Spekulationen um Fusionsofferte von AT&T an Sprint

GTE-Angebot stärkt BTs Position in der Übernahmeschlacht um MCI

24.10.1997

Ähnlich wie vor knapp drei Wochen Worldcom-Chef Ber- nard Ebbers bot nun auch GTE-Chairman Charles Lee dem MCI-Management den Kauf des Unternehmens an. Demnach ist GTE bereit, pro MCI-Aktie 40 Dollar Cash zu bezahlen, was einer Gesamtsumme von 28 Milliarden Dollar entspräche. Käme der Merger zustande, wäre dies nicht nur der größte Barkauf aller Zeiten, sondern würde auch die Offerten von Worldcom und BT in den Schatten stellen. Worldcom hatte 30 Milliarden Dollar in Form eines Aktientausches geboten; der bereits ausgehandelte Preis für die Übernahme von 80 Prozent der MCI-Anteile durch BT beträgt rund 18 Milliarden Dollar in bar und in Aktien.

MCI teilte unterdessen offiziell mit, daß man sowohl mit Worldcom als auch mit GTE Gespräche über deren "unerwünschte" Angebote aufnehmen wird. BT und MCI haben sich ferner darauf verständigt, eine Klausel in ihrem bereits ausgehandelten Fusionsvertrag außer Kraft zu setzen, die Verhandlungen mit anderen Interessenten verbietet und bei Verstoß eine Konventionalstrafe von 450 Millionen Dollar vorsieht. Man habe beide Offerten zur Kenntnis genommen, betrachte sie jedoch "als Angelegenheit vom MCI", heißt es dazu lapidar in einer BT-Erklärung. Im übrigen halten die Briten "am strategischen Ziel einer Fusion mit MCI fest".

Analysten in London werten indes das Zugeständnis von BT an MCI, offiziell Verhandlungen mit GTE und Worldcom aufnehmen zu dürfen, als erstes Indiz für eine Kurskorrektur bei BT. Nachdem zunächst vieles darauf hindeutete, daß sich die Briten aus dem Bündnis mit MCI zurückziehen und ihren 20-Prozent-Anteil am US-Branchenzweiten veräußern würden, könnte sich für das BT-Management die Sachlage durch das Angebot von GTE entscheidend geändert haben. Die "Chemie" zwischen BT und GTE sei hervorragend, beide Carrier hatten selbst schon einmal über eine Kooperation verhandelt, die Synergieeffekte in einem Dreierbündnis MCI/GTE/BT wären so groß, daß sich BT in dieser Konstellation auch mit der Rolle des Juniorpartners anfreunden könnte, wird in London gemutmaßt.

Wer von den drei MCI-Interessenten nun aber tatsächlich das Rennen macht, gilt unter US-Branchenbeoachtern als längst noch nicht entschieden. So will Worldcom die Transaktion bekanntlich ausschließlich mit Aktien bezahlen, deren Bewertung momentan mit dem 50fachen des für 1998 erwarteten Gewinns weit über dem Marktdurchschnitt liegt - entsprechendes Risiko für die MCI-Aktionäre inklusive. Ein kombiniertes Unternehmen MCI/GTE würde indes durch die von GTE beabsichtigte Kreditfinanzierung sowie die hohen Altschulden von GTE mit einem Bilanzminus von rund 50 Milliarden Dollar an den Start gehen. Insider vermuten daher, daß selbst BT mit seinem vor Wochen deutlich reduzierten Angebot doch noch Chancen haben könnte, den Zuschlag zu erhalten.

Durch die jüngsten Ereignisse um MCI ist nun auch US-Marktführer AT&T stark unter Druck geraten. Käme eine Fusion zwischen GTE und MCI zustande, würde - bezogen auf den Umsatz - auf Anhieb der landesweit zweitgrößte Carrier entstehen. Das AT&T-Management, das angeblich seit längerem ebenfalls mit GTE über eine Kooperation verhandelt, stehe mehr denn je unter Druck, endlich eine überzeugende Strategie für den lokalen US-Telefonmarkt, aber auch für das internationale Geschäft zu entwickeln, heißt es. In diesem Zusammenhang wird nun auch immer öfter der bisherige US-Branchendritte Sprint, an dem Deutsche Telekom und France Télécom je zehn Prozent der Anteile halten, ins Gespräch gebracht. AT&T könnte, um zunächst seine Führungsposition im US-Markt zu verteidigen, Sprint ein attraktives Übernahmeangebot unterbreiten und damit die Deutschen und die Franzosen in eine ähnliche unangenehme Situation wie BT bringen, wird spekuliert.