Hauptsache, die Kompetenz fehlt

24.11.1989

Niklaus Wirth, der Vater von Pascal, läßt im Interview der Woche (Seite 7) bemerkenswerte Einsichten erkennen, wenn er sagt, daß "die Kunden von den Programmierern abhängig sind". Recht hat er - und nochmal recht, wenn er den Softwerkern die Motivation zum Umdenken abspricht. Wirth: "Wenn alle Software-Arbeiten so perfekt gemacht werden müßten, dann würde plötzlich über viele der Inkompetenteren die Arbeitslosigkeit hereinbrechen." Die abschließende Bemerkung zu diesem Punkt läßt an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig: "Je schlechter Informatiker und Programmierer arbeiten, um so mehr sichern sie sich ihre Arbeitsplätze." Nur will Wirth damit keine frohe Botschaft unter die Leute bringen. Sein gallenbitteres Fazit: "Irgendwann einmal geht es nicht mehr weiter."

Man muß indes fürchten, daß diese Warnung von der Softwarebranche nicht ernst genommen wird. Eine von Infratest durchgeführte GMD-Studie (Seite 1) hat es für die bundesdeutsche Softwareszene aktenkundig gemacht: Da gibt es, vom Einmannbetrieb bis zur Hundertschaft mit sehr beschränkter Haftung, eine Vielzahl von Softwarehäusern, die in einem symbiotischen Verhältnis mit den Hardware-Herstellern leben, die sich den Anwendern gegenüber auch so darstellen - und die damit (vermeintlich) gut in den Tag hinein leben. Langfriststrategien: Fehlanzeige - es sei denn, man wertete es als Leistungsbeweis, daß etliche DV-Beratungsunternehmen den IBM-Markt (SAA, AD/Cycle etc.) zutreffend als Quasi-Monopol ausgemacht haben. Nur werden dabei, angesichts der schon jetzt sehr starken Konkurrenz durch ausländische Softwarefirmen - und darüber hinaus zunehmend auch durch die Hardware-Hersteller (IBM!) - Überlebensentscheidungen nicht herausspringen.

Dies gilt insbesondere für die nach wie vor offene Frage des Tool-Einsatzes. Bei Niklaus Wirth finden wir auch dafür das passende Wort: "Die neue Technologie wird sich erst durchsetzen, wenn eine Katastrophe passiert." Wirth zum Trotz: Die Katastrophensituation, nennen wir sie "Mainframe-Abhängigkeit", ist längst da. Einige haben es nur noch nicht gemerkt. Die GMD-Studie will ein Defizit an unternehmerischem Denken bei der bundesdeutschen Softwarebranche ausgemacht haben. Wirth spricht im Zusammenhang mit der allgemeinen Softwarekrise von "Inkompetenz": Hier haben wir den Knackpunkt. Damit ist das Rezept vorgegeben: Es geht um die "Qualität", um die Qualifikation der Software-Mitarbeiter, der Informatiker, der Programmierer. Diese gilt es anzugeben. Fragt sich nur wie? Eines ist klar: jedenfalls nicht so, daß weiterhin Vogel-Strauß-Politik gemacht wird.