Große Unix-Pläne mit Starthilfe vom Siemens-Konzern

27.05.1988

Mit Eberhard Färber und Hans W. Strack-Zimmermann, den Gründern der Ixos Software GmbH, sprach CW-Redakteur Ulf J. Froitzheim

- COMPUTERWOCHE. Unix ist in aller Munde, ganz aktuell auch wegen der Auseinandersetzung zwischen AT&T und einigen Hardwareherstellern. Mit ihrem neuen Unternehmen Ixos haben Sie sich diesem Betriebsystem mit Haut und Haaren verschrieben, obwohl es auf dem Markt vor widersprüchlichen Aussagen zu diesem Thema wimmelt. Ist das nicht etwas riskant?

Färber Zunächst einmal ist zu bemerken, daß wir mit Bedacht einen auf vielfache Weise deutbaren Firmennamen gewählt haben, denn bei der PCS hat uns nach zwölf Jahren die Bedeutung des "P" -"Periphere Computer Systeme" - erheblich gestört, zumal das ja auch gar nicht mehr zutraf. Dennoch: Wir setzen voll auf die Unix-Schnittstellen, weil dieses Betriebssystem den Forderungen der Anwender nach Standardisierung entspricht und sich am Markt rasant weiter durchsetzen wird. Die Frage, um "welches Unix" es geht, ist letztlich gar nicht so relevant.

Strack-Zimmermann: Die Unix-Bewegung hatte seitens der großen Anwender immer etwas mit Freiheit zu tun und natürlich mit Investitionssicherung. Die Hersteller selbst sind auf den Zug aufgesprungen, weil heute keiner - auch nicht die IBM - mehr groß genug ist, von der Hardware bis hin zur Anwendersoftware alles selbst zu machen. Dieses Know-how an einer Stelle gibt es gar nicht mehr.

- Sie tun gerade 90, als hätten alle Leute eingesehen, daß Unix das beste ist. Aber bisher ist es üblich, daß die Hardware-Hersteller ihre Kunden über ein hauseigenes Betriebssystem langfristig an sich binden. Und damit soll es jetzt auf einmal vorbei sein?

Strack-Zimmermann: Nein, diese Entwicklung gibt es schon seit längerer Zeit. Ich habe bei Siemens vor gut sieben Jahren mit Unix angefangen. Damals stand man mit der Vorstellung "Unix für kommerzielle Systeme" noch in einer ganz komischen Ecke. Seit langem sage ich, daß eine solche Standardisierung mit dem Durchsetzen von gleichartigen Schnittstellen bei den mittleren Systemen kommen wird; da gab es ja auch den größten Wildwuchs. Im Laufe der Zeit kamen immer mehr Anbieter dazu, und wir haben die X/Open gegründet. Man hat halt miteinander geredet, hat gefragt: "Was macht ihr in den nächsten Jahren?" Dabei stellte sich heraus, daß die meisten Hersteller die Notwendigkeit erkannt hatten, nicht immer wieder alles von Neuem zu erfinden.

- Aber gerade die X/Open-Gruppe ist ja heute in einer schwierigen Lage: hier das AT&T-Lager und dort die OSF-Anhänger, die sich mit der IBM eingelassen haben. Verfolgt Big Blue nicht andere Ziele, als ausgerechnet Unix voranzubringen?

Färber: Angesichts der zahlreichen DV-Ausschreibungen auf der ganzen Welt, die inzwischen Unix voraussetzen und ein herstellerspezifisches Betriebssystem als K.O.-Kriterium ansehen, wird auch die IBM daran interessiert sein, hier mithalten zu können. Zumal sie ja schon seit zwei Jahren die Unix-Flagge zeigt, etwa mit dem 6150/RT. Wie sich letztlich die Aktivitäten der OSF auswirken werden, bleibt abzuwarten. Im Interesse der Anwender wäre sicherlich ein Zusammengehen aller Unix-Mitstreiter wünschenswert.

Strack-Zimmermann: Im OSF-Announcement wird ausdrücklich betont, daß die X/Open-Definitionen beibehalten werden sollen, zumal sich ohnehin 90 Prozent der X/Open-Schnittstellen oberhalb des Betriebssystemkerns befinden. Grundsätzlich wird durch die X/Open-Schnittstellen erreicht, daß Software auf Anlagen verschiedener Hersteller einfach ablaufen kann. Aus dem gleichen Grund braucht die IBM ihr SAA: Damit die Programme auf den unterschiedlichen Anlagen laufen. Ich sehe in SAA den Versuch der IBM, im eigenen Hause aufzuräumen. Die meisten anderen Hersteller hatten solchen Wildwuchs von vornherein gar nicht zugelassen, schon aus Kostengründen. Sie räumen jetzt halt gemeinsam auf.

- Und der neue Besen heißt Unix.

Strack-Zimmermann: Ja. Die Unix-Schnittstellen sind die Grundlage, auf die man sich geeinigt hat.

- Weil es das Beste war?

Strack-Zimmermann: Es war das einzige nachweisbar portable Betriebssystem. Wichtig ist vor allem die Einigkeit, nicht ob etwas das Beste ist.

- Diese Einigkeit wird ja in allen Absichtserklärungen beschworen. So war es bei X/Open, so ist es bei der OSF: die schönste Harmonie auf dem Papier. Aber wie sieht es am Markt aus? Abgesehen von Ausnahmen beschränkt sich der Unix-Einsatz bislang doch auf Randbereiche.

Strack-Zimmermann: Es geht deutlich darüber hinaus, vor allen Dingen bei der öffentlichen Hand. Vorreiter in Deutschland waren eindeutig das Land Nordrhein-Westfalen und die Bundesanstalt für Arbeit, aber auch im Bereich der Polizeinetze ist Unix stark vertreten - etwa in Niedersachsen. Es taucht auch in fast allen neueren Ausschreibungen der Bundespost auf, die - wie viele andere - bittere Erfahrungen mit einem herstellerspezifischen Betriebssystem gemacht hat. Bei der öffentlichen Hand ist es eine Bewegung. Und wenn die Siemens AG bis dato 23 000 Systeme installiert hat, kann man davon ausgehen, daß das für die Kunden nicht nur Spielkram ist. Das hat die Phase des Probierens verlassen.

Färber: Wir haben schon Unix-lnstallationen erlebt, auf die man nicht gleich kommen würde, etwa ein Fakturiersystem in der Großmarkthalle München oder eine Autovermietung. Ganz abgesehen von dem bekannt breiten Unix-Einsatz in den CAx-Technologien. . .

Strack-Zimmermann: ...oder die ganzen Transportlogistiksysteme, die es mittlerweile gibt. Auf den ersten Blick scheint das ein kleiner Markt zu sein. Aber in den Fuhrparkunternehmen ist Unix weit verbreitet.

- Die vertikalen Anwendungen bringen also Unix nach vorne.

Strack-Zimmermann: Ja. Und zwar vor allem die kommerziellen, datenbankbezogenen Anwendungen.

Färber: Auch im Bankbereich gibt es viele Projekte, bei denen zwar über allem noch der IBM-Mainframe thront, wobei aber für alles, was darunter ist, Unix hervorragend geeignet ist. So ist es auch bei der BfG: Herr Elsässer, dessen "Sündenfall" mit der IBM die COMPUTERWOCHE seinerzeit kritisiert hat, sagte neulich, ganz oben bleibe ihm einfach nichts anderes übrig als die IBM. Aber im Filialbereich denke man selbstverständlich über Unix-Rechner nach.

- Wobei freilich auch die von der IBM kommen könnten - Stichwort AIX. Dieses Unix-Derivat findet sich auch auf einer Chart, mit der ihr Unternehmen wirbt: AIX, und Ultrix, Ihre "eigenen" Produkte Sinix und Munix, dann natürlich Xenix und HP-UX dazu der Slogan "Wir fangen an, wo andere aufhören". Man könnte die Liste erweitern um Posix, ein mögliches von AIX abgeleitetes OSF-Unix und das Sun-AT&T-Unix V.4. Welcher Anwendersoll da noch den Überblick behalten?

Färber: Da besteht ein ganz großes Mißverständnis, das man endlich aufklären sollte: Es heißt immer, es handle sich um lauter unterschiedliche Dialekte. In Wirklichkeit ist es eine Folge der Lizenzpolitik von AT&T, daß keiner seine Portierung "Unix" nennen darf. Deshalb hat jeder sich einen Namen ausgedacht, und das erweckte den Eindruck, als seien es lauter unterschiedliche Unix-Versionen. Wichtig ist allerdings die Einhaltung der Schnittstellen-Definitionen.

Strack-Zimmermann: Mittlerweile erlaubt AT&T unter bestimmten Randbedingungen, daß man den Namen "Unix" verwenden darf, was dazu beitragen kann, weitere Verwirrung zu vermeiden. Im übrigen: Was wirklich im Kern drinsteckt, ist für den normalen Programmierer ziemlich gleichgültig. Die meiste Anwendungssoftware wird heute auf Schnittstellen aufgesetzt, die weit oberhalb liegen.

Viel wichtiger für die Standardisierung sind die sogenannten Application Binary Interfaces (ABI). Die Basis für die ABIs hat AT&T vor zwei Jahren durch die Veröffentlichung der COFF-Formate gelegt. Damit ist die Voraussetzung geschaffen, daß man - vorausgesetzt, im Rechner ist der gleiche Prozessor - Software austauschen kann, ohne neu zu übersetzen. Die Binärkompatibilität ermöglicht erst ein Händler-Ladengeschäft, wie man es vom MS-DOS-Markt kennt.

- Damit wären wir bei den geschäftlichen Themen. Die Vorgeschichte Ihrer Firma war, daß sich ein ehemaliger Unternehmer und ein bisheriger Angestellter zusammentaten . .

Strack-Zimmermann: Meinen Sie mich mit dem Angestellten? Da muß ich zu meiner Ehrenrettung sagen: Ich bin der klassische "Inhouse-Unternehmer" gewesen. In sieben Jahren aus einer Bastelstube im Keller mit acht Mitarbeitern innerhalb einer großen Firma eine Produktlinie aufzubauen, die heute einen Jahresumsatz von 400 Millionen Mark hat, das ist schon ein Unternehmen.

- Was war Ihr Hauptproblem in dieser Tätigkeit? Das Geld bei den Vorgesetzten locker zu machen?

Strack-Zimmermann: Das Hauptproblem war, die strategische Ausrichtung, die am Anfang alle begrüßt hatten, auch durchzuhalten und genug Begeisterung zu erwecken. Weiterhin war es schwierig, eine zweite Systemlinie zu etablieren, ohne daß das existierende Geschäft plötzlich zusammenbricht. Natürlich wird man von Zeit zu Zeit mal unsicher. Aber während dieser Phasen hat mich der Vorstand immer sehr gestützt.

- Da hatten Sie ein Problem nicht, das der selbständige Unternehmer hat. Der muß die Banken davon überzeugen, daß das, was er gerade tut, auch sinnvoll ist, muß sehen, daß er das nötige Geld zusammenkriegt. Bei Ihnen, Herr Färber, war das ja vor zwei Jahren ein Problem, aus dem dann nur die Zusammenarbeit mit einem Großkonzern geholfen hat: Sie und Ihr Bruder Georg verkauften die Mehrheitsanteile an Mannesmann. Wie sieht es bei Ixos mit der finanziellen Basis aus?

Färber: Nicht nur die Banken, sondern auch die Gesellschafter und andere Finanzierungsquellen haben mich in der PCS immer sehr beschäftigt. Ich habe dabei sehr viele Erfahrungen gesammelt, die ich selbstverständlich bei Ixos einbringen möchte. Ich habe gelernt, daß man mit viel Engagement tatsächlich Finanzierungsquellen erschließen kann. Nur kommen sie in der Regel ein bißchen zu spät. Deshalb stellen wir diesmal die Finanzierung vorher sicher, um wirklich die nötige Luft zum Atmen zu haben und Unabhängigkeit zu erreichen.. .

- ...die Sie bei PCS verloren haben.

Färber: Die Partnerschaft mit Mannesmann war durchaus von mir gewünscht; es hätte auch interessante Alternativen gegeben. Wir sind damals mit großer Überzeugung in diese Verbindung eingestiegen. Nur haben sich die Dinge im Lauf der Zeit halt so entwickelt, daß ich mir sagte: Das ist nicht das Umfeld, in dem ich mit meinen 45 Jahren auf Dauer bleiben möchte. Ich fang lieber noch einmal etwas Neues, Unternehmerisches an. Konkret auf Ixos angesprochen: Das ist heute eine 200 000-Mark-GmbH, das können wir beide sicherlich noch ganz gut darstellen. Solange wir ein dienstleistungsorientiertes Softwarehaus sind, gerade im rasch wachsenden Unix-Bereich, können wir gut leben. Da brauchen wir keine Finanzierung, vor allen Dingen, weil es uns gelungen ist, ein erhebliches Auftragsvolumen zum Start zu akquirieren.

- Ihren Unterlagen entnehme ich daß der große Partner die Siemens AG ist.

Strack-Zimmermann: Das ist ja nicht weiter verwunderlich; ich habe ja in den letzten Jahren für Siemens so einiges auf die Beine gestellt. Die Kombination war für Siemens attraktiv: Einen Partner zu finden, der von selbst weiß was zu tun ist. Wir sehen uns als kleines, dienstleistungsorientiertes Softwarehaus, das ausschließlich auf Unix ausgerichtet ist. Wir übernehmen Aufgabenstellungen, wo wirklich erfahrene Unix-Entwickler gefragt sind, und davon gibt's nicht so viele in Deutschland.

- Da drängt sich die Frage auf: Machen Sie jetzt auf eigene Rechnung die Dinge, die Sie sonst bei Siemens gemacht hätten?

Strack-Zimmermann: Nein. Bei Siemens habe ich meine Tätigkeit zum Schluß immer nur als "Rechner bauen" beschrieben. Und Hardware machen wir hier ja nicht.

- Sie hätten aber die Softwareentwicklung auch innerhalb der Siemens-Unix-Abteilung betreiben können.

Strack-Zimmermann: Das gleiche hätte ich dort in der Form nicht machen können. Mich haben Anwenderprobleme immer mehr interessiert. Daß ich Rechnerbauer geworden bin, das ist ein Zufall gewesen.

- Wie sieht es auf der anderen Seite aus? Haben Sie, Herr Färber, noch Kontakte zu Mannesmann, wo Ihr Bruder Mitglied der Geschäftsführung ist?

Färber: Da gibt es momentan keine Kontakte. Wobei das keineswegs irgendwas damit zu tun hätte, daß ich da im Streit ausgeschieden sei; wir sind im völligen Einvernehmen auseinandergegangen, und es gibt überhaupt keinen Grund für derartige Annahmen, aber es gibt auch momentan keine geschäftlichen Kontakte. Natürlich spielt es auch eine Rolle, daß jemand, der Software macht, diese auch möglichst oft verkaufen will. Wenn Sie die Marktstatistik betrachten, liegen doch andere Hersteller mit ihren Installationszahlen weit vor PCS.

- Wie sehen Ihre Geschäftspläne aus für die nächsten zwei Jahre?

Färber: Wir haben eine ganz klare Konzeption: Es gibt momentan eine "kleine Ixos" mit einem tragfähigen Auftragsbestand. . .

- . . . und wieviel Entwicklern?

Färber: ...an Bord sind sieben, unter Vertrag sind aber schon zehn. Und dann haben wir eine Konzeption für die "große Ixos". Sie soll ein produkt- und marketingorientiertes Unternehmen sein. Aber wir wissen gut genug, was es bedeutet, von einem Dienstleister zum Produktunternehmen zu werden. Da ist ein Riesenschritt dazwischen. Und dieser Riesenschritt ist nur zu machen mit einer umfangreichen und passenden Finanzierung. . .

Strack-Zimmermann: ...die das Ersparte überschreitet.

- So etwas ist mit einer Million nicht zu machen.

Färber: Das ist völlig richtig. Diese Investitionen, die heute in Softwareunternehmen gemacht werden von einer halben, einer, zwei Millionen, die reichen alle nicht aus, um ein produktorientiertes Unternehmen aufzubauen. Wir haben eine sehr klare Vorstellung davon, was wir brauchen: zwischen sechs und neun Millionen Mark Eigenkapital. Wenn wir das bekommen, dann machen wir die "große Ixos". Und ich bin sehr zuversichtlich, daß wir das Kapital zusammenbekommen. Wir haben die Vision von einem produktorientierten, sehr rasch wachsenden Softwareunternehmen, nicht mehr Softwarehaus. Es gibt einige wenige Vorbilder in der Bundesrepublik, wie die Software AG, SAP oder Softlab. In diesen Vorstellungen leben wir für die "große Ixos".

- In welche Richtung gehen Ihre Pläne bezüglich der Produkte?

Strack-Zimmermann: Unix-Software für den Bürobereich, für den kommerziellen Markt. Mit einer einheitlichen Benutzeroberfläche, mit einer einheitlichen Datenschnittstelle, hin über SQL zu Datenbanken; dazu gehört auch ein einheitliches Dokumentenformat.

- Sehen Sie eine Möglichkeit, die Produkte über Fachgeschäfte zu vermarkten?

Strack-Zimmermann: Ich glaube, dafür sind wir noch nicht weit genug. Der Kunde ist, wie auch der Händler, überfordert. Da muß nach wie vor mehr an Beratung, mehr an Unterstützung erfolgen.

- Heißt das: Sie wollen mit den Hardwareherstellern kooperieren, die die Systeme installieren?

Strack-Zimmermann: Nicht nur. Unsere Vorstellung ist, daß man diese Software auf verschiedenen Haupt-Systemlinien selbst anbietet und die Vermarktung, aber auch den ganzen Support, der nach der Vermarktung kommt, selbst übernimmt.

- Dann brauchen Sie ein bundesweites Vertriebs- und Supportnetz, das heißt große Investitionen und eine Menge Mitarbeiter.

Strack-Zimmermann: Ich glaube nicht, daß man deswegen schon eine breite Geschäftsstellenpolitik betreiben muß. Die Bundesrepublik ist ein überschaubares Land von den Entfernungen her.

- Wieviele Geschäftsstellen brauchen Sie? Eine Nord, eine Mitte, eine Süd?

Strack-Zimmermann: Es ist einfach zu früh, das zu sagen. Lassen Sie uns erst einmal so weit kommen, daß wir etwas wirklich Fertiges zu vermarkten haben.