Gepflegte Karriere

08.01.2009
Fitnessstudio, Faltencremes, Facelifts - der Körperkult greift auf den Firmenfluren um sich. Auch wenn viele IT-Profis es nur schwer akzeptieren: Wer gut aussieht, macht die bessere Karriere.

Kollegen in Sweatshirts und Jeans auf dem Messestand? No way, fand Claudia Kimich, die damals, Mitte der 90er Jahre, für den Außenauftritt einer IT-Sicherheitsfirma verantwortlich zeichnete. Kurzerhand verweigerte die technische Vertriebsleiterin den nachlässig gekleideten Kollegen ihre Namensschilder. "Das brachte mir zwar Ärger ein. Aber das war es wert", meint die Diplominformatikerin. "Eine ungepflegte Erscheinung der Mitarbeiter hätte ein falsches Bild vom Un-ternehmen abgegeben."

Gut gekleidete IT-Profis

Heute käme Kimich wohl gar nicht mehr in die Verlegenheit, sich über Outfits zu streiten, denn der Schönheitswettbewerb auf den Firmenfluren ist in vollem Gange. Kein Wunder. "Die äußere Erscheinung von Mitarbeitern hat einen zunehmenden Einfluss auf ihre Karriere", sagt Sonja Bischoff, Professorin für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre an der Universität Hamburg. In einer wissenschaftlichen Langzeitstudie erforschte sie die Bedeutung der Attraktivität im mittleren Management. Ergebnis: Während 1986 erst sechs Prozent der Befragten die äußere Erscheinung als Erfolgsfaktor beim Berufseinstieg einstuften, stieg die Zahl 2003 auf 27 Prozent.

IT-Kollegen stechen mit besonders hohen Werten heraus. Unter ihnen stuften 43 Prozent der Männer und sogar 50 Prozent der Frauen ein ansprechendes Äußeres als Karrierefaktor ein. Damit belegen die ITler in der Studie nach den Kollegen der Werbeabteilung den zweiten von zehn Plätzen - noch vor dem Marketing oder dem Vertrieb.

Die Beauty-Botschaft hat die IT-Abteilungen erreicht. Mehr und mehr Kollegen - vom Programmierer bis zum Systemadministrator - begreifen, dass neben dem Know-how auch das Outfit zählt. "Die Umgebung prägt das Erscheinungsbild der Beschäftigten", erklärt Anja Galka-Jürgens, Senior Personalberaterin beim Karriereportal Jobware Online-Service in Paderborn. "Je mehr sie direkt mit Kunden zu tun haben, desto eher achten die Mitarbeiter auf ihr Äußeres und ihr Auftreten." Denn das beeinflusst auch ihre Karrierechancen. "Es geht darum, dass man sich klar wird, wo man hinwill", sagt Kimich, die heute als freie Trainerin in München ITler in Sachen Eigen-Marketing und Persönlichkeit coacht. "Wer nicht im Anzug rumlaufen will, kann auch kein Pre-Sales-Chef werden."

Neue Regeln des Aufstiegs

Die interne Konkurrenz in puncto Optik wächst. Viele Mitarbeiter setzen zunehmend nicht nur auf ihr Können, sondern auch auf ihren Körper. Von Fitnessstudio- und Sonnenbankbesuchen über Zahnbleachings und Maniküren bis zu Fettabsaugen und Faceliftings: Erlaubt ist, was gefällt. "Besonders Mitarbeitern in den mittleren Jahren geht es darum, im Beruf mit der jugendlichen Konkurrenz mithalten zu können - auch äußerlich", sagt Werner Mang, plastischer Chirurg und Leiter der Bodenseeklinik in Lindau. Im vergangenen Jahr hat der Professor mehr als 500 Männer in Sachen Schönheitsoperation beraten - Tendenz steigend. "Gut aussehende, schlanke Menschen gelten gemeinhin als erfolgreich", so Mang, "und diesem Bild wollen die Mana-ger von heute gerecht werden." Sie kennen die neuen Regeln des Aufstiegs. Das attraktive Äußere zahlt sich aus - sogar auf dem Bankkonto. Dies bewies Wirtschaftsprofessor Barry Harper von der London Metropolitan University in einer Untersuchung an 11 000 Briten. Die am wenigsten Attraktiven mussten sich mit einem wesentlich niedrigeren Gehalt begnügen als besser aussehende Altersgenossen. Bei Frauen betrug der Abschlag elf Prozent, bei Männern 15 Prozent. "Frauen sind auf den Attraktivitätswettbewerb ganz gut vorbereitet, sie befinden sich auf bekanntem Terrain", erklärt Wissenschaftlerin Bischoff. "Männer empfinden das Bemühen um ihre äußere Attraktivität eher als Neuland."

Mehr chirurgische Eingriffe

Jetzt beginnen sie jedoch, dieses Terrain zu erobern. 881 Millionen Euro flossen 2008 in Anti-Aging-Lotionen, After-Shaves und andere Produkte der Herrenkosmetik - 17 Prozent mehr als noch vier Jahre zuvor. Und im Kampf gegen Falten und Fett verlassen sich viele Männer nicht mehr allein auf Lotionen. Nach einer Repräsentativumfrage des Meinungsforschungsinstituts TNS Emnid aus dem Jahr 2006 haben genauso viele Männer wie Frauen einen chirurgischen Eingriff zugunsten der Schönheit machen lassen - nämlich zwei Prozent der Deutschen. Unter den 30- bis 39-Jährigen waren es sogar vier Prozent, unter den Fortysomethings fünf Prozent.

Die Ansprüche ans eigene Aussehen steigen. Dafür sorgt nicht nur die Inflation von TV-Beauty-Shows, sondern auch der Blick in die Wirtschaftspresse. "Im Umfeld der angelsächsischen Corporate World mit ihren Business-School-Boys haben schöne Menschen ein noch leichteres Spiel als früher", sagt Fachbuchautor Ulrich Renz ("Schönheit: Eine Wissenschaft für sich").

Keine Zigarette mehr

Ackermann, Obermann & Co. legen die Messlatte hoch. "Topmanager von Dax-Unternehmen sind fast ausnahmslos geschmackvoll gekleidet und fit. Sie achten auf ihre Linie, ernähren sich gesund, rauchen keine Zigaretten mehr", resümiert der Frankfurter Personalberater Heiner Thorborg. "Körperliche Fitness gehört heute zum Management. Die Jüngeren sind damit aufgewachsen, die Älteren haben Gefallen daran gefunden."

Aber nicht nur Topmanager stehen unter Beobachtung. Auch Führungskräfte im mittleren Management repräsentieren die Unternehmen.

Wer also aufs Aussehen achtet, punktet bei den richtigen Leuten - zum Beispiel bei Dieter Schoon. Der Personalleiter der SAP-Beratungsgesellschaft Itelligence in Bielefeld nimmt jeden Mitarbeiter "als Gesamtkomposition" wahr. Was ihm auffällt, sind meist keine Details, sondern eine gewisse Stimmigkeit - oder eben Unstimmigkeiten wie braune Schuhe zum schwarzen Anzug. "BWLer wissen, dass die Kleidung zur Selbstvermarktung gehört", so Schoon. "Aber auch ein Systemadministrator, der im Joballtag in Rennradkluft herumläuft, wird sich bei einem Audit in saubere Jeans und Sakko schmeißen. Es hat sich herumgesprochen, dass sich das gehört."

Personalberaterin Galka-Jürgens weist den Firmenchefs eine Vorbildfunktion zu. "Achten sie auf eine gepflegte Erscheinung, färbt das auch auf die Mitarbeiter ab", ist die Expertin überzeugt. Vor reinem Abkupfern sei allerdings gewarnt. Wichtig ist, den eigenen Stil zu finden. "Manch ein Kollege sieht vielleicht in dunklen Jeans, Hemd und Jackett um Klassen besser aus als in einem Anzug", sagt Kimich. "Es kommt darauf an, etwas zu finden, in dem man sich wohl fühlt. Dann tritt man auch ganz anders auf."

Aufhübschen oder alt aussehen

Und dieser Auftritt zählt künftig noch mehr als heute schon. "Der Attraktivitätswettbewerb wird weiter zunehmen", prophezeit Bischoff. Fachbuchautor Renz spricht sogar vom "Wettrüsten im Schönheitswettbewerb auf den Firmenfluren". Soll heißen: "Diejenigen, die sich nicht aufhübschen, werden alt aussehen." (hk)

Wie Sie mit dem Outfit punkten: Fünf goldene Regeln

1 Nicht mauern

Ein Anzug allein macht noch keine Karriere. Dennoch hilft ein attraktives Design der persönlichen Benutzeroberfläche in vielen Lebenslagen. Also: Öffnen Sie sich für den Gedanken, dass neben Wissen und Können auch der Auftritt zählt. Selbstvermarktung ist eben nicht nur etwas für Marketing-Leute. Einem Techniker vertraut der Kunde generell schon - einem gut gekleideten erst recht. Warum also auf diese Form der Kundenbindung verzichten?

2 Nicht verkleiden

Ein Programmierer im Brioni-Anzug würde nur Kopfschütteln hervorrufen. Um ein attraktives Erscheinungsbild abzugeben, kommt es darauf an, die eigene Persönlichkeit attraktiv zu präsentieren. Optische Brüche vermeidet man am besten, indem man seinen eigenen Stil findet - jenseits von Sportsocken und Funktionsjacke. Statt des Anzugs überzeugt an manch einem Kollegen vielleicht eher die Kombination dunkle Jeans plus Hemd (und Sakko). Wer keine Krawatten mag, greift möglicherweise zum dunklen Rollkragenpullover plus Anzughose.

3 Achtung, Details!

Oft sind es Kleinigkeiten, die das Outfit stimmig erscheinen lassen - oder die es zerstören. So sollte etwa das Muster der Krawatte den Gesamteindruck der Kleidung unterstützen (also mit Hemd und Sakko harmonieren). Ansonsten besteht die Gefahr, dass vom Träger nur der "lustige" Schlips in Erinnerung bleibt. Der Gürtel sollte zu den Schuhen passen. Also bei beidem entweder zu braun oder zu schwarz greifen, nicht mischen. Wichtig: Das richtige Schuhwerk kann oft über topp oder Flop entscheiden. Teure Treter entpuppen sich häufig als gute Investition, weil sie in Besprechungen ein Blickfang sind. Nicht akzeptabel sind Sneakers und ungeputzte Schuhe.

4 Keine Hektik

Auch wenn Einkaufen nicht zu Ihren Hobbys gehört: Lassen Sie sich beim Einkleiden genug Zeit. Vielleicht hilft Ihnen Ihre bessere Hälfte oder eine Freundin bei der Beratung. Dann sind Sie nicht allein dem Urteil des Verkäufers ausgeliefert - und Ihrem eigenen. Probieren Sie verschiedene Stücke an, nur so lässt sich herausfinden, was zu Ihnen passt. Ein Jackett darf nicht bei der kleinsten Bewegung kneifen. Und Frauen sollten nur dann Highheels tragen, wenn sie darauf auch gehen können.

5 Vorbilder suchen

Man zieht sich nicht für den Job an, den man hat, sondern für den, den man anstrebt. Schließlich sind auch (Personal-) Chefs Augenmenschen. Wer also eine Stelle als Pre-Sales-Chef anstrebt, sollte nicht in ausgeleierten Pullis und Jeans rumlaufen. Denn so wird ihm kaum eine Position mit Kundenkontakt zugetraut. Man muss den Rucksack ja nicht gleich gegen eine Aktentasche aus Krokoleder eintauschen. Aber vielleicht tut es auch eine Schulterumhängetasche in gedeckter Farbe. Und was spricht dagegen, sich bei den Outfits von Kollegen oder Geschäftspartnern etwas abzuschauen? So bekommt man neue Ideen frei Haus geliefert, ohne gleich Modeprospekte wälzen zu müssen.