Datenkompression - Zukunftstechnik oder Augenwischerei?

Glaubenskrieg um die Streamer: Entweder DAT oder 8-Millimeter

08.03.1991

Unter den Anbietern von Helical-Scan-Laufwerken vollzieht sich ein erbittert geführter Kampf. Kaum hat 8-Millimeter-Vertreter Exabyte sein 5-GB-Produkt vorgelegte zieht nun DAT-Pusher EP den neuesten Trumpf aus dem Ärmel: Auf eine Kassette passen jetzt bis zu 9? GB, und das in einem 3?-Zoll-Drive.

Genutzt wird Datenkompression (DC), eine kontrovers diskutierte Technik. Doch HP hat offenbar gute Chancen, sowohl sie als auch das DDS-Format als Industriestandard durchzusetzen - gegen oder neben dem anderen DAT-Format Datadat.

Die Vorzüge, die in den Helical-Scan-Technologien "8-Millimeter" und "DAT" stecken - also in jenen Technologien, die die Daten nicht serpentinenartig aufs Band schreiben, sondern mittels Schrägspur-Aufzeichnung - , sind einem beachtlichen Teil der Anwender noch wenig bewußt. Die Einstellung vieler orientiert sich einerseits am bisher Bekannten, andererseits schielt sie nach spektakulär Neuem. Dazwischen klafft die Lücke.

Optical Rewritables sind noch zu teuer

So klagt DAT-Manager Dieter Waldner vom HP-Distributor Metrologie: "Tape-Laufwerke fürs Backup - darunter verstehen viel zu viele Kunden leider immer noch, daß sie es mit einem recht unhandlichen Bandwurm zu tun hätten." Gewachsen ist dieses Verständnis der Dinge aus den langen Erfahrungen mit der früher weit verbreiteten Quarter-Inch-Cartridge-Technologie (QIC). Sie zeichnet die Daten traditionell in zum Band parallel laufender Spur (und mit mehrmaligem Band-Durchlauf serpentinenartig) auf.

Als wenig handlicher Bandwurm präsentiert sich ein QIC-Tape deshalb, weil der Zugriff auf eine bestimmte Datei dauert. Zwar läßt sich mit entsprechender Anwendersoftware am Bandanfang ein Directory anlegen - einen Bereich, der überdies nicht zu knapp bemessen werden darf -, so daß das QIC-Drive den verschiebbaren Lesekopf gleich auf die richtige Spur positioniert. Doch innerhalb der Spur dauert der "Sprung" hin zum Ziel eben trotz "QIC-File-Access" seine Zeit.

Als spektakulär neu empfinden Anwender die Opticals. Wiederbeschreibende optische Drives lassen einen die Problematik der Handhabbarkeit vergessen. Gegeben ist kompromißloses Random Access, ganz wie beim Primär-Massenspeicher Hard-Disk, und mit 50 Millisekunden mittlerer Zugriffszeit nur dreimal "langsamer" als die heutigen Winchesters. Deshalb ist die "ganz andere Technologie" auch im Kommen. Allerdings sind die Optical Rewritables noch teuer - das Laufwerk, und vor allem das Medium. Aus diesem Grund sehen ernsthafte Interessenten derzeit auch sehr schnell ein, daß die besondere Art der Anwendung diese Investition rechtfertigen muß.

Eine Parade-Anforderung hierfür mag etwa vorliegen, wenn es um das sehr schnelle Finden einer archivierten Zeichnung geht, die es kurzerhand zu variieren gilt.

Anders sieht es in allen Fällen der breiten Backup-Aufgaben aus. Hier stellt allein der Medium-Preis einer optischen Platte im 500-Mark-Bereich ein klar abschreckendes Moment dar. Genau in diese Feature- und Preislücke drängen nun die Helical-Scan-Technologien - und trotz besagter "Nöte" der Marketing-Developers mit vehementem Erfolg.

Bei Medien-Kosten von zehn bis zwanzig Dollar pro GB bieten sowohl die auf der Digital-Audio-Tape-Technologie basierenden DAT-Drives als auch die auf der Video-8-Technologie basierenden 8-Millimeter-Drives über "schnellem Suchlauf" einen Random Access innerhalb kurzer Zeiten. Nicht viele Minuten, sondern im Mittel nur mehr 20 Sekunden erfordert es, um den Lesekopf eines DAT-Laufwerks ans Ziel zu steuern, wobei immerhin mehr als 1 GB an Daten durchsucht wird. Ja, die Möglichkeiten, den "Bandwurm" Tape noch handlicher zu strukturieren, gehen bei den DAT-Drives soweit, daß sich Partitions anlegen lassen, ganz ähnlich wie bei der Hard-Disk.

DDS unterstützt zwei Partitions

Wie viele Partitions unterstützt werden ist eine Frage des Formats. Das Format DDS (Digital Data Storage), gemeinsam entwickelt von HP und Sony, den ersten großen Häusern, die DAT pushten, unterstützt zwei Partitions - von denen sich etwa die eine sinnvollerweise als Directory nutzen läßt, mit der Funktion ähnlich der File-Allocation-Table einer Hard-Disk. Das Format Datadat, von anderen Anbietern unter der Führung von Hitachi dem DDS mit einigen Zusätzen nachgeschoben, unterstützt gar 254 Partitions. Mit 8-Millimeter-Laufwerken ist Partitionierung prinzipiell nicht möglich. Denn das Exabyte-Format (Exabyte ist alleiniger Anbieter der 8-Millimeter-Technologie) sieht keine Gruppen-Struktur, das heißt Zusammenfassung von Spuren zu logischen Paketen, vor.

Zu den Nöten der DAT-Anbieter gehörte bislang insbesondere auch die mangelnde oder fehlende Software-Unterstützung. Während ein QIC-Drive schon immer problemlos "angeflanscht" und umgehend genutzt werden konnte - Unix hat dafür von Beginn an im Kernel einen kleinen, spezifischen Teil implementiert -, bereite das OEM-Konzept, mit dem HP startete, den Kunden einiges Kopfzerbrechen. "HP hatte das DAT-Laufwerk als reines OEM-Produkt herausgebracht und überließ es dem Systemintegrator oder Systemhersteller, die nötige Software zu schreiben, so daß das Device in der entsprechenden Umgebung läuft", beschreibt Dieter Waldner das Handikap. "Viele Interessenten sagten, welch schönes Produkt das sei - und fragten nach der Software, mit der sich die feinen Features denn zum Leben erwecken ließen."

Der US-Hersteller jedenfalls zog die Konsequenz, installierte eine eigene Abteilung, die sich ausschließlich auf die Ansprache von ISVs (Independent Software Vendors) konzentriert, und kann seit Ende 1990 die Früchte des Lernprozesses ernten: Aus dem französischen Hause Chantal kommt Software für Unix-Implementierungen, vom bekannten Host-Adapter-Anbieter Adaptec kommt Software für die DOS- und OS/2-Welt. In letzterem Fall wurden ganze Treibermodule entwickelt, die speziell HPs DAT-DDS-Devices unterstützen. Für Unix, wo die Peripherie-Devices nicht über Treibermodule sondern über "piped files" angesprochen werden, bekommt der Anwender eine Diskette, mit der er im Handumdrehen in den Kernel die entsprechenden Zusätze einlinken kann. Damit ist Unix bereit, den SCSI-Controler zu kommandieren, der seinerseits um die physikalischen Feinheiten weiß.

"Wir können jetzt fertige Lösungen anbieten, und zwar für fast alle Unix-Versionen", vermeldet Waldner zufrieden. Das ist gut so - auch für all jene DAT-Drive-User, die sich bislang als Backup-System einen "Porsche" zulegten, das Device aber als einen "Volkswagen" laufen lassen mußten. Nicht wenige der DAT-Geräte, die bislang untergebracht wurden, arbeiten nämlich aus besagtem Mangel an Software im QIC-Modus, mit radikal eingeschränkter Funktionalität. Ins System aufgenommen wurden sie deshalb, weil den Usern die Aufzeichnungskapazität der QIC-Technologie nicht mehr ausreichte.

Hier sahen sich die QIC-Anbieter urplötzlich Problemen gegenüber. Die Kapazität, die sie offerierten, rangierte weit hinter dem, was die Helical-Scan-Devices von Stunde Null an zu bieten hatten. Exabyte startete mit enormen 2,5 GB, HPs DAT-DDS-Drive mit 1,3 GB - gegenüber ganzen 360 MB auf seiten des verbreiteten QIC-Standards. Auch die Gilde der QIC-Anbieter hat sich zu höchster Anstrengung entschlossen. So liegt die Kapazitätsmarke nun bei 525 MB. Doch der Abstand ist nicht kleiner, sondern größer geworden. Seit Ende 1990 liefert Exabyte sein Drive EXB-8500 aus, das auf eine Kassette 5 GB schreibt, die Kapazität also verdoppelt.

Gegen die DAT-Ecke wird die Fahne hochgehalten

Nicht nur im Feldzug gegen die etablierte QIC-Szene versucht der 8-Millimeter-Protagonist, die neue Höchstmarke zu verwerten. Insbesondere gegen die Mitstreiter aus der DAT-Ecke wird die Fahne hochgehalten. Indessen - die Genugtuung dürfte nicht lange anhalten: Ab Mitte 1991 will Rivale HP ebenfalls mit einer neuen Gerätegeneration vorschnellen, mit den DAT-Drives HP35470A, die nun 2,2 GB Daten unterbringen, und dem HP35480A, das bis zu 9.5 GB Information auf ein einziges Tape schreiben soll. Derlei Verschiebung der Rekordmarke kann Exabytes Geschäftsführer Peter Behrendt schwerlich in Ruhe lassen. Hörte sich doch seine bisherige Sicht der Markt-Aufteilung so an: "Unser Segment ist der höchst anspruchsvolle Mainframe-, Supercomputer- und Mini-Bereich. Die DAT-Drives, die auch ihre Berechtigung haben, werden die weniger umfangreichen Systemumgebungen abdecken."

Brisant ist HPs jüngster Schachzug aus mehreren Gründen - einmal ganz abgesehen von der erwähnten fehlenden Partitionierungs-Möglichkeit der 8-Millimeter-Drives. Erstens "sollen bereits ab Mitte 1991 wirklich Stückzahlen geliefert werden, denn die Phase der Verschickung der Evaluierungs-Einheiten an Key-OEMs liegt ebenso hinter uns, sagt HPs General Manager Peripherals Bob Tillman, "wie der so wertvolle Inhouse-Evaluierungsprozeß, den uns unsere Systems-Division liefern kann".

Zweitens legt HP mit den "Neuen" zwei Geräte vor, deren Größe auf den Formfaktor 31/2 Zoll herunterentwickelt wurde. Ein respektabler Vorteil angesichts des deutlichen Anwenderwunsches hin zu kleineren Dimensionen. Am "Mechanism" mußte dazu nichts verändert werden. Die Schrumpfung geht aufs Konto einer Reduzierung von Platinen, auf die stringente Integration der Elektronik. Die Zusammenfassung von Bausteinen in Custom-VLSI-Chips reduziert nicht nur Aufbau und Ausmaße etwa des SCSI-Kontrollers. Gewonnen wird zugleich ein Mehr an Zuverlässigkeit.

Drittens verweist HP Exabyte mit dem Modell 80A in einem weiteren, ganz wesentlichen Feature auf die Plätze: Bei der effektiven Transferrate, also bei der mittleren Geschwindigkeit der Datenübertragung ins und vom Tape. Schob das EXB-8500 noch gestern die Höchstrate auf 500 KB/s, wird sie nun bei bis zu 789 KB/s liegen.