Personal-"Vermittler" bewegen sich im deutschen DV-Arbeitsmarkt am Rande der Legalität:

Headhunter auf Programmierer-Pirsch

05.06.1981

MÜNCHEN - Headhunting, die gesetzlich verbotene Kopfjagd auf Führungskräfte der Wirtschaft, war bislang als Gentlemen-Delikt auf die Vorstandsetagen beschränkt. Mit steigenden DV-Gehältern und wachsendem Bedarf nach DV-Spezialisten haben sich nunmehr clevere DV-Personalberater auf neues Terrain begeben: Immer häufiger werden qualifizierte und hochdotierte Programmierer oder Systemcracks zum Stellenwechsel animiert.

Arbeitsvermittlung ist in der Bundesrepublik ausschließlich den Behörden der Bundesanstalt für Arbeit vorbehalten. Ausnahmen stellen lediglich Personalberater dar, die im Rahmen eines Fremdauftrages per Stellen-Annonce Personal für ihre Auftraggeber suchen dürfen. Verstöße gegen die gesetzlichen Bestimmungen werden derzeit mit einer Geldbuße von maximal 30 000 Mark geahndet. Was jedoch vom Gesetzgeber seit 1969 mit "Gummiparagraphen" (so die Beratungsprofis) untersagt ist und im Ausland längst zum Geschäftsalltag gehört - ist inzwischen auch in Deutschland zu einem beachtlichen Markt herangewachsen. Kein Wunder, denn die "Provisionen" der Hunter liegen nicht selten bei 30 Prozent des Brutto-Jahreseinkommens der vermittelten Personen.

"Irgendwie headhunten alle Personalberater, wenn man von der lapidaren Gesetzesvorlage ausgeht", gesteht der Geschäftsführer der PA Management Personalberatung GmbH in Frankfurt, Dieter Stein. Die Scharlatanerie beginne in seinen Augen jedoch erst dort, wo der Headhunter "aufs schnelle Geld" aus sei. In diesen Fällen würden meist Personen angeboten, ohne daß diese etwas davon wußten.

Wie Hermann Henke, Rechtsprofi bei der Bundesanstalt für Arbeit in Nürnberg, weiß, ist das Einhalten der Headhunting-Grenzen relativ schwer zu überwachen. Viele Beratungsunternehmen würden sich hier am Rande der Legalität bewegen. In diesem Geschäft, das von der Diskretion lebe, könne man jedoch im Einzelfalle ein Vergehen kaum nachweisen. Dies werde immer schwieriger, je weiter sich die Kopfjagd in den unteren Personalbereich verlagere. Vor allem im DV-Markt, wo in nahezu allen Positionen Personalknappheit herrsche, sei der Einstieg ins Headhunting-Business geradezu verlockend geworden.

Was Henke andeutet, bestätigt Personalberater Peter Neubert Mit steigenden DV-Gehältern weite sich die "Personalsuche per Telefonkontakt" immer mehr in Richtung Programmierung oder Systemanalyse aus. Auch er werde immer häufiger von Unternehmen angesprochen, ob er nicht einen qualifizierten Mann "in der Schublade " habe.

Neuberts Beratungskollege Dieter Tolz im hessischen Karben klagt, daß er seit etwa einem halben Jahr Schwierigkeiten habe, bei seinen Kunden einen "normalen Auftrag" zu bekommen. Tolz, nach eigenem Bekunden ein absoluter Gegner des Headhuntings, zeigt jedoch Verständnis für seine Auftraggeber: "Der Trend, gutverdienende Programmierer zu hunten, ist für viele Unternehmen aus Personalnot geboren."

Es seien jedoch nicht nur Einzelkämpfer - wie Beratungsprofis meinen - die sich mit Headhunting ihr Brot verdienten, sondern auch renommierte Personalberatungen, bestätigt Tolz. Viele Berater, so die Branchenmeinung, unterhalten Büros in den Nachbarländern, in denen Personalvermittlung über Dritte nicht verboten ist. Dort sitzt dann lediglich eine Sekretärin, die das Telefon bedient und die deutsche Post weiterleitet.

Das Gerangel um Vermittlungsauftrage nimmt teilweise skurile Forme an. So spricht beispielsweise Dietrich Brömmert, DV-Chef bei Söhnlein Rheingold in Wiesbaden, von

"tonnenweisen" Anfragen, wenn er in einer Zeitung eine Stellenanzeige geschaltet habe. Viele "sogenannte" Personalberater hätten bereits einer Mitarbeiter parat, der genau in

das geforderte Anforderungsprofil passe; andere böten nur ihre Mitarbeit bei der Personalsuche an.

Im Vertriebsbereich der DV-Hersteller ist Headhunting seit langem kein Tabu mehr. Hier sei es im Schatten der großen Personalberater inzwischen zu einer regelrechten Profession angewachsen, erklärt der Marketingchef eines Wiesbadener Computer-Anbieters. Ihm selbst sei bereits mehrfach ein neuer Job über einen Kopfjäger angeboten worden. Erstaunlich sei dabei, wie gut "diese Leute" über eine Person Bescheid wüßten. Informationen über den gesamten beruflichen Werdegang sowie über Hobbies und persönliche Neigungen im privaten Bereich seien absolut keine Seltenheit.

Der Frankfurter Personalberater Joachim Wegener verurteilt vor allem die Auswüchse des Headhuntings. Aktivitäten, die in den USA gang und gäbe seien und hierzulande als "amerikanische Methode" bezeichnet werden, beschreibt Wegener so: Ein Headhunter lebe von einem begrenzten Kontaktfundus. Dies bedeute, wenn er heute eine Person an ein Unternehmen vermittle, behalte er diese weiterhin im Auge. Suche ein anderer Auftraggeber einen Mitarbeiter mit gleichem Anforderungsprofil, wende er sich nach einiger Zeit wieder an die gleiche Person und "verkaufe" diese ein weiteres Mal. Dies gehe meist solange gut, bis ein Kunde das Doppelspiel durchschaue.