Heile AS/400-Welt, kaputte IBM Dieter Eckbauer

11.03.1994

Amerikanische Branchenbeobachter machen sich grosse Sorgen um die IBM. Nichts Schlimmeres koennte ihnen passieren, als dass sich die Kritisierte fuer Anregungen offen zeigte. Diese Situation ist nicht gegeben. Das plattformneutrale IBM-Betriebssystem VM (Virtual Machine), eine fruehe Unix-Alternative, waere womoeglich im Open- Systems-Markt ein Erfolg geworden, der AS/400 bliebe das Schicksal der 370-Mainframes erspart. Statt dessen mueht sich die IBM mit dem halboffenen AIX und beschwoert gleichzeitig die Zukunft des geschlossenen (proprietaeren) Anwendungssystems AS/400, das jedoch im Schatten der 370-Grossrechner nach wie vor nicht forciert, schon gar nicht gegen diese positioniert wird.

Dabei geht es den IBM-Strategen nicht um Technikvorteile, sondern um das Image der Ganz-fuer-den-Kunden-da-sein-Company: Die 370- Architektur darf nicht sterben - die Software-Investitionen der Anwender muessen geschuetzt werden. Jetzt lagern immer mehr Kunden ihre zentrale Mainframe-DV aus, um ungestoert auf verteilte, vernetzte Systeme uebergehen zu koennen - die Client-Server-Route ist vorgezeichnet (Seite 1: "Optimistische Prognosen fuer den Client-Server-Markt"). Es wird eine lange, beschwerliche, letztlich aber doch lohnende Expedition mit vielen Umwegen sein - welche IBM man am Ende treffen wird, ist ungewiss. Die AS/400- Anwender werden ihre Lage anders beurteilen. Die wenigsten haben Mainframe-Erfahrung, das Schraegstrich-Erbe (/36, /38) ueberwiegt. AS/400-Anwender sind Ein- und Aufsteiger, ihr IBM-Bild hat noch keine Flecken. Man kann nur hoffen, dass es so bleibt.

Dazu waere erforderlich, dass sich Big Blue vorbehaltlos zu offenen Standards bekennt, was wiederum nur glaubhaft erschiene, wenn die Schwaeche, die in der Proprietaet, der Geschlossenheit der IBM- Systeme liegt, eingeraeumt wuerde. Das betrifft besonders die AS/400-Welt, heil nur in dem Sinne, dass sie von den Entwicklern im Third-party-Softwaremarkt weitgehend unbehelligt bleibt. Eigentlich duerfte den AS/400-Managern der IBM auch nicht entgangen sein, wie rapide der Wert der Mainframes gesunken ist und weiter faellt. Fuer architektonische Uebungen, alles unter einen SAA-Hut zu bringen, wurde der Budgetrahmen zu eng. Ihre inkompatiblen Betriebssysteme OS/400, DOS/VS und MVS auf proprietaeren Plattformen zu unterstuetzen, ueberfordert eine IBM, die sich von vielen Know-how-Traegern trennen muss.

Garantieren kann der Universalanbieter denn auch nicht mehr, dass auf die AS/400-Softwarefirmen und die AS/400-Anwender keine Belastungen in Form von unbequemen und teuren Anpassungen zukommen. Dass sie die Midrange-Maschine als geschlossenes System noch lange im Markt halten koennen, glauben die IBMer wohl selbst nicht. Die AS/400 wird bald nur dem Namen nach kein RISC-Produkt sein. Dann koennen die Anwender doch gleich auf die neue Power- Linie der RS/6000 umschwenken. Dass sie an eine heile AS/400-Welt glauben wollen, waere eine boesartige Unterstellung, die ihnen die Lernfaehigkeit abspraeche. Bei langfristigen OS/400-Bindungen sollten sie jedoch vorsichtig sein.