Schweiz: Fahrpläne im Videotex

Geschäft mit Fahrplandaten

22.09.1989

Der Schweizer Bildschirmtext, Videotex, wird um eine Attraktion reicher: Demnächst können auch die Fahrpläne der Bahnen abgerufen werden. Das Projekt stammt indes nicht von den Schweizerischen Bundesbahnen (SBB), sondern von einer findigen Zweimannfirma, die ihr Wissen zudem in einer Videotex-Toolbox für Personal Computer auch anderen Programmierern zugänglich machen will.

Schon auf den Fahrplanwechsel in diesem Frühjahr war die PC-Version des schweizerischen Zugfahrplans von der Firma Finajour veröffentlicht worden. Inzwischen wurden gut tausend Exemplare zu einem Stückpreis von hundert Franken verkauft.

Das Programm könne von jedermann ohne vorherige Schulung sofort bedient werden, rühmt Programmschöpfer Hans-Jakob Tobler, von berufswegen Forscher bei einem Basler Chemie-Multi. Er habe dies mit seiner Putzfrau ausprobiert.

Einfacher als im Kursbuch die Seiten zu blättern, ist es allemal: Abfahrtsort und Destination sind einzugeben und schon durchforscht die Tobler-Logik die über 130 000 Zugbewegungen der staatlichen und privaten Bahnen pro Tag nach allen Varianten. Nach wenigen Sekunden sind die Ergebnisse aufgelistet und können einzeln mit allen Halten und Umsteigeterminen studiert werden.

Oft stelle man dabei fest, daß die Bahnen günstigere Verbindungen anbieten, als dies gemeinhin angenommen werde, sagte Tobler.

Auch über den Einsatz seines "Wegweisesystems für den öffentlichen Verkehr" für das Bundesdeutsche Bahnennetz hat Tobler nachgedacht.

Er räumt aber ein, die rund 30 000 Stationen in der Bundesrepublik wären vermutlich zu umfangreich, um sie auf heutigen Personal Computern unterzubringen und durchzurechnen. Beschränke man sich aber auf die rund 5000 wichtigsten Stationen, wäre eine Anpassung problemlos.

Der Computer-Fahrplan wurde nun mit Hilfe der PTT-Entwicklungsabteilung für die Abfrage über Videotex weiterentwickelt. Für die PTT war dies vor allem interessant, weil hier erstmals eine Lösung für Informationsanbieter auf günstigen Personal Computern realisiert wurde. Bis Ende des Jahres wolle er sein Know-how in einer Turbo-Pascal-Videotex-Toolbox zusammenfassen und verkaufen, kündigte Tobler an. Damit sollen dann auch Kleinstanbieter im Videotex mitmachen können.

Nicht ganz glücklich über das Finajour-Produkt sind die SBB: Sie haben bisher immer vermeiden wollen, daß dem Publikum bessere Informationsmöglichkeiten zur Verfügung stehen als den eigenen Schalterbeamten. Eine eigene Videotex-Lösung werden die Bahnen aber nicht vor Ende 1990 anbieten können.