Bei zu niedrigem Gebot darf der Anbieter ablehnen

Gerichtsurteil stellt den Sinn von Online-Auktionen in Frage

03.11.2000
MÜNCHEN - Das Landgericht Münster entschied zugunsten eines Autohändlers, der bei einer Online-Auktion nicht den erhofften Preis erzielte und den Wagen deshalb nicht abgeben wollte. Rechtsanwalt Jürgen Schneider* findet das Urteil fragwürdig.

Ein Autohändler hatte unter "Ricardo private Auktionen" einen Neuwagen der Marke VW Passat Variant TDI mit 110 PS, Edelholzausstattung und weiteren Extras angeboten. Ein Neuwagen mit den entsprechenden Merkmalen hat einen Listenpreis von 57000 Mark Der Startpreis lag bei zehn Mark. Einen Mindestpreis, den er auf jeden Fall erzielen wollte, hatte der Autohändler nicht angegeben. Fünf Tage lang durfte geboten werden, wobei sich der Preis in 50-Mark-Schritten bis zum 963. Bieter auf 26350 Mark erhöhte. Dieser erhielt daraufhin von Ricardo.de eine Mail, in der es hieß: "Herzlichen Glückwunsch, Ihr letztes Gebot war unschlagbar! Bei Ricardo private Auktionen haben Sie für 26350 Mark den Zuschlag mit dem Titel VW Passat Variant TDI 110 PS - Neuwagen erhalten." Der Autohändler weigerte sich jedoch, den Wagen zu diesem Preis abzugeben, worauf er vom Bieter auf Herausgabe des Autos verklagte wurde.

Kein Vertrag zustande gekommenDas Landgericht gab dem Autohändler recht und wies die Klage ab. Zur Begründung führte das Gericht aus, dass zwischen dem Bieter und dem Autohändler kein Vertrag zustande gekommen sei. Allgemein wies das Gericht zunächst darauf hin, dass es für den Vertragsschluss bei Internet-Auktionen keine rechtlichen Besonderheiten gebe. Online abgegebene Erklärungen seien wie im normalen Geschäftsleben nach den allgemeinen Regeln des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) zu beurteilen. Hiernach komme ein Vertrag durch Angebot und Annahme zustande.

Der Umstand, dass der Autohändler bei der Internet-Auktion einen VW Passat "angeboten" habe, sei noch kein Angebot im juristischen Sinne, sondern vielmehr eine Aufforderung zur Abgabe von Angeboten ("invitatio ad offerendum"). Das Angebot zum Abschluss eines Kaufvertrages über den VW Passat zu einem Kaufpreis von 26350 Mark sei vielmehr von dem Bieter abgegeben worden. Dieses Angebot habe der Autohändler nicht angenommen, so dass der Vertrag nicht zustande gekommen sei. Die E-Mail mit dem Zuschlag von Ricardo sei rechtlich ohne Bedeutung, weil der Online-Auktionär laut Geschäftsbedingungen nur zur Entgegennahme von Erklärungen befugt gewesen sei, nicht aber dazu, rechtsverbindliche Erklärungen für den Autohändler abzugeben. Allerdings stand in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen von Ricardo, welche auch der Autohändler akzeptiert hatte, folgender Passus über die Annahme eines Vertragsangebotes: "Der Vertrag über einen angebotenen Gegenstand kommt ohne Erklärung gegenüber dem Teilnehmer, der das Vertragsangebot abgegeben hat, bereits durch die Annahme des Vertragsangebotes zustande." Hierbei handelt es sich um eine so genannte vorweggenommene Annahmeerklärung, womit sich derjenige, der im Rahmen der Internet-Auktion etwas verkaufen möchte, im Voraus mit dem zuletzt abgegebenen Gebot einverstanden erklärt.

Bei Anwendung dieser Klausel wäre auch im vorliegenden Fall der Kaufvertrag über den VW Passat zu dem zuletzt gebotenen Preis von 26350 Mark zustande gekommen. Das Gericht argumentierte jedoch, dass diese Klausel zwar grundsätzlich zulässig, aber interpretationsbedürftig sei. Dementsprechend sei es in diesem Falle nötig gewesen, den tatsächlichen Willen des Autohändlers zu erforschen, wie er vernünftigerweise von den Bietern zu verstehen sei. Niemand, so das Gericht, könne davon ausgehen, dass jemand einen Neuwagen für weniger als die Hälfte des Listenpreises abgeben würde. Daher habe auch der Kläger nicht auf das Billigangebot vertrauen können.

Die Entscheidung ist durchaus fragwürdig. Anbieter, die sich an einer Internet-Auktion beteiligen, wissen, worauf sie sich einlassen. Sie müssen daher damit rechnen, dass der von ihnen "angebotene" Gegenstand unter Preis verkauft wird. Das Urteil des Landgerichts Münster ist aber nun einmal gesprochen, und die Internet-Auktionäre müssen damit leben. Die dargelegten rechtlichen Schwierigkeiten können dadurch vermieden werden, dass der Anbieter einen Mindestpreis anzugeben hat. Damit brächte er zum Ausdruck, dass er mit jedem Angebot, das dem Mindestpreis entspricht oder darüber liegt, einverstanden ist. In diesem Fall würde die Klausel über die "antizipierte" Annahmeerklärung greifen.

*Jürgen Schneider ist Rechtsanwalt in der Münchner Kanzlei Zwipf Rosenhagen.