Grenkostenkalkulation in der EDV?

05.03.1976

Jeder EDV-Leiter wird immer wieder von den einzelnen Fachbereichen gebeten, bestimmte Arbeiten für diesen Bereich, die etwa zusätzlich zu übernehmen sind, zu billigeren Sätzen zu verrechnen. Sehr oft wird so argumentiert, daß der Computer doch schon vorhanden sei, mithin könne diese Arbeit auch ohne zusätzliche Kosten mit übernommen werden. Außerdem mache es ja gar nichts aus für die Auslastung des Computers, da man in mehreren Partitions fahre und diese Arbeiten quasi parallel gefahren werden können.

Lastabhängige Kostenarten

Zunächst einmal. muß festgestellt werden, welche Kosten bei Übernahme zusätzlicher Arbeiten auf die EDV-Anlage tatsächlich steigen. Diese Frage läßt sich nicht pauschal beantworten, da sie von dem Umfang der zusätzlichen Arbeiten abhängt. Wenn etwa neue Anwendungen abgewickelt werden sollen, die eine mehr oder weniger große Aufstockung des Computers erfordern, liegt eine andere Situation vor, als wenn zunächst einmal keine Aufstockung erforderlich ist.

Innerhalb gegebener Computer-Kapazität sind folgende Kostenarten direkt lastabhängig:

1. Je zusätzlicher Computerstunde fällt in vielen Fällen Mehrschichtmiete an. Diese entfällt generell bei gekauften oder geleasten Systemen, ebenso bei Anlagen, die 4 Jahre fest gemietet sind.

2. Wenn zusätzliche Arbeiten nicht innerhalb der bestehenden Schichten abgewickelt werden können, fallen beträchtliche Überstunden an. Dies kann bei großen Systemen mit mehreren Operatoren je Schicht erheblich zu Buch schlagen. Bei mittleren Systemen sind Überstunden an der Tagesordnung, weil die Auslastung in den wenigsten Fällen ein gerades Vielfaches einer Schicht beträgt.

3. Energiekosten für die Klimatisierung und die EDV-Anlage können auch beträchtliche Werte erreichen, wenn große Systeme betrieben werden. Zumindest sollte man diese Werte nicht vernachlässigen. Selbst bei mittleren Systemen sind schnell 50-100 DM je Betriebsstunde erreicht, so daß jede zusätzliche Stunde kräftig zu Buch schlägt.

Grundsatz = Vollkostenkalkulation

Als genereller Grundsatz sollte in der EDV die Vollkostenkalkulation gewählt werden, da in den meisten Fällen durch das erhebliche Wachstum der EDV-Anlagen und damit auch der Kosten trotz aller Verbesserungen des Preis-/Leistungsverhältnisses die Verrechnung von Grenzkosten auf die Dauer zu Ungerechtigkeiten führen würde. Die Kosten würden bei der Verrechnung von Grenzkosten (je zusätzlicher Stunde werden nur die lastabhängigen Kostenarten verrechnet) nicht verursachungsgerecht für alle Anwender verrechnet. Immer dann, wenn bei Anlagenaufstockungen die fixen Kosten in Sprüngen steigen, ergeben sich erhebliche Probleme mit den einzelnen Systembenutzern. Zudem lassen sich unterschiedliche Kostensätze, die aus politischen Gründen gemacht worden sind, nur recht schwer von den Accounting-Routinen abrechnen, es sei denn, man speichert je Kunde unterschiedliche Verrechnungssätze. Bei der Vollkostenkalkulation sollte man von einer bestimmten Zielauslastung ausgehen und einen konstanten Verrechnungssatz je Systemkomponente wählen. Im Verlaufe der Zeit kann man diese Sätze mit steigender Auslastung durchaus herabsetzen, um die Vorteile der größeren Auslastung an alle Anwender gleichmäßig, weiterzugehen. Wenn keine Vollkostenkalkulation der einzelnen Systemresourcen durchgeführt wird, kann es sehr leicht passieren, daß die Systembenutzer schnell dafür sorgen, daß Engpässe auf dem System entstehen, weil billige Systemeinheiten favorisiert werden. Dies kann dann wiederum zu einer Aufstockung führen, die aber aus den verrechneten Kosten nicht "bezahlt" werden kann.

Geplante Testaktivitäten die Basis der Hardwareplanung waren, sollte man auch nicht zu Grenzkosten verrechnen, Man kann aber durchaus Einmalanforderungen umfangreicher Art zu Grenzkosten verrechnen, wenn es darum geht, ob diese Arbeiten etwa per Computer oder manuell abgewickelt werden sollen oder wenn etwa zur Debatte steht, einen erheblichen Organisations- und Programmieraufwand dafür zu betreiben, um ein Einmalprogramm schneller zu machen. Es kann dann in Einzelfällen günstiger sein, längere Laufzeiten auf der Anlage zu akzeptieren, wenn dafür Personalkosten eingespart werden können.

In jedem EDV-Bereich kommen mehr oder weniger viele Wiederholläufe vor. Einen Normalsatz von 5-10 % der mittleren Betriebszeit wird man in die Verrechnungspreise mit einkalkulieren. Wenn darüber hinaus größere Zusammenbrüche passieren, wird der EDV-Leiter oft nach den zusätzlichen Kosten gefragt. Hier ist es durchaus angebracht, die zusätzlichen Kosten dieser Wiederholungen im Sinne der Grenzkostenkalkulation zu ermitteln. Die Verrechnung auf die Budgets der Anwender ist dabei Kapitel für sich.