Gute Perspektiven für Teleagenten

28.07.2008
Betreiber von Call-Centern sind fest entschlossen, in die Ausbildung ihrer Mitarbeiter zu investieren. Angesichts der Personalknappheit können sie sich das Negativ-Image nicht mehr leisten.

Von Dirk Herzog*

Lange Warteschleifen, hohe Telefongebühren und unqualifizierte Beratung - einige schwarze Schafe unter den Betreibern von Call-Centern bescheren der Branche ein schlechtes Image. Kunden sind genervt und fühlen sich über den Tisch gezogen. Doch in der noch jungen Branche, die gerade einmal 20 Jahre existiert, vollzieht sich zunehmend ein Wandel in Richtung hoher Qualitätsstandards. Die Anforderungen an die fachliche und persönliche Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter steigen, hoch qualifizierte Fachkräfte werden händeringend gesucht.

Das bestätigt eine Studie, die Management Circle anlässlich der Berliner Messe "Call Center World 2008" organisierte. Demnach attestieren 71 Prozent der befragten Unternehmen, dass ein Fachkräftemangel in der Branche existiert. 57 Prozent spüren ihn auch im eigenen Call-Center. "Qualität und Personal sind die beiden großen Themen, die die Branche derzeit bewegen", betont Manfred Stockmann, Präsident des Call Center Forum Deutschland e.V.

Den Fachkräftemangel führt er unter anderem auf das rasante Wachstum von 15 Prozent im vergangenen Jahr zurück. Auch in diesem Jahr hält der Trend an. Waren Anfang des Jahres 420 000 Mitarbeiter in 5700 Call-Centern beschäftigt, werden es bis Jahresfrist schon 450 000 sein. So schnell konnte die Zahl der qualifizierten Mitarbeiter nicht mitwachsen. Man habe sich in der Vergangenheit zu sehr damit beschäftigt, das Wachstum zu beherrschen und Innovationen einzuführen. Ausbildung und Bindung junger Akademiker seien dagegen erst in den letzten Jahren Thema geworden.

Noch setzt sich das Personal vorwiegend aus Quereinsteigern und angelernten Fachkräften zusammen. Doch das soll sich ändern. Die Studie von Management Circle hat ergeben, dass 18 Prozent der befragten Unternehmen selbst ausbilden und weitere 18 Prozent es planen. "Hier ist also noch viel Potenzial", betont Helga Haas, Kongress-Managerin der Call Center World.

Neue Ausbildungsberufe für Call-Center-Mitarbeiter

Abhilfe versprechen die neuen staatlich anerkannten Ausbildungsberufe "Servicekraft für Dialogmarketing" und "Kauffrau/Kaufmann für Dialogmarketing", die am 1. August 2006 eingeführt wurden. "Sie werden uns in den nächsten Jahren Nachwuchs für das mittlere Management liefern", prognostiziert Stockmann. Die Zahlen geben Grund zur Hoffnung: Wurden im ersten Jahr für beide Berufe 1435 Ausbildungsverträge registriert, waren es 2007 schon 1854. "Damit haben die Berufe mit Abstand den erfolgreichsten Start in der jüngeren Vergangenheit hingelegt", betont Hella Lüth, Referatsleiterin für kaufmännische und Dienstleistungsberufe, beim Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK). "Die Regel sind in den ersten beiden Jahren nur Zahlen im zweistelligen Bereich." Auch die Auswahl an Weiterbildungs- und Qualifizierungsmöglichkeiten sei mittlerweile groß. Neben mehreren IHK-Zertifikaten gebe es so genannte Kompetenzzertifikate, die von den Branchenverbänden angeboten würden.

Ein besonderes Angebot für den akademischen Nachwuchs hält die Hochschule Bremerhaven bereit. Unter dem Titel "Communication Center Management" bietet sie den bundesweit einzigen Aufbaustudiengang auf Master-Niveau an. Gelehrt wird unter anderem Dialog-Marketing, Personal-, Projekt- und interkulturelles Management. Die Weiterbildung erfolgt berufsbegleitend und kostet 8000 Euro zuzüglich Bücher- und Übernachtungskosten. "Eine Investition, die sich in jedem Fall lohnt", versichert Betriebswirtschftsprofessorin Heike Simmet, wissenschaftliche Leiterin des Studiengangs. "Einige Teilnehmer haben bereits während des Studiums erste Karrieresprünge gemacht. Spätestens nach Abschluss des Studiums konnte die Mehrzahl höher qualifizierte Tätigkeiten ausüben. Ein paar haben die Standortleitung eines großen Call-Centers übernommen."

Kommunikationsfreude ist ein Muss

Auf die Anfrage, welche Grundfertigkeiten für eine Karriere im Call-Center besonders wichtig seien, fallen die Antworten der Anbieter ähnlich aus. Kunden- und Lösungsorientierung, Belastbarkeit, Kommunikation- und Teamfähigkeit sowie Integrität, nennt Andreas Moerschen, Personalleiter von Sitel Deutschland. Dem pflichtet Delia Winke bei. Sie ist Produktionsleiterin von Alex & Gross, einem auf Telesales- und Telemarketing spezialisierten Anbieter aus Schwetzingen bei Mannheim. "Offenheit und Freude an der Kommunikation sind ein absolutes Muss. Neben Betriebswirten mit guten Vertriebskenntnissen suchen wir besonders IT-Fachleute und Kommunikationswissenschaftler." Alles weitere erfolge dann durch intensive Trainingskurse, unter anderem in Rhetorik, Verkauf, Projekt-Management und IT.

Wie wichtig eine gute Einarbeitung gerade für Berufseinsteiger ist, bestätigt Peter Westphal, Mitarbeiter bei Alex & Gross. Seit seinem Start als Tele Account Manager vor einem Jahr hat der studierte Wirtschaftssoziologe zahlreiche interne Schulungen absolviert. Hinzu kommen regelmäßige Fortbildungen vom Kunden, dessen Lösungen und Produkte er am Telefon verkauft. "Jedes Verkaufsgespräch erfordert höchste Konzentration und setzt detailliertes Fachwissen voraus. Besonders wichtig ist eine professionelle Gesprächsführung, bei der schlüssiges Argumentieren und ein freundlicher Umgangston im Mittelpunkt stehen." Mittlerweile seien ihm bestimmte Fragetechniken und Lösungsstrategien regelrecht in Fleisch und Blut übergegangen. Sein Kollege Jörg Schröder, der bei Alex & Gross im Auftrag eines international führenden IT-Unternehmens komplette Vertriebskampagnen umsetzt, hebt die Vielseitigkeit des Berufs hervor: "Das Spannende ist, dass man täglich mit unterschiedlichen Menschen zu tun hat, dass man sich ständig weiterentwickelt und im Vertrieb schnelle Erfolgserlebnisse hat." Dies sind Punkte, die auch Dennis Kohn an seiner Arbeit schätzt. Der Anglistikstudent arbeitet bei der SNT Deutschland AG. Er kontaktiert im Auftrag eines Mobilfunkanbieters Kunden, um Verträge abzuschließen und zu verlängern. Auch er bestätigt, dass sein Arbeitgeber besonderen Wert auf Kommunikationsstärke, gute sprachliche Ausdrucksfähigkeit, eine vertriebsorientierte Einstellung und eine hohe Serviceorientierung legt. Er kann sich derzeit gut vorstellen, nach Abschluss seines Studiums, seine Karriere im Call-Center fortzusetzen.

60 000 Euro für einen Call-Center- Manager

Sicher keine schlechte Wahl, denn die Branche boomt und die Perspektiven sind für den Nachwuchs nicht so schlecht, wie es ihr derzeitiges Image vermuten lässt. Wer gut ist, kann schnell Karriere machen und auch ordentlich verdienen. Der Manager einer mittelgroßen Call-Center-Agentur erhält brutto um die 60 000 Euro im Jahr. Mitglieder der Geschäftsführung bekommen laut der jüngsten Vergütungsstudie des "Call-Center-Profis" zwischen 95 000 und 112 000 Euro.

Bei Walter Services geht der klassische Aufstieg im Kundencenter vom Telefonmitarbeiter zum Teamleiter, vom Teamleiter zum Projektleiter und dann zum Leiter Kundencenter. "Jeder Mitarbeiter hat eine Aufstiegschance, so weit er unseren Ansprüchen entspricht und die erforderlichen Kompetenzen aufweist", betont COO Richard Brodkorb. Besonderes Fachwissen werde vor allem bei Services für Finanzdienstleister oder Healthcare- und Pharmafirmen vorausgesetzt. Auch beim Forderungs-Management sowie in allen Bereichen, in denen es um Vertragsabschlüsse, Tarife und Verträge oder um technische Unterstützung geht, seien fachliches Know-how und eine gewisse Vorbildung Voraussetzung.

Chancen gibt es also genug. Doch das Image der Call-Center schreckt weiterhin viele ab. Den Kampf gegen "Schwarze Schafe" hat die Branche längst vehement aufgenommen, allen voran die Verbände. Sie arbeiten stark an der Selbstregulierung. Ein Ehrenkodex des Deutschen Dialogmarketing Verbands (DDV), zu dem derzeit auch eine Verfahrensordnung erarbeitet wird, verpflichtet die Mitglieder der Verbände zu sauberer, kunden- und mitarbeiterorientierter Arbeit. "Zum Jahreswechsel werden wir die Selbstregulierung der Branche so weit entwickelt haben, dass wir mit einem zentralen Beschwerdeportal Verstöße gegen den Ehrenkodex und gegen geltendes Recht erfassen und verfolgen können", sagt Call-Center-Forums-Präsident Stockmann. (hk)