Premiere der deutschen Visor-PDAs

Handspring will mit Palm-Clones den Markt erobern

12.05.2000
MÜNCHEN (wm) - Palm hat in den letzten Wochen wenig zu lachen: Zunächst hat Microsoft mit dem "Pocket PC" einen neuen Anlauf im PDA-Markt gestartet. Und nun beginnt auch Handspring mit der weltweiten Vermarktung seiner "Visor"-PDAs, die auf dem erfolgreichen Palm-OS basieren.

Der Start auf dem europäischen Markt wurde am 3. Mai mit der Vorstellung der deutschsprachigen PDAs in Hamburg offiziell eingeläutet. Bereits im letzten Oktober hat das Unternehmen den Verkauf in den USA per Direktvertrieb über das Web gestartet. Die große Resonanz hat zwischenzeitlich zu Lieferengpässen geführt, so dass der Vertrieb über den Handel erst mit Verzögerungen Anfang April angelaufen ist.

Was die Visors von Handspring so begehrt macht, ist deren Kompatibilität zu den erfolgreichen Palms. Somit läuft jedes der Tausende von Programmen, die für den Palm geschrieben wurden, auch auf dem Visor. Doch Handspring begnügt sich als Lizenznehmer des Palm-OS nicht mit dem Kopieren des Originals. Statt dessen lockt man die Kunden mit etwas, was viele Palm-Fans seit langem vermissen: einem Erweiterungs-Slot für Steckkarten und Zusatzgeräte.

Springboard heißt diese von Handspring entwickelte Schnittstelle, die es ermöglicht, eine Vielzahl von Zusatzgeräten anzuschließen. Viele Palm-Anwender dürften darauf seit einigen Jahren sehnlichst gewartet haben. So ist es nun beispielsweise möglich, den Minirechner um ein Modem, Netzwerkkarte oder Zusatzspeicher zu erweitern. In der Industrie rechnet man offenbar mit einer großen Nachfrage nach Springboard-Modulen. So waren bei der Deutschland-Premiere etwa 15 Unternehmen mit ihren Produkten oder Prototypen vertreten. Xircom als einer der großen Hersteller von Steckkarten-Lösungen präsentierte beispielsweise unter anderem ein Modem, eine Bluetooth- und eine Wireless-LAN-Karte für Springboard. Auch eine Kamera, ein MP3-Modul oder ein GPS-Zusatz sind in Kürze erhältlich.

Die Marktlücke, die Palm seinem neuen Mitbewerber geöffnet hat, dürfte den Marktführer überrascht haben. So war der Visor Deluxe nach einer Cnet-Meldung in seiner ersten Verkaufswoche im Handel mit 26,8 Prozent Marktanteil auf Anhieb der meistverkaufte PDA in den USA.

Einige Einschränkungen sind allerdings zu beachten, die den Visor nicht für jeden Anwender zur Alternative machen. So ist der Visor dem Palm V in puncto Design und Leichtigkeit unterlegen. Außerdem wird der Visor, wie die Palm III-Modelle, mit Batterien betrieben, der Palm V verfügt über einen aufladbaren Akku. Ein weiterer Nachteil ist, dass das Palm-OS beim Visor nicht in einem Flash-ROM untergebracht ist und deshalb nicht upgedatet werden kann. Das dürfte manchen Anwender schon deshalb schmerzen, weil der Visor noch mit dem Palm-OS 3.1 ausgestattet ist, während Palm seine Modelle bereits mit den Versionen 3.3 beziehungsweise 3.5 ausliefert.

Die Führungsmannschaft von Handspring ist zuversichtlich, einen wichtigen Platz in der florierenden "Palm Economy" einzunehmen. Im Gespräch mit der CW sagte Roger Kermish, der Geschäftsführer von Handspring Europa, sein Unternehmen befinde sich zwar zwischen den Fronten Palm und Pocket PC, es sei aber in einer sehr guten Ausgangsposition. Die Pocket PCs seien preislich in einer anderen Liga angesiedelt, und gegenüber Palm habe man den Vorteil einer Erweiterungs-Schnittstelle. Da der Markt insgesamt stark wachse, sehe er auch nicht die Gefahr, dass sich die Palm-Plattformen - dazu zählt auch der Clone-Hersteller TRG - gegenseitig kannibalisieren.

Bleibt das große Fragezeichen, wie Palm auf die neue Herausforderung reagieren wird. Laut Kermish hat Palm keinen Grund zur Panik, weil es auch an den Lizenzen gut verdient. Palm habe im Gegenteil großes Interesse, möglichst viele Hersteller und Entwickler um sich zu scharen, um den Vorsprung der Palm-Plattform aufrechtzuerhalten.

Handspring bietet derzeit drei Modelle an, den Visor Solo ohne Dockingstation (Cradle) für die PC-Anbindung, den Visor mit Cradle, wahlweise in USB- oder serieller Ausführung, sowie den Visor Deluxe, der über 8 statt 2 MB Speicher verfügt und in verschiedenen Farben erhältlich ist. Vertrieben werden die PDAs in Deutschland über Media Markt oder im Direktvertrieb über die Website http://www.handspring.com/de. Der Visor Solo kostet 400 Mark, der Visor 500 Mark und der Deluxe 650 Mark.