Kreativitaet ist gefordert

Grafisch aufbereitete Daten werden schneller verarbeitet

19.03.1993

Einige Grundvoraussetzungen muessen erfuellt sein, damit das technische Hilfsmittel EIS zu einem echten strategischen Instrument werden kann. Abteilungen wie Vorstandsstaebe, Controlling oder Rechnungswesen setzen unterschiedliche DV-Systeme ein, um das Topmanagement mit Informationen zu versorgen. Dies geschieht ueblicherweise nach dem Prinzip der Bringschuld. Regelmaessig werden mehr oder weniger voluminoese Berichtsmappen mit tabellarischen Berichten und Grafiken gedruckt und in der Fuehrungsetage vorgelegt. Seit wenigen Jahren gibt es im Gegensatz dazu den Ansatz, das Topmanagement direkt durch Executive Information Systems rechnergestuetzt informieren zu

lassen.

Oberstes Prinzip bei der Entwicklung eines EIS muss sein, den Informationsbedarf sowie die Denk-und Arbeitsweise des Topmanagements in den Vordergrund zu stellen. Ein System, welches, wenn auch komfortabel, lediglich die monatlichen Berichte und Grafiken fuer das Management druckt oder am Bildschirm anzeigt, verdient strenggenommen nicht den Namen EIS.

Das Topmanagement verlangt mit Recht mehr von einem rechnergestuetzten Fuehrungs-Informationssystem: naemlich die Nutzung der Rechnerleistung zur Unterstuetzung individueller Analyse, Interpretation und gezielten Selektion von Informationen. So sollte ein EIS aus den Daten, die ihm zur Verfuegung stehen, folgende Fragen beantworten koennen: Welches Produkt wirft die hoechsten Umsatzrenditen ab? Welches hat die hoechsten Umsatzzuwaechse? Wo liegen die Kosten im Budget, wo ueber, wo unter Plan?

Fuer solche Fragen eignen sich neben der reinen Ausgabe von Ausreissern vor allem Hitlisten, die nach Sortierung die gewuenschte Aussage liefern. Es versteht sich von selbst, dass nur die Art der Frage vorgefertigt sein sollte.

Konkrete Details wie die Festlegung des zu betrachtenden Unternehmensbereiches oder ob prozentuale oder absolute Werte ein Kriterium sind, muss der Benutzer in fuer ihn verstaendlicher Form ad hoc ganz definieren koennen.

Kombination der Darstellungsformen

Voraussetzung fuer die Nutzung des EIS sind angemessene Antwortzeiten, da es gerade fuer die oberste Fuehrungsebene wichtig ist, ob das Erkennen eines bestimmten Sachverhaltes 20 Minuten oder nur 20 Sekunden erfordert. Auch hier gilt, dass aus grafisch aufbereiteten Darstellungen schneller eine Aussage abzulesen ist als aus reinen tabellarischen Berichten. Mit einem Mausklick auf eine bestimmte Flaeche sollte der Benutzer weitere Aktionen ausloesen koennen, um beispielsweise ausfuehrlichere Informationen aufzurufen. Diese Technik ist unabdingbar fuer ein intuitiv nutzbares System.

Fuer die Darstellung zeitlicher Verlaeufe haben sich Balken- und Liniendiagramme bewaehrt. Anstelle sprachlicher Bezeichnungen von Produkten oder Unternehmensbereichen foerdert die Verwendung von Symbolen oder sogenannten Icons nicht nur die schnellere Lesbarkeit, sondern auch die Uebersichtlichkeit. Grundsaetzlich ist Kreativitaet gefordert, wenn es darum geht, die geeignete grafische Darstellung mit zugehoeriger Funktionalitaet zu entwickeln.

Bei regionaler Gliederung der Leistungstraeger bietet sich eine landkartenorientierte Praesentation an. Die einzelnen Filialen koennen dann mit vollflaechigen Kreisen dargestellt werden, grosse Kreise markieren dabei relativ hohen, kleine Kreise niedrigen Umsatz.

Um den Aussagegehalt weiter zu erhoehen, ist eine Kombination mit der Ampeldarstellung zu empfehlen: gruene Kreisflaechen signalisieren positive, rote negative Tendenzen. Will der Benutzer dann eine Filiale naeher betrachten, sollte ein Mausklick auf den entsprechenden Kreis der Landkarte genuegen, um genauere Informationen einzublenden.

Eine wichtige Aufgabe des EIS ist es, den aktuellen Stand des Unternehmens dem Top-management nahezubringen. Deshalb sollte es die wesentlichen erfolgskritischen Faktoren des Unternehmens aktuell widerspiegeln. Dies waere bei Energieversorgungsunternehmen ein stark vereinfachtes Abbild eines Leitstandes, der etwa Strombedarf und -bezug gegenueberstellt oder die Netzauslastungen darstellt. Bei Automobilproduzenten kann es sich um ein Abbild der Hauptproduktionsstrasse mit den an den einzelnen Stationen gefertigten Einheiten handeln.

Ist die Produktqualitaet ein Erfolgsfaktor, so sollte die Reklamationsquote als Indikator im EIS praesent sein. Es kann auch um wesentliche Teile der strategischen Planung des Unternehmens ergaenzt werden.

Das System sollte weiter ausgebaut werden

Das EIS spielt nicht nur als schnelles, aktuelles, stets verfuegbares Instrumentarium zur Aufnahme und Analyse der wesentlichen unternehmensinternen Ereignisse eine wichtige Rolle. Als lebendiges Fuehrungsinformations-System sollte es vielmehr auch in weitere Richtungen ausgebaut werden: Integration in Buerokommunikation, Anschluss an externe Informations- und Nachrichtenanbieter und Aufnahme von qualitativen Aspekten wie Kommentaren zur Wettbewerbshistorie.

Der Erfolg des EIS haengt von vielen Faktoren ab. Zumindest ein Promoter, moeglichst aus den Reihen des Topmanagements, sollte aktiv hinter der Investition stehen - zumal diese je nach Unternehmensgroesse von einigen 10 000 Mark bis zu Millionenbetraegen gehen kann. Hat eine Fuehrungskraft sich dazu entschlossen, ein EIS einzufuehren, sollte die weitere Vorgehensweise dem interdisziplinaeren Charakter eines solchen Projektes gerecht werden.

Ergeht der Auftrag, ein solches System zu etablieren, ausschliesslich an die DV-Abteilung oder nur an das Controlling, ist der Flop absehbar. Wichtig ist es, beide Abteilungen, also die technischen Informationsverarbeiter und die inhaltlich orientierten Informationsaufbereiter, an einen Tisch zu bekommen und alle weiteren Aktivitaeten koordiniert auszufuehren.

Die Teammitglieder muessen ueber weitgefaecherte Faehigkeiten verfuegen, um ein solches System erfolgreich auf die Beine zu stellen. Gefragt sind Generalisten, die auf der einen Seite die Arbeits-und Denkweise des Topmanagements verstehen und die analytischen Faehigkeiten mitbringen, auch komplexe Sachverhalte zu erfassen und gut zu strukturieren. Auf der anderen Seite muessen sie die Kreativitaet besitzen, ein angemessenes Softwaredesign fuer das EIS zu entwickeln und moeglichst auch selbst mit den dafuer geeigneten Softwarewerkzeugen umzusetzen.

Gemaess der Devise "Think big, start small" sollte sich das Team nach anfaenglichen globalen Ueberlegungen schnell auf einen ersten ueberschaubaren Prototypen konzentrieren. Liegt der inhaltliche Rahmen fest, stellt sich noch die Frage der Software- und Hardwareplattformen. Unstrittig ist wohl, dass ein EIS auf grafikfaehige PCs gehoert. Ob die Basisdaten dann auf einem Server oder einem Host liegen, ist eine Frage der oertlichen Gegebenheiten.

In die Auswahl des richtigen Softwarewerkzeuges wird haeufig zuviel Zeit investiert. Eine probate Vorgehensweise ist es, nach einer Grobauswahl zwei bis maximal drei Software-Alternativen anhand des Prototyps durchzutesten. Ob das verwendete Softwarewerkzeug die notwendige Flexibilitaet aufweist, zeigt sich haeufig erst bei Details. Koennen beispielsweise wesentliche Umstrukturierungen von Produktpaletten oder Organisationsstrukturen ohne Wartungsaufwand in die vorhandenen Darstellungsformen integriert werden? Ist es moeglich, individuelle Grafiken und Benutzeroberflaechen mit ausgefeilter Funktionalitaet zu erstellen? Eine Selbstverstaendlichkeit sollten Eigenschaften wie Netzfaehigkeit und Schnittstellen zu allen gaengigen Datenstandards (SQL, ASCII, DB2, DDE etc.) sein.

*Reinhard Krug ist Geschaeftsfuehrer der Infolog GmbH Management- Informations-Logistik in Koeln.