Gefahren der EDV-Integration in der Produktion

30.01.1981

George W. Plossl

Management Counselor of Atlanta, G. W. Plossl & Co. Inc., Management and Education

Mit den früheren technischen Möglichkeiten war man einzig und allein in der Lage gerade dann mit einer veränderten Produktionsplanung zu starten, wenn diese bereits durch wesentliche Neuerungen veraltet waren. Wir liefen ständig unserer Zeit hinterher.

Das ist heute kein großes Problem mehr.

Pläne werden im Zeittakt revidiert und Veränderungen sind permanent möglich. Die Synchronisation von Planung und Kontrolle ist ein phantastisches Instrumentarium bei der Bewältigung der Probleme, vor denen Unternehmen zu Beginn der achtziger Jahre stehen. Doch der massive Einsatz von Computerleistung birgt auch einige sehr, sehr ernsthafte Probleme.

Doch auch das läßt sich bewältigen. So neigen gewiefte Produktionsplaner dazu, nur die wichtigsten Veränderungen zu registrieren, um dann an Hand der Daten die Entstehung des plötzlichen Wandels zu rekonstruieren. EDV-Profis zeigen, wie man die wichtigen Veränderungen so dem Programm einverleibt, daß der Plan erneuert werden kann. Diese Maßnahmen erzeugen einen permanenten Computer-Output von Status-quo-Berichten, die in einer direkten Relation zur letzten Planveränderung stehen. Das ist eine simple Aufgabe für unsere Computer. Aber unsere Planungen macht es mit Sicherheit nicht einfacher.

Der Computer in der Produktionssteuerung und -kontrolle eifriger Diener oder tyrannischer Herrscher?

Eigentlich liegt der Nutzen der Computer auf der Hand. Wie kein anderes lnstrument kann er jene Datenmassen bewältigen, die bei der Planung und Kontrolle einer durchschnittlichen Produktion anfallen.

Sogenannte Problemlöser

Aber sie dienen auch als sogenannte "Problemlöser". Wer in der Fertigung verantwortlich arbeitet, weiß, daß es niemals einen perfekten Plan geben wird. Überraschungen sind an der Tagesordnung. Es kann an allen Ecken und Enden kriseln. Wenn Probleme entstehen, sollte der Computer in der Lage sein, Alternativen zu entwickeln, über deren Einsatz der Mensch dann entscheidet.

Bei uns in England ist ein Meeting um 7.30 Uhr typisch für solches Krisen-Management, das ohne den Problemlöser Computer in nichts anderes als in den unsinnigen Versuch ausarten würde, die vorherrschende Anarchie zu verwalten.

Ein gutes Fertigungssteuerungssystem beherbergt ein intaktes Frühwarnsystem, das dafür sorgt, daß echte Krisen vermieden werden. Bei vernünftiger Analyse der vom Computer vorgegebenen Daten kann man dann alternative Lösungen entwickeln, von denen man die auswählt, die das "kleinste Übel" verheißt. Dennoch Überraschungen lassen sich nicht eliminieren. Wie die Atom-Energie birgt der Computer ein gigantisches Gefahrenpotential in sich. Er verführt die Systemplaner zu überzüchteten Programmen, die viel zu sensibel auf die Wirklichkeit reagieren. Durchaus nützliche Prognosemodelle werden zu äußerst gefährlichen Hauptproduktionsplänen, wenn sie direkt vom Computer ausgeführt werden. Allzu dynamische Losgrößen schaffen unnötige Nervosität. Die klassischen Methoden der detaillierten Kapazitätsbedarfsplanung verwechseln Präzision mit Unfehlbarkeit.

So beruhen automatisierte Verfahren, die die Bestellprioritäten abarbeiten, im Prinzip auf lediglich zwei Faktoren:

- Fälligkeitstermin und

- Art der Arbeit.

Dennoch können ein Dutzend anderer Parameter wie Kundenprioritäten, Konventionalstrafen und "stromabwärts"-liegende Kapazitätsengpässe in bestimmten Situationen durchaus viel wichtiger sein. Aber den Ausnahmezustand durch den Systemplaner in einen Generalauftrag zur Verbesserung des Planungssystems zu erheben, wäre fatal. So wie die Konstruktionsingenieure immer wieder etwas finden, mit dem sie das laufende Produkt weiter verbessern können, so werden Systemplaner ständig etwas finden, wodurch das Programm noch eleganter wird. Wenn 90 Prozent der Vorteile mit 10 Prozent der Anstrengung erreicht werden können - und dafür setzen wir ja die Einzelsysteme für die Planung des Kapazitätsbedarfs, der einzusetzenden Zeit und der Input-Output-Steuerung ein -, dann ist ernsthaft zu fragen, ob ich es nicht auf dieser einfachen und preiswerten Art und Weise belasse?

Selbstbestätigung

Die Verfügbarkeit von Hochleistungscomputern verleitet die Fachleute dazu, Anwendungen zu suchen, die einzig der Selbstbeschäftigung dienen. Es ist wie mit teuren Produktionsanlagen: Ihre "Herren" sind erst zufrieden, wenn die Maschinen benutzt werden. Dies gilt für jede Art maschinenunterstützter Produktion.

Die größte Gefahr im Bereich der computerunterstützten Fertigung besteht darin, daß sich das System derart verkompliziert, daß es nicht mehr zu verstehen und zu steuern ist.

Wird das System nicht mehr durchschaut, bleiben nur zwei Möglichkeiten

- entweder folgt man dem Computer blind

- oder ignoriert ihn einfach.

Die Computer-Anweisungen allzu "hörig" zu befolgen, kann zu ernsthaften Fehlern führen. Die jeder Fertigung immanente ... Überraschungen sind so ... daß blindes Vertrauen zu lebensgefährlich wäre. Andererseits: Die völlige Ignoranz gegenüber den Computerbefehlen verlangt die Entwicklung von Untersystemen, die bald keiner mehr überblicken kann. Beide Wege sind unwirksam. Sie führen zu enormen Verschwendungen und zu gewaltigen Fehlschlägen.

Ein mächtiges Computersystem in den Händen eines unzureichend qualifizierten Mitarbeiters ist eine ernsthafte Bedrohung für das Unternehmen. Nur durch die Ausbildung der richtigen Leute läßt sich ein effektives, wirksames integriertes Fertigungssteuerungssystem entwickeln- und durchführen.

Entnommen der Begleitbroschüre zur Polymedia-Trainingskonferenz 81 mit dem Titel "Argumente für das Mögliche", die am 4. und 5. Februar in Düsseldorf stattfindet.