Gigabit Ethernet: Es werde Licht im Kabelschacht

09.02.2012
Mit 40 und 100 GbE stehen die nächsten Highspeed-Technologien vor der Tür. Kupferlösungen eignen sich hier nur für kurze Strecken, auf breiter Front hält die Glasfaser Einzug ins Data Center.

An der Migration auf 40 und 100 GbE führt kein Weg vorbei. Spätestens in fünf Jahren, so die Prognose des Schweizer Familienunternehmens Reichle & De-Massari AG (R&M), das sich auf Kupfer- und Glasfaserverkabelungssysteme spezialisiert hat, wird 40-Gigabit-Ethernet auf breiter Front eingeführt, 100 GbE dürfte zwei Jahre später folgen.

Der Status quo

Die entscheidenden Kriterien zur Auswahl der geeigneten Verbindung sollten die Kos-ten sowie das Produkt aus Bandbreite und Länge sein. Dieser Wert ist das Multiplikationsergebnis aus Bandbreite und Übertragungsdistanz. Er verdeutlicht den Kompromiss zwischen der Bandbreite des Signals und der Link-Länge, über welche es übertragen werden kann. Derzeit arbeiten Rechenzentren mit einem Mix aus Kupferkabel und Lichtwellenleitern (LWL). Je nach Kabeltyp (Kupfer/LWL) lassen sich Übertragungsreichweiten von 15 bis etwa 500 Metern erzielen. Einen kurzen Überblick über die bestehenden Übertragungstechniken, Kabeltypen und maximal erreichbaren Strecken geben die Tabellen "Übertragungstechniken und Kabeltypen" auf Seite 18. Grundlage für die Definitionen sind die Standards IEEE 802.3ak (Twinax) und 802.3an (Twisted Pair) für Kupfer sowie 802.3ae für Lichtwellenleiter.

Da innerhalb von Rechenzentren nur Strecken von wenigen Metern bis zu einigen hundert Metern überbrückt werden müssen und Singlemode-Lösungen nach Auskunft von R&M in der Regel deutlich teurer sind als die Multimode-Varianten, kann die Tabelle auf die Übertragungstechniken 10GBASE-T, 40GBASE-CR4 und 100GBASE-CR10 für Kupfer sowie 10GBASE-SR, 40GBASE-SR4 und 100GBASE-SR10 für Lichtwellenleiter reduziert werden.

Die 40/100-GbE-Zukunft

Mit dem Standard 802.3ba wurden im Juni 2010 die neuen Übertragungstechniken 40 GbE und 100 GbE verabschiedet. Sollen hier hohe Bandbreiten über praxisrelevante Di-stanzen erreicht werden, müssen mehrere Lichtwellenleiter parallel betrieben werden. Je nach verwendetem Fasertyp stehen unterschiedliche Distanzen zur Verfügung. Ein Blick in die Tabelle "40/100 GbE - Übertragungstechniken und Kabeltypen" (Seite 18) zeigt, dass sich Kupferkabel bei Datenraten von 40/100 Gbit/s mit einer Reichweite von sieben Metern nur für Verbindungen innerhalb des Racks eignen und nicht für die Infrastrukturverkabelung.

Angesichts ihrer deutlich längeren Übertragungsstrecken sind heute Lichtwellenleiter der Kategorien OM3 und OM4 die überzeugende Lösung, wenn es darum geht in Data Centern Datenraten von 40 oder 100 Gbit/s zu bewältigen. Mit einer Link-Länge von 100 Metern bei OM3 werden - abhängig von Architektur und Größe - ungefähr 85 Prozent aller Data-Center-Kanäle unterstützt; OM4-Fasern mit einer Link-Länge von 150 Metern decken sogar fast 100 Prozent der benötigten Reichweite ab. Anzumerken ist, dass bei 10-Gigabit-Ethernet die Link-Länge nach IEEE 802.3ae für OM3-Fasern 300 Meter beträgt. Die OM4-Faser ist zwar nicht standardisiert, kann aber Lösungen bis zu einer Länge von rund 500 Metern unterstützen. Obwohl bei 40- beziehungsweise 100-Gigabit-Ethernet durch die paralleloptische Architektur pro Faser ebenfalls nur 10 Gbit/s übertragen werden, sind laut 802.3ba lediglich 100 Meter für OM3 und 150 Meter für OM4 definiert. Grund hierfür sind gelockerte Anforderungen an die aktiven Bauelemente. Die Vorgaben wurden reduziert, um die Gesamtkosten der Strecke zu senken. Aufgrund der größeren Toleranzen insbesondere beim Jitter musste die Link-Länge verkürzt werden, um das zulässige Jitter-Gesamtbudget nicht zu überschreiten. Jitter ist das zeitliche Taktzittern bei der Übertragung von Bits. Es wird beispielsweise durch Rauschen in der Elektronik verur-sacht.

Letztlich sind OM3- und OM4-Lichtwellenleiter, geführt in einer paralleloptischen Verbindung, konfektioniert mit Mehrfasersteckern die Zutaten für die 40/100-GbE-Technologien in einer strukturierten Verkabelungsumgebung.

Migrationsszenarien

Der komplette Neubau eines Data Centers ist für die IT-Verantwortlichen meist ein Ausnahmefall. Hier hätten sie die Möglichkeit, sofort auf neue Technologien zu setzen und so die Infrastruktur zukunftssicher für die höheren Bandbreiten zu planen.

Die Realität dürfte für die meisten IT-Chefs jedoch so aussehen: Bestehende Data-Center-Infrastrukturen werden in den nächsten Jahren schrittweise auf 100 Gbit/s um- beziehungsweise ausgebaut. Sinnvoll erscheint hier ein Stufenkonzept, bei dem vorhandene passive Komponenten nach und nach ersetzt werden. Der Austausch aktiver Komponenten erfolgt dann, sobald diese verfügbar und zu ökonomisch vertretbaren Kosten realisierbar sind.

Vor dem Hintergrund dieser Prämissen entwickelt R&M in dem White Paper "Anwendung der MPO-Technologie - Migration zu 40/100-Gigabit-Ethernet" ein dreistufiges Migrationsszenario:

1. Die Erweiterung bestehender 10-GbE-Umgebungen.

2. Die Erweiterung von 10 GbE auf 40 GbE.

3. Die Erweiterung von 40 GbE auf 100 GbE.

Diese einzelnen Stufen werden nachfolgend besprochen.

Von 10 GbE zu 40/100GbE

Der erste Schritt bei der Migration von 10- auf 40/100-Gigabit-Ethernet dürfte die Erweiterung einer bestehenden 10-GbE-Umgebung sein. Als Permanent Link (Backbone) dient ein zwölffaseriges MPO-Kabel. MPO-Module und Patchcords schaffen die Verbindung zu den 10G-Switches. Abhängig von der bestehenden Infrastruktur und der verwendeten Polaritätsmethode ergeben sich dabei unterschiedliche Konstellationen.

Werden dann im nächsten Schritt die 10- GbE-Switches gegen 40-GbE-Versionen ausgetauscht, reicht es in der Regel, wenn die MPO-Module durch MPO-Adapterplatten ersetzt werden. Auch hier ist auf die verwendete Polaritätsmethode zu achten.

Der letzte Migrationsschritt ist dann die Erweiterung von 40- auf 100-Gigabit-Ethernet. Mit den 100-GbE-Switches wird nun auch die Verwendung von 24-faserigen MPO-Kabeln erforderlich. Hierzu kann entweder die bestehende zwölffaserige Verbindung (der angesprochene Permanent Link) durch eine zweite zwölffaserige Verbindung erweitert oder durch einen LWL mit 24 Fasern ersetzt werden.

von Jürgen Hill

40/100 GbE - Übertragungstechniken und Kabeltypen

Übertragungstechnik

Kabeltyp

Signalführung

Maximale Distanz

40GBASE-KR4

Leiterplatte (Bus)

4 x 10 Gbit/s

1 Meter

40GBASE-CR4

Kupfer, Twinax

4 x 10 Gbit/s

7 Meter

40GBASE-SR4

Mulitmode, OM3

4 x 10 Gbit/s

100 Meter

Multimode, OM4

150 Meter

40GBASE-LR4

Singlemode

4 x 10 Gbit/s (CWDM)

10 Kilometer

100GBASE-CR10

Kupfer, Twinax

10 x 10 Gbit/s

7 Meter

100GBASE-SR10

Multimode, OM3

10 x 10 Gbit/s

100 Meter

Multimode, OM4

150 Meter

100GBASE-LR4

Singlemode

4 x 25 Gb/s (DWDM)

10 Kilometer

100GBASE-ER4

Singlemode

4 x 25 Gb/s (DWDM)

40 Kilometer

10 GbE - Übertragungstechniken und Kabeltypen

Übertragungstechnik

Kabeltyp

Maximale Distanz

10GBASE-CX4

Kupfer, Twinax

15 Meter

10GBASE-T

Kupfer, Twisted-Pair

Cat. 5e

50 Meter

Cat. 6a/7

100 Meter

10GBASE-LX4

LWL, 1310 Nanometer

Multimode

300 Meter

Singlemode

10 Kilometer

10GBASE-SR

LWL, 850 Nanometer

Multimode OM1/OM2

33/82 Meter

Multimode OM3

300 Meter

Multimode OM4

550 Meter*

10GBASE-LR

LWL, 1310 Nanometer

Singlemode

10 Kilometer

10GBASE-ER

LWL, 1550 Nanometer

Singlemode

40 Kilometer

10GBASE-SW

LWL, 850 Nanometer

Multimode OM1/OM2

33/82 Kilometer

Multimode OM3

300 Meter

Multimode OM4

550 Meter

10GBASE-LW

LWL, 1310 Nanometer

Singlemode

10 Kilometer

10GBASE-EW

LWL, 1550 Nanometer

Singlemode

40 Kilometer