Superminis als Integrationsfaktor für Bürokommunikation und individuelle DV:

Hand in Hand zu neuen Anwendungskonzeptionen

31.07.1987

Der zunehmende Integrationsgrad von Büro-Informations-Konzepten auf organisatorischer und technologischer Ebene erfordert eine integrierte Gesamtlösung, die nicht auf Abteilungsebene konzentriert ist. Unter Berücksichtigung eines durchgängigen Systemdesigns soll dem Anwender die Möglichkeit verschafft werden, in Abhängigkeit von seiner Aufgabenstellung eigenständig eine Lösung zu realisieren. Dies kann durch die Nutzung endanwenderorientierter Methoden und Werkzeuge oder durch die Anschaltung an unterschiedliche Zentralrechner erfolgen. Einen hohen Integrationsstand weisen solche Konzepte dann auf, wenn der Anwender Funktionen der zentralen DV und des PC unter einheitlicher Benutzeroberfläche beanspruchen kann.

Ausgangspunkt der Entwicklung echter integrierter Lösungen war der Kleincomputer. Die besondere Stärke dieser Systeme lag in dem enormen Funktionsumfang sowie der hohen Benutzerfreundlichkeit der Software. Mit dem Aufkommen von Personalcomputern und Mikrorechnern ist jedoch eine neue Dimension in die Diskussion gekommen, die die Entwicklung von Anwendungskonzeptionen in der Praxis erheblich beeinflußt. Deshalb wird gerade heute verstärkt die Frage aufgeworfen, welche Rolle Computern mittlerer Leistungsklassen (den sogenannten Superminis) künftig zukommt.

Abteilungsrechner oder vernetzte PCs

Neben der meist unbestrittenen Einbeziehung des Großrechners kommen für die Realisierung von Bürokommunikationsanwendungen hardwareseitig zwei Lösungsmöglichkeiten in Betracht. Im wesentlichen diskutiert wird heute der Einsatz von mehrplatzfähigen Superminis (als Abteilungsrechner) oder die Beschaffung von PCs und ihre Vernetzung.

Besonders interessant ist, daß heute mit Unix in ähnlicher Form wie auf PC-Ebene mit dem Betriebssystem MS-DOS mittlerweile für Mehrplatzanlagen ebenfalls ein Standardbetriebssystem zur Verfügung steht. Damit ist für beide Lösungsvarianten eine gewisse Unabhängigkeit gegenüber Hardware-Lieferanten gegeben.

Voraussetzung für den Aufbau von Bürokommunikationsanwendungen mit Personalcomputern ist

außerdem eine entsprechende Vernetzung. Im Gegensatz zu Multiuser-Systemen sind Systemerweiterungen flexibler durchführbar. Zwar findet sich mittlerweile ein vielfältiges Angebot an PC-Netzen, ausgereifte Standardlösungen sind bisher jedoch nicht vorhanden. Auch sind trotz eines allgemein großen Softwareangebots für Personalcomputer nur wenige Programme überhaupt netzwerkfähig.

Mehrplatzfähige Superminis für Text- und Datenverarbeitung bieten sich vor allem dann an, wenn innerhalb einer Abteilung in beiden Bereichen mit dem gleichen Datenmaterial gearbeitet werden muß. Allerdings ist hierbei zu beachten, daß Daten- und Textverarbeitung durch den notwendigen gleichzeitigen Zugriff auf die zentralen Dateien in einen ständigen Konflikt geraten können (Verarbeitung im Rahmen von DV-Programmen, Abruf von Anschriften für Serienbriefaktionen oder Sofortauskünfte am Bildschirm). In diesem Fall kann eine Unabhängigkeit von der Datenverarbeitung nur dadurch erreicht werden, daß die vorhandenen Informationen mit Hilfe eines Konvertierungsprogramms in eine neue, der Textverarbeitung zugängliche Datei dupliziert werden. So können verschiedene Aufgaben abgewickelt werden, ohne auf den Komfort des "Nur-einmal-Erfassens" verzichten zu müssen.

Inzwischen findet sich ein breitem Angebot an Datenverwaltungssoftware für verschiedene Rechnerebenen (Arbeitsplatzrechner, Abteilungsrechner, zentrale Großrechner). Generell kann erwartet werden, daß mikrocomputergestützte Datenbanksysteme bei der Unterstützung von dezentralen DV-Aufgaben zunehmend in Bereiche vordringen, die bislang ausschließlich Mini- und Großcomputern vorbehalten sind.

Auch Superminis haben "natürliche" Grenzen

Auf Superminis kann heute mit Unix (oder seinen Derivaten) bereits ein breites Softwareangebot genutzt werden. Da mittlerweile fast alle DV-Hersteller auf Unix setzen beziehungsweise Unix ermöglichen, finden sich gegenwärtig enorme Anstrengungen der Software-Abteilungen beziehungsweise von reinen Softwarehäusern, leistungsfähige Anwendungspakete zu entwickeln.

Die mehrplatzfähigen Superminis stoßen allerdings dann an ihre Einsatzgrenzen wenn - wie in großen Organisationen der Dienstleistungsbranche üblich - umfangreiche Textbestände im Online-Zugriff vorliegen müssen sowie Daten, die sich auf dem Zentralrechner befinden, sinnvollerweise automatisch in Texte übernommen werden.

Aufgrund eingeschränkter Ressourcen haben PC-Datenbanken naturgemäß Grenzen bezüglich des zu bewältigenden Datenvolumens. Bedingt durch die Komplexität von Datenbanken liegen zusätzliche Probleme bezüglich Backup, Recovery, Datenschutz und Datensicherheit vor, die bei vielen PC-Produkten noch nicht zufriedenstellend gelöst sind.

Vermieden werden muß zudem die Gefahr der Mehrfacherfassung. Es sollten im Unternehmen keine Datenbestände aufgebaut werden, die bereits verfügbar sind (Redundanzprobleme, Gefahr einer unzureichenden Integrität der Datenbestände). Deshalb ist es wünschenswert, daß die Daten in der PC-Datenbank sowohl am Arbeitsplatz erfaßt werden können als auch per Extraktion und Filetransfer vom Großrechner kommen können.

Generell sollte bei der Analyse des Ist-Zustandes ermittelt werden, wo die für die Datenverarbeitung benötigten und oft schon gespeicherten Informationen auch für Anwendungen in der Textverarbeitung genutzt werden können. Da eine Integrationslösung organisatorisch aufwendiger ist und höhere Anforderungen an den Benutzer stellt, sollte eine Integration von Text- und Datenverarbeitung nur dann in Angriff genommen werden, wenn zumindest eine der folgenden Bedingungen vorliegt:

- Die Datenbestände, die zur Erfüllung von Textverarbeitungsaufgaben benötigt werden, übersteigen vom Umfang her die Kapazität der peripheren Speicher der Arbeitsplatzsysteme und liegen als Ergebnis von Datenverarbeitungsprozessen ohnehin auf einer DV-Anlage vor.

- Im Rahmen der Textverarbeitung werden komplexe logische und/ oder arithmetische Operationen notwendig, die auf Textsystemen nicht wirtschaftlich abgewickelt werden können.

- Mehrere dezentrale Arbeitsplatzsysteme (Textautomaten, Personalcomputer) verwenden identische Texte und Datenbestände. Die Pflege der Textbausteine und der Stammdateien erfolgt autonom an verschiedenen Stellen.

- An den Arbeitsplätzen fällt - neben den klassischen DV-Dialoganwendungen - ein hoher Anteil von Standard- und Überarbeitungs-Texten an, die in der Regel auch vom Autor selbst erfaßt beziehungsweise überarbeitet werden können.

Eine Analyse der vorliegenden Bedingungen nach Arbeitsplatztypen zeigt, daß die Einführung integrierter Text-/Datenverarbeitung grundsätzlich für alle Arbeitsplatztypen im Büro (Sachbearbeiter, Sekretärinnen, Fach- und Führungskräfte) in Betracht kommt. Die Informationsverarbeitungsaufgaben an diesen Arbeitsplätzen sind in der Regel äußerst vielfältig; darum sollte eine Organisationsanalyse relativ "breit" angelegt werden.

Integrationskonzept für alle Arbeitsplatztypen

Im Rahmen von Bürokommunikations-Anwendungen ist die Integration von Text- und Datenverarbeitung in der Praxis in vielen Unternehmen relativ weit fortgeschritten. Dennoch gilt es, auch andere Integrationsansätze nicht zu vernachlässigen, die insbesondere eine Nutzung von Superminis nahelegen. Folgende Ansätze sind zu berücksichtigen:

Integration von Ablage- und Retrieval-Funktionen.

Eine solche Verbindung bietet dann die Möglichkeit, Texte mit verschiedenen Suchbegriffen zu versehen und unter diesen Schlagwörtern zu archivieren.

Electronic-Mail-Funktionen.

Sie sind insbesondere dann von Vorteil, wenn Texte von einem Arbeitsplatz zu einem anderen Arbeitsplatz im Unternehmen schnell transportiert werden sollen. Nur bei Nutzung von Superminis erscheint hier längerfristig eine sinnvolle wirtschaftliche Anwendung gegeben zu sein.

Um optimale Auswahl- und Einsatzentscheidungen sicherzustellen, sollten folgende Aspekte Beachtung finden:

- Die Integration kann - unter Berücksichtigung der vorhandenen Anlagenausstattung - in allen hierarchischen Technologieebenen sinnvoll sein.

- Die Integration muß in einem modularen Gesamtkonzept erfolgen.

- Integration muß gleichzeitig viele Anwendungsformen berücksichtigen.

- Trotz zunehmender Benutzerfreundlichkeit der Software stellen integrierte Anwendungen an den Benutzer relativ hohe Anforderungen. Unerläßlich ist deshalb, daß bei der Einführung auf eine fundierte Aus- und Weiterbildung der betroffenen Mitarbeiter besonderer Wert gelegt wird.

Wirtschaftlichkeit erfordert Abteilungs-Superminis

Beim derzeitigen Stand der Hard- und Softwaretechnologie kann davon ausgegangen werden, daß der Einsatz abteilungsorientierter Superminis unter. Wirtschaftlichkeitsaspekten empfehlenswert ist, wenn

es um die Führung zentraler Dateien geht, die mehreren Stellen in der Unternehmung als Grundlage dienen. Dies gilt ebenso für periodisch wiederkehrende Standardauswertungen, die auf größere Datenbestände Bezug nehmen.

*Ernst Tiemeyer ist Projektleiter am Betriebswirtschaftlichen Institut für Organisation und Automation an der Universität zu Köln (Bifoa); Frank Herzog ist wissenschaftlicher Mitarbeiter.