht immer läuft im Web alles wie gedacht. Die noch im März vom Wirtschaftsminister hochgelobte "www.infarct.de" erlag ihrem Leiden, feierte aber unter "Contonomy" Wiederauferstehung. Gründer Stefan Hiene will "lieber der erste Beste als der Erstbeste" sein. Abzuwarten bleibt, ob der Broker, der für Mitte September seinen Netzauftritt plant, der Konkurrenz Paroli bieten kann. Wie bei Tanto wird nach Artikeln bezahlt, allerdings soll es nur "hochwertige Fachinformationen" wie Forschungsergebnisse geben, etwa zur Biotechnologie. "Die Nachfrage ist immens", freut sich der Kommunikationschef und ist sich sicher, dass Site-Betreiber aufgrund eines besonderen Suchmechanismus, basierend auf Agentensoftware, es recht leicht haben werden, Content zu finden, die Contonomy dann wie 4-Content in das "Look and Feel" des Betreibers transformiert. Der Endnutzer sieht nicht, dass der Inhalt von einem Broker und nicht vom Site-Betreiber kommt.

Mit der Ware Content wird nicht unbedingt pfleglich umgegangen. Da findet sich Ende August bei Broker Tanto, um die eigene Site mit mehr Inhalt aufzupeppen, unter "Presse" ein Artikel, der fast identisch in einer Print-Ausgabe des Net-Investor erschienen war. Zwar hat die VG-Wort, der für Autoren zuständige Zweithonorar-Eintreiber, es nicht geschafft, Unternehmen Geld dafür abzuknöpfen, wenn sie Ausschnitte veröffentlichen, in denen ihr Name genannt wird. Doch hier handelt es sich um einen Übersichtsartikel mit dem Titel "Content ist der Schlüssel zum Erfolg", bei dem der Autor nicht genannt wird, als Quelle aber, ohne dass der Terminus auftaucht, eine Net-Investor-Mail-Adresse auftaucht. Der Verlag war laut Chefredakteur Thomas Huber nicht gefragt worden. Er bezeichnet das Vorgehen höflich als "nicht ganz sauber".

Doch das letzte Wort hat der Kunde eines Website-Betreibers. Kehrt er kein zweites Mal zurück, nutzt auch der schönste Inhalt nichts. Der Kunde ist König, nicht der Content.

*Gerda von Radetzky ist freie Journalistin in München.

Content-Management-Systeme

www.2bridge.com

www.allaire.com

www.allegis.com

www.brainforce.com

www.broadvision.com

www.cm4all.com

www.continuus.de

www.cyberteams.com

www.daynetwork.com

www.documentum.de

www.ebt.com

www.gauss-interprise.de

www.hyperwave.de

www.ibm.at

www.imperia.de

www.infooffice.de

www.infopark.de

www.interleaf.com

www.interwoven.com

www.ixos.de

www.netobjects.de

www.oracle.de

www.pironet.com

www.poet.de

www.roxen.com

www.starbase.com

www.vignette.com

www.webfair.de

Diese Übersicht erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit.