Multivendor-Outsourcing

Haben Sie Ihre IT-Lieferanten im Griff?

31.08.2023
Von 
Bob Lewis ist Management- und IT-Berater bei einem großen globalen IT-Dienstleistungsunternehmen. Die in dieser Kolumne geäußerten Ideen und Meinungen sind ausschließlich seine eigenen.
Multivendor-Outsourcing kann für IT-Chefs eine echte Herausforderung sein. Lesen Sie, wie sich die größten Klippen umschiffen lassen.
Das Management mehrerer IT-Service-Provider ist alles andere als trivial. Wer die typischen Fallstricke kennt, kann Risiken minimieren.
Das Management mehrerer IT-Service-Provider ist alles andere als trivial. Wer die typischen Fallstricke kennt, kann Risiken minimieren.
Foto: Artie Medvedev - shutterstock.com

Es hat sich zu einer verbreiteten Praxis entwickelt, Leistungen der IT-Organisation von mehreren Service-Providern erbringen zu lassen, die wiederum von einem kleinen IT-Management-Team beaufsichtigt werden. In einigen unglücklichen Fällen werden die Dienstleister durchaus auch mal von der Retained-Organisation übersehen.

Wenn Sie an der Spitze einer IT-Organisation stehen, die so strukturiert ist, oder wenn Sie darüber nachdenken, dem "Multivendor-Club" beizutreten, um die Leistung der IT-Organisation zu steigern, sollten Sie nichts überstürzen. Es handelt sich nämlich um eine Option, die funktionieren kann - aber auch leicht nach hinten losgeht. Im Folgenden finden Sie vier Beispiele dafür, was auf dem Weg schief gehen kann und was Sie tun sollten, um dies zu verhindern oder zumindest die Risiken zu mindern.

Falle 1: Die Sucht nach Service-Leveln

Die größte Binse im See ist die Aussage: "Was man nicht messen kann, kann man nicht managen." Sie gilt erst recht, wenn es um die Bewertung der Leistung eines Service-Providers geht. Doch Vorsicht: Bei der Führung eines internen IT-Teams gibt es einige immaterielle Faktoren, die Sie bisweilen einfordern können - zum Beispiel innovatives Denken verbunden mit der Bereitschaft der Mitarbeitenden, ein paar Extrameilen zu gehen, um das innovative Denken auch in innovative Realität umzusetzen. SLA-gesteuerte Dienstleister hingegen können schnell in Bequemlichkeit verfallen. Und in Ermangelung eines klar definierten und verfolgten Service-Levels für Innovationen haben weder sie noch ihr Management einen echten Anreiz, etwas bahnbrechend Neues vorzuschlagen oder umzusetzen.

Ins eigene Fleisch geschnitten

Für Auftraggeber ist die Situation knifflig. Einerseits müsste der ausgewählte Lieferant theoretisch über mehr Fachwissen in seinem Zuständigkeitsbereich verfügen als ein internes Team. Dadurch sollte er in der Lage sein, seinen Kunden einen stetigen Strom von Verbesserungsmöglichkeiten anzubieten. Andererseits würden viele - vielleicht sogar die meisten - Verbesserungsmöglichkeiten die monatlichen Rechnungen des Anbieters schmälern. Daher ist es kaum vernünftig, von seinem Lieferanten zu verlangen, dass er die Initiative zur Senkung seiner eigenen Einnahmen ergreift. Es sei denn, Sie können ihm zumindest höhere Gewinnspannen oder einen anderen messbaren Anreiz bieten.

Falle 2: Das Führungsvakuum

In der Führung geht es um Menschen und Motivation. Beim Management geht es darum, die Arbeit zur erledigen. Die Folge: Beim Outsourcing wird die Aufmerksamkeit des CIO oder Verantwortlichen von der Führung auf das Management verlagert. Dies ist jedoch gefährlich, denn es blendet einen wesentlichen Aspekt aus: Die Mitarbeiter eines Outsourcers werden in erster Linie vom Kundenbetreuer des Anbieters im Tagesgeschäft geführt. Aber darüber hinaus sollte noch eine gute Portion Führung hinzukommen, die sie vom CIO des Kunden erhalten. Schließlich sind Dienstleister auch Menschen, die motiviert werden müssen.

Falle 3: Politik zwischen Lieferanten

Es gibt kein perfektes Organigramm, in dem die Zuständigkeiten der einzelnen Manager einer Organisation klar und eindeutig definiert sind, so dass Überschneidungen und Reibungen vermieden werden. Und ebenso gibt es auch keine Aufteilung der Zuständigkeiten von Service-Providern, die das Potenzial für kleine Spielchen ausschließt.

Diese Spielchen sind offenkundig, auch wenn sie meist nicht direkt sichtbar sind: Viele Dienstleister halten regelmäßig interne Strategiesitzungen ab, in denen sie Ideen über ihr "Endspiel" austauschen - wie sie einen konkurrierenden Anbieter vom Spielbrett der IT-Organisation des Kunden eliminieren wollen. Und auch wenn die Spiele untereinander verlaufen: Die Organisation des CIO muss immer irgendwie mitspielen, ob sie nun will oder nicht.

Die häufigsten Beispiele für politische Spannungen zwischen Anbietern treten auf, wenn ein Outsourcer Daten von einem anderen Dienstleister benötigt, um ein Projekt voranzubringen. Der angefragte Anbieter liefert statt der geforderten Daten einen nicht enden wollenden Strom von Ausreden - oder er beklagt, dass die Bereitstellung der Daten nicht im Vertrag enthalten ist. Für diese kundenspezifische Dienstleistung wird dann eine beträchtliche Summe veranschlagt. Oft zögert der abgewiesene Anbieter, sich zu beschweren, da dies den Anschein erwecken könnte, dass er selbst politische Spielchen zwischen den Lieferanten vorantreibt.

Ränkespiele mit Daten

Darüber hinaus gibt es noch eine weitere Ebene der Komplexität, mit der CIOs und IT-Verantwortliche umgehen müssen, um Reibungen zwischen ihren Anbietern zu verhindern oder zumindest zu minimieren: Es kommt nicht nur vor, dass ein Service-Provider versucht, einen Konkurrenten ins Leere laufen zu lassen, indem er Datenanfragen abblockt. Gelegentlich fordert ein Anbieter auch Daten von einem Konkurrenten an, um etwas Schädliches über die Leistung dieses Dienstleisters aufzudecken.

Die (nervige und aufwendige) Lösung für politische Ränkespiele zwischen Anbietern besteht darin, sich als Kunde in alle Interaktionen der Lieferanten einzumischen. Denn wenn Anbieter A sich weigert, Anbieter B Informationen zur Verfügung zu stellen, ist das eine Sache. Aber er wird sich kaum weigern können, sie Ihnen zur Verfügung zu stellen. Schließlich sind es ja Ihre Daten.

Falle 4: Die Option "Exit"

In klassischen Industrienationen beruht das Wirtschaftssystem mit seinen Preisen und Leistungen auf der Option des Kunden, sein Geschäft einfach zu verlagern. Bei IT-Dienstleistungen hingegen kann dies eine leere Drohung sein. Um effektiv zu sein, müssen die Mitarbeiter eines Service-Providers einen "osmotischen" Prozess durchlaufen: Hierbei lernen sie ihren Kunden, seine wichtigsten Mitarbeiter und deren Vorlieben sowie Charaktermerkmale ebenso gut kennen lernen wie das Anwendungsportfolio und die Integrationsarchitektur.

Ist ein Serviceanbieter erst einmal fest etabliert, wäre die Übertragung des internen Wissens vom etablierten auf einen neuen Anbieter eine - vorsichtig ausgedrückt - nicht triviale Aufgabe. Neben dieser quantitativen Sichtweise verschärft die politische Dimension das Problem noch: Warum sollten Sie von einem Dienstleister, den Sie aus dem Weg räumen, erwarten, dass er es seinem Nachfolger leichter als nötig macht, erfolgreich zu sein?

Abgesehen vom politischen Aspekt hat der IT-Service-Provider in den meisten Fällen seine eigenen Tools installiert, die ihm bei der Erfüllung der Aufgaben helfen. Wenn Sie sich zu einem Wechsel entschließen, wird er dieses Toolkit mitnehmen. Stellen Sie also sicher, dass Ihr Vertrag zusätzlich zu allen anderen Maßnahmen beim Exit die Verpflichtung enthält, diese Toolkits für eine ausreichend lange Übergangszeit bereitzustellen, damit der neue Anbieter den nötigen Spielraum für die Installation seines eigenen Toolkits hat.

Grundlagen für Exit-Strategien

In jedem Fall gibt es für umsichtige CIOs zwei mögliche Ausstiegsstrategien, die sich gegenseitig ergänzen und nicht gegeneinander ausgespielt werden. Erstens: Behalten Sie eine kleine Gruppe von IT-Fachleuten im Unternehmen, die mit jedem Anbieter zusammenarbeitet. Auf diese Weise können sie, falls die Umstände es erfordern, den Übergang zum nächsten Dienstleister erleichtern. Und zweitens: Behalten Sie Ihre Anbieter genau im Auge, damit Sie sie gar nicht erst austauschen müssen.

Die Multivendor-Zwickmühle

Dennoch stecken viele Kunden in einer schwierigen Situation: Die Steuerung von Outsourcing-Anbietern ist häufig komplizierter als internes Management und Personalführung. Schließlich verfügen CIOs, die IT-Services ausgelagert haben, über weniger Management-Tools als diejenigen, die weiterhin Mitarbeiter führen müssen. Wenn Sie es mit Mitarbeitern zu tun haben, die schlecht arbeiten, können Sie sich immer noch an die Personalabteilung wenden. Aber wenn Sie es mit einem schlecht arbeitenden Lieferanten zu tun haben, an wen müssen Sie sich dann wenden? Das wäre wohl der Justiziar Ihres Unternehmens - der sich über Ihren Anruf genauso wenig freuen dürfte wie Sie über einen Anruf bei ihm.

Dieser Artikel basiert auf einem Beitrag unserer Schwesterpublikation cio.com