Vom Plan zur Umsetzung (IT-Konsolidierung, Teil 2)

Grau ist alle Konsolidierungstheorie

13.06.2003
MÜNCHEN (kf) - Die IT steht in den meisten Unternehmen unter hohem Kostendruck. Konsolidieren lautet angesichts der andauernden Wirtschaftskrise das Gebot der Stunde. Die Vorgehensweisen unterscheiden sich stark voneinander.

Bei der AOK Bayern erwuchs die Notwendigkeit zur Konsolidierung aus der Fusion der 39 lokalen Allgemeinen Ortskrankenkassen und des Landesverbands: "Zentrale Aufgabe der IT war es, die Synergieeffekte aus diesem Zusammenschluss zu erschließen", blickt Harald Wehnes, Fachbereichsleiter IT-Strategie, zurück. Hierbei galt es, zwölf in hohem Maß heterogene Rechenzentren mit vier unterschiedlichen Betriebssystemen, vier differenzierten DV-Verfahren sowie zwölf Netzen zusammenzuführen. Heute betreibt die AOK Bayern nur noch ein einziges zentrales Landesrechenzentrum in Bayreuth.

Angesichts der für Sommer 1996 beschlossenen Fusion lief die Planung bereits im Jahr zuvor auf Hochtouren. Einige Vorschläge hatte die Abteilung IT-Strategie schon vor dem offiziellen Konsolidierungsbeschluss in der Schublade. Laut Wehnes hat man dabei von einer übertriebenen Detailplanung abgesehen und einer auf Zielvorgaben und Projektmeilensteine beschränkten Rahmenplanung den Vorzug gegeben. "Es gibt Leute, die planen sich zu Tode und wundern sich dann, dass sie nicht zu Ergebnissen kommen", begründet der AOK-Mann den damaligen Mut zur Lücke.

Den ersten Schritt im AOK-Konsolidierungsfahrplan stellte eine klare Ausarbeitung der Ziele und die Entwicklung "einer Vision" dar, wie Wehnes den Projektauftakt beschreibt. Der Aufwand für die darauf folgende Bestandsaufnahme hinsichtlich der Systeme, Applikationen sowie Datenvolumina und Verarbeitungsprozesse, nicht zuletzt aber auch des Personals, hielt sich dank einer "Koordination und Steuerung" der ehemals zwölf AOK-Rechenzentren in Grenzen. "Dann haben wir anhand verschiedener, vorrangig betriebswirtschaftlicher, aber auch technischer Bewertungskriterien die für das Konsolidierungsvorhaben in Frage kommenden Optionen herausgearbeitet und die möglichen Alternativen bewertet", so der IT-Koordinator. Als nächstes galt es laut Wehnes, Zustimmung und Unterstützung aller Beteiligten sicherzustellen. "In dieser Phase mussten die letzten Skeptiker im IT-Team aufgespürt werden - nach dem Motto: ,Wer jetzt noch etwas gegen die erarbeiteten Festlegungen einzuwenden hat, möge sich äußern oder für immer schweigen''", erläutert der Strategieexperte. Das gesamte, im Jahr 1999 abgeschlossene Konsolidierungsprojekt wurde mit Hilfe eines strukturierten Programm-Managements umgesetzt, das unter anderem Zeit-, Kosten und Ressourcenplan sowie Qualitäts- und Risiko-Management umfasste. "Hierzu haben wir mehrere Einzelprojekte definiert und für jedes einen verantwortlichen Projektleiter und eine Mannschaft zusammengestellt", so Wehnes.

Als Störfaktor im Zuge der AOK-Konsolidierung erwies sich laut Wehnes das "damals noch nicht ganz ausgereifte" Projekt-Controlling. "In zwei oder drei Fällen habe ich Rückmeldungen von Projektbeteiligten bekommen, die mir bestätigten, alles wie besprochen vorbereitet zu haben. Dann wollte man etwas umstellen und musste erkennen, dass gar nichts gemacht worden war", erinnert sich der IT-Fachmann. Das habe zwar nur zu punktuellen Behinderungen des Geschäfts geführt, gerade bei einem solchen Mammutprojekt greife jedoch ein Rädchen ins andere. Mittlerweile hat die Abteilung IT-Strategie die Problematik fest im Griff: Ein ständiges Controlling durch einen eigens eingesetzten technischen Migrationsverantwortlichen begleitet die Arbeiten.

Standardisierung von Software und Prozessen

Auch die Ina Schaeffler KG, Herzogenaurach, hat konsolidiert. "Das hat mit Servern oder Storage erst mal nichts zu tun", stellt CIO Harald Gießer klar. Die Zusammenführung der Infrastruktur falle in den Bereich Standard-IT-Aufgaben, über die man nicht mehr sprechen müsse. Für den IT-Chef bedeutet der Begriff Konsolidierung vielmehr die Vereinheitlichung von Software und Prozessen. Umfangreichere Maßnahmen wurden bei dem international aktiven Hersteller von Wälzlagern und Motorenelementen in der Vergangenheit im Rahmen einer SAP-Standardisierung - ausgehend von einer Eigenentwicklung im PPS/ERP-Umfeld - vorgenommen. "Im Endeffekt ist das nichts anderes, als was die meisten tun: Standardsoftware einsetzen und darüber - sozusagen unter Zwang - die Prozesse konsolidieren", so Gießer.

Wenn man eine Konsolidierung in Erwägung ziehe, gelte es zunächst, herauszufinden, wo und wie das Unternehmen weltweit damit sparen könne, empfiehlt der CIO. Entsprechende Maßnahmen könnten im Detail für einen Fachbereich oder eine Landesgesellschaft durchaus einmal teurer werden als die vorherige Lösung. In diesem Fall müsse man dafür sorgen, dass die Mehrkosten auf die Gruppe oder das Gesamtunternehmen umverteilt werden. "Wenn man im Zuge einer Warenkonsolidierung Provider und Technik zusammenführt, dann wird eine heutige VPN-Leitung etwa nach Asien zwar billiger sein, als wenn man einen Standard einführt. Weltweit gesehen wird man jedoch feststellen, dass die Kosten mit Hilfe dieser Vereinheitlichung sinken und darüber hinaus mehr technische Leistung zur Verfügung steht", nennt Gießer ein Beispiel für Abwägungsbedarf.

Im Prinzip unterscheidet sich das, was bei Konsolidierungsvorhaben für die IT an Aufgaben anstehe, nach Ansicht des CIO nur marginal von der gängigen Projektarbeit. Diese Meinung teilt Dieter Geile, CIO der Sartorius AG mit Sitz in Göttingen. So erachtet der konzernweit verantwortliche IT-Chef des international agierenden Biotechnologie-Zulieferers und Mechtronik-Herstellers zwar die Qualität des Projekt-Managements als einen kritischen Faktor für den Erfolg auch von Konsolidierungsmaßnahmen: "Dazu gehört zunächst einmal ein sauberer Auftrag, hinter dem jemand aus dem Vorstand stehen muss", erläutert Geile. Wichtig sei auch die klare Einbindung der betroffenen Fachbereiche, und die geplanten Zwischenziele müssten konsequent verfolgt werden. Das gelte für jedes Projekt.

Systemstandardisierung

Die Sartorius AG hat 1998 und 1999 im Zuge eines Vorstandswechsels sowie einer Umstellung der betriebswirtschaftlichen Standardsoftware von SAP R/2 auf R/3 ihre gesamte IT neu aufgestellt. "Wir haben nach dem damals gültigen Motto ,IT follows Business'' aus der Business- die IT-Strategie abgeleitet und seitdem in der Umsetzung konsequent die definierten Ziele verfolgt", so Geile. Aus der IT-Strategie wiederum wurden die Konzernspielregeln für die IT abgeleitet und daraus der IT-Bebauungsplan, die Standards sowie ein Leistungskatalog entwickelt.

Kernthema im Zuge der Neuausrichtung bei dem international agierenden Konzern, der bis dahin an jedem Standort ein eigenes IT-System betrieben hatte, war die Systemstandardisierung. Zugunsten einer höheren Transparenz galt es, die Vielfalt zu reduzieren und die Systemlandschaft zu vereinfachen. "Hierzu haben wir eine Standardpyramide erzeugt, die praktisch durch alle Schichten der IT geht - von der Vernetzung bis in die Spitze zur Software", schildert der IT-Chef das Vorgehen. Um R/3 Schritt für Schritt einzuführen, die individuellen Softwarepakete an den einzelnen Standorten ablösen und die Prozesse verbessern zu können, wurden die internationalen Tochtergesellschaften im Rahmen eines Vorprojekts weltweit angebunden. "Heute werden alle unsere SAP-Anwender, auch die in China und Japan, auf einem zentralen Rechenzentrum in Göttingen gefahren", beschreibt Geile.

Einen für Konsolidierungsprojekte spezifischen Stolperstein haben alle Unternehmen ausgemacht: Da sowohl Standardisierung als auch Rationalisierung stets Umstellungen mit sich bringen, spielt das Thema Change-Management und damit der Faktor Mensch eine entscheidende Rolle. "Menschen haben am Anfang das Gefühl, ihnen wird etwas weggenommen", beschreibt Ina-CIO Gießer die Ängste der Mitarbeiter um ihren Job, die vertraute Arbeitsumgebung oder den Wert ihres Know-hows. Wer die Betroffenen nicht frühzeitig in das Projektgeschehen einbindet und die offene Kommunikation über die neuen Gegebenheiten scheut, riskiert große Widerstände, sind sich die Konsolidierungsexeperten einig. Es gehe darum, die IT-Kollegen aufzufangen und aufzubauen, so dass sie nicht blockieren, sondern die Veränderungen mittragen.

Konsolidieren heißt nicht immer Geld sparen

Doch nicht nur den Mitarbeitern, auch den Vorständen müsse reiner Wein eingeschenkt werden. Nicht jede Konsolidierung spare automatisch Geld: "Häufig wird die Entscheidung zu konsolidieren aus der Not heraus geboren, sprich: es geht der Firma betriebswirtschaftlich nicht gut", bringt Günter Köster, Partner der Unternehmensberatung Convenio AG und ehemals CIO bei dem Mammutkonzern ABB sowie der Dynamit Nobel AG, das Hauptmotiv der Kostenreduktion auf den Punkt. "In acht von zehn Fällen werden Konsolidierungsprojekte von oben vorgegeben, und nur zwei kommen aus der IT heraus", bedauert der Experte. Um dem Wertschöpfungsbeitrag der IT gerecht zu werden, müsste es sich laut Köster umgekehrt verhalten.

Angeklickt

- RZ-Konsolidierung bei der AOK Bayern

- Auf Zielvorgaben und Projektmeilensteine beschränkte Rahmen- anstatt Detailplanung.

- SAP-Standardisierung bei Ina Schaeffler KG.

- Konsolidierungsvorhaben erfordern normale Projektarbeit.

- Erfolgsfaktor Projekt-Management.

- Systemstandardisierung bei der Sartorius AG.

- Stolperstein Change-Management.

- Konsolidierung heißt nicht immer Sparen.