Abstraktes Denken und Fachwissen reichen nicht aus

Gott muss einem DV-Profi das Marktdenken in die Wiege legen

21.05.1993

Bereits auf dem CW-Karrierezentrum in Hannover sorgte Peter Brodmann fuer Heiterkeit bei den Zuhoerern, als er die Mitarbeiter von Softwarehaeusern im idealtypischen Fall als Dreibeiner bezeichnete. "Frueher stand der Datenverarbeiter arrogant auf zwei Beinen", so der Personalchef der Atlas Datensysteme GmbH in Essen. Er musste abstrakt denken koennen und dieses Denken in einem bestimmen Fachgebiet anwenden. Heute komme eine dritte Komponente hinzu, der SW-Profi muesse auch Ueberzeuger sein: "Wir muessen marktorientiert denken und arbeiten, denn sonst koennen wir uns die beiden anderen Aspekte abschminken." Brodmann gibt zu, dass es sehr schwierig sei, diese Eigenschaft bei einem DV-Profi zu finden: "Marktorientierung muss man vom lieben Gott in die Wiege gelegt bekommen."

Selbst der beste Techniker nuetze wenig, wenn ihm beim Anblick eines Kunden Schweiss auf die Stirn tritt. Und da koenne auch keine Schulung weiterhelfen.

Auch Kreativitaet ist sicherlich nicht einfach zu schulen. Fuer Pedro Schaeffer naemlich ist diese Eigenschaft die wichtigste, um in einem Softwarehaus erfolgreich arbeiten zu koennen. Die Rechnung des Condat-Geschaeftsfuehrers ist einfach: "Wer kreativ arbeiten kann, ist auch flexibel und produktiv", und genau solche Mitarbeiter sucht Schaeffer. Der Berliner setzt die Gleichung fort: Hochproduktive Mitarbeiter sind auch die besten Team- beziehungsweise Projektleiter, und von ihnen haengt es weitgehend ab, wie effizient ein DV-Unternehmen agiert.

Anhand des DV-Stellenmarktes lassen sich die Veraenderung der Anforderungen genau feststellen, meint Bernt Schroeder vom Bildungszentrum fuer informationsverarbeitende Berufe (Bib). Die Entwicklung vollzieht sich nach Beobachtung des Paderborner Schulungsleiters vom technikorientierten Programmierer in den 70er Jahren zum Org./Programmmierer in den 80ern und dem Organisator in den 90ern hin zum Prozessmoderator im Jahre 2000. Von dieser Informatikfachkraft werde erstens Technikgestaltungs-Kompetenz verlangt. Der DV-Spezialist soll die Technik im Einklang mit den Unternehmensstrategien gestalten und ihren Bezug auf die Interessen aller Beteiligten erkennen.

Zweitens muss der DV-Experte der Zukunft Prozesskompetenz vorweisen. Er muss laut Schroeder unter anderem Zielkorrekturen waehrend eines Entwicklungsprozesses vornehmen koennen, aber auch soziale Zusammenhaenge unter den Mitarbeitern begreifen. Drittens benoetigt er Kooperationskompetenz. Damit meint der Bib-Paedagoge, dass der Computerfachmann:

- seine eigene Rolle in bezug zu den anderen Beschaeftigten kooperativ wahrnimmt,

- das Expertenwissen der anderen Projektbeteiligten einordnen kann und

- das Expertenwissen seiner Kollegen als Basis fuer das eigene Arbeitsergebnis versteht.