Noch Schwächen in der Architektur und bei den Tools

Globalisierung strukturiert Peoplesoft-Pakete neu

13.12.1996

"Unser Ziel ist es, eine einzige Lösung zu liefern, die dennoch landesspezifische Anforderungen erfüllen kann", erläutert Dave Duffeld, President, CEO und Chairman von Peoplesoft. "Dieses Prinzip ist in der Version 6 der Module Financials und Human Ressources umgesetzt, und mit dem nächsten Haupt-Release auch in Distribution und Manufacturing."

Erreicht wird das Ziel, indem möglichst viele Funktionen länderneutral gehalten werden. Zur Zeit sind das etwa 80 bis 90 Prozent. Zum Beispiel bezahlt jedes Unternehmen in jedem Land seine Lieferanten. Die Art und Weise mag allerdings differieren. Statt jedoch 30 verschiedene Zahlungsarten für 30 verschiedene Länder zur Verfügung zu stellen, filtert Peoplesoft drei Grundarten heraus: Zahlen mit Wechseln, mit Schecks und mit elektronischen Überweisungen. Lokale Anpassungen betreffen nur noch Berichtsformate, die Mehrwertsteuer, die Transfers und Sprachspezifika.

Hierzulande vermarktet die Peoplesoft GmbH, München, hauptsächlich die Module "Personal-Management" und "-Abrechnung". Zu den globalen Features gehören:

- ein einheitliches Format für Namen, Adressen, Telefonnummern, ISO-Tabellen, Bankleitzahlen und Währungskontrollen,

- Verzeichnisse für die verschiedenen Bezeichnungen eines Mitarbeiters,

- Unterstützung verschiedener Währungen,

- Einbezug verschiedener Fähigkeiten und

- Mehrsprachlichkeit.

Zu den Schlüssel-Ländern, in denen diese Produkte gemeinsam mit Kunden weiterentwickelt werden sollen, gehören Kanada, Großbritannien, Frankreich und die Bundesrepublik. Inwieweit diese Produkterweiterungen Bestandteile der Kernfunktionen werden, wird im Einzelfall geprüft. Insbesondere die Gesetzgebung erfordert weitreichende Anpassungen.

Siemens ist weltweit einer der größten Peoplesoft-Kunden. Allein in Deutschland werden künftig rund 330000 Mitarbeiter und Pensionäre mit der Personalsoftware verwaltet. Obwohl das Unternehmen die SAP-Standardsoftware R/3 im Einsatz hat, entschied sich die Siemens AG Deutschland vor zwei Jahren für die Personalabrechnung und -verwaltung von Peoplesoft. Bereits zu diesem Zeitpunkt setzen 46 Siemens-Gesellschaften mit mehr als 80000 Mitarbeitern in zwölf Ländern, darunter etwa Osram Sylvania oder Siemens Rolm Communications, die Personal-Management-Software ein.

Koordiniert wird die Einführung von Deutschland aus unter der Verantwortung von Ursula-Christina Fellberg. Sie und ihr Team haben gemeinsam mit der deutschen Tochter des Softwarelieferanten unlängst die rechtlichen und tariflichen Anpassungen der Standardsoftware für den Personalbereich abgeschlossen.

Das erworbene Know-how sowie eventuell Anpassungen wie R/3-Schnittstellen will das Unternehmen auch vermarkten.

Die Gründe, die laut Fellberg nach einer Bedarfs- und Machbarkeitsstudie für Peoplesoft und gegen ein weiteres R/3-Modul, gegen das Paket "Paisy" von GSI Datensysteme und gegen eine Renovierung einer Eingenentwicklung sprachen, sind allerdings mehr technischer Natur. Vor allem die Möglichkeit, Workflow-Funktionen einzubinden sowie eine schnelle und einfache Bedienbarkeit waren ausschlaggebend. Darüber hinaus wählte Siemens die Client-Server-fähige Standardsoftware aufgrund einer Flexibilität, vor allem als Plattformunabhängigkeit verstanden.

Wie Wolfgang Martin von der Meta Group Deutschland GmbH, München, erläutert, basieren die Peoplesoft-Anwendungen auf einer Zwei-Schichten-Architektur mit sogenannten Fat Clients - im Gegensatz etwa zur R/3. Der SAP-Software liege eine drei-Schichten-Struktur zugrunde, die sich leichter zu Multi-tier-Anwendungen ausbauen lasse, wie sie etwa in Intranets eine Rolle spielen dürften. Die Peoplesoft-Pakete ließen sich architekturbedingt nur begrenzt skalieren. Derzeit könnten nur 50 Benutzer gleichzeitig mit einer Lösung arbeiten. Siemens-Fachfrau Fellberg konnte diese Behauptung weder bestätigen noch falsifizieren - die Testinstallationen haben die kritische Anwenderzahl noch nicht überschritten. Sie bestätigte allerdings, daß die Siemens-Implementierungen im Endausbau mehr als 50 gleichzeitig arbeitende Clients voraussetzen.

Der Hersteller kündigte lediglich vage die Unterstützung von Mehrschichten-Architekturen sowie von Internet- und Intranet-Clients an. Die Softwarehäuser One Wave und Net Dynamics liefern jedoch Tools, mit denen sich zumindest Web-Interfaces für Peoplesoft-Applikationen erstellen lassen. Mit beiden Firmen ging das Unternehmen Kooperationen ein.

Remote Calls sollen dem Anwender darüber hinaus die Möglichkeit eröffnen, die Standardsoftware in die Unternehmens-DV einzubinden. Die Version 6 unterstützt diese Technik via "Tuxedo", dem Transaktionsmonitor von Bea. Bis jetzt waren Anbindungen an Datenbanken vergleichsweise statisch und ließen sich nur mühsam ändern. Auch einem dynamischeren Partitionieren soll die Bea-Middleware auf die Sprünge helfen.

Derzeit liefert Peoplesoft Tuxedo im Bundle mit den hauseigenen 4GL-Werkzeugen "PeopleTools" aus. Im Juli dieses Jahres hat die Hurwitz Group Inc. das Tool auf Herz und Nieren getestet. Es besteht aus eine Basic-basierten 4GL und Utilities, mit denen sich Datenbankschemata und Oberflächenelemente bauen lassen. Verglichen mit anderen Client-Server-Entwicklungs-Tools zeigen sich vor allem drei Schwächen. So ist das Tool nicht teamfähig. Es weist zudem keine Möglichkeit zum Design und zur Modellierung auf - auch nicht durch die Einbindung von Fremdprodukten. Schließlich läßt die Umgebung ein Utility zur Verwaltung von Applikationsressourcen vermissen. Für Programmierer jedoch, die es gewohnt sind, mit der R/3-4GL "Abap" zu arbeiten, sei der Umgang mit PeopleTools eine angenehme Überraschung, kommentiert Siemens-Chefkoordinatorin Fellberg. Die größeren Anpassungen allerdings nimmt die Siemens-Mannschaft mit einem hauseigenen Werkzeug vor.

Peoplesoft in Zahlen

Peoplesoft-Chef Dave Duffield beschreibt seine Company, um die flachen Hierarchien zu betonen, stets als eine ohne Sekretärinnen: "Bei uns schreibt jeder seine Briefe selbst." Das kalifornische Unternehmen aus Pleasanton, das 1987 gegründet wurde, konnte in den ersten neun Monaten dieses Jahres einen Umsatz von 296,5 Millionen Dollar erwirtschaften. Das Umsatzwachstum betrug im Vergleich zum Vorjahreszeitraum rund 96 Prozent. Damit gehört das Unternehmen weltweit zu den am schnellsten wachsenden der Branche. Der Gewinn betrug in derselben Zeitspanne 36,3 Millionen Dollar, 18,1 Millionen Dollar mehr als im Vergleichszeitraum 1995. Die reinen Lizenzeinnahmen bis einschließlich September übertrafen das Vorjahresergebnis um 85 Prozent rund 39,8 Millionen brachten dem Unternehmen allein die Personal-Management-Produkte ein. Im dritten Quartal 1996 gab das an der New Yorker Börse (PSFT) notierte Unternehmen einen Aktiensplit bekannt. Dadurch verdoppelte sich die Anzahl der Stammaktien von 55 auf 110 Millionen. Per Aktientausch im Wert von 255 Millionen Dollar hatte Peoplesoft im Oktober Red Pepper Software, einen Hersteller von Software zur Materialbeschaffung aus San Mateo, Kalifornien, übernommen. Ein Lizenz- und Vertriebsabkommen bestand bereits seit Juni dieses Jahres. Seit 1995 arbeitet Peoplesoft schon mit der Agententechnik des Produkts, das ursprünglich für ein Nasa-Projekt konzipiert wurde.

Globalisierung des Marktes

Die offizielle Ankündigung der Peoplesoft-Standardsoftware, Version 6, ergänzte eine Ansprache des Wirtschaftswissenschaftlers John Naisbitt zum Thema Globalisierung der Geschäftswelt. Seine Zukunftsvision sollte westliche Manager durchaus erschrecken und mahnen sowie auf eine Software einstimmen, die vorgibt, auf die Herausforderungen vorzubereiten.

Naisbitt begann mit einer guten Nachricht für alle Unternehmen, die sich etwa mit Hilfe des Internet in den globalen Markt vorwagen: Je größer der Marktplatz, desto größer seien die Chancen für kleine Firmen. So werde bereits heutzutage die Hälfte des US-amerikanischen Exportumsatzes von Betrieben erwirtschaftet, die weniger als 90 Mitarbeiter beschäftigen. In Europa sehe das ähnlich aus.

Daß Unternehmer die aktuellen Chancen offenbar wahrnehmen, zeige sich in der hohen Anzahl von Unternehmensgründungen. In diesem Jahr sollen es weltweit etwa eine Million sein. Doch gleichzeitig werde die präzise Zielgruppenorientierung immer wichtiger: Globalisierung bedeute Produktspezifikation.

Außerdem verlagere sich das Marktgeschehen mehr und mehr in den asiatisch-pazifischen Raum. Zwar gebe der Westen derzeit die Marktregeln vor, doch entwickelten sich in Asien eigene, auf Dauer nicht weniger wirksame Grundsätze. Als Japan zur Wirtschaftsmacht avancierte, habe es die westlichen Regeln lediglich adaptiert, trotzdem habe der Westen wie paralysiert reagiert. Der dynamische asiatisch-pazifische Markt werde die Regeln jedoch nicht übernehmen, sondern alsbald eigene diktieren.