Service-Rechenzentren:

Gefahr durch Kleincomputer?

02.09.1977

MÜNCHEN (ee) - Die Kleincomputer, so will es scheinen, bringen alles in Bewegung: Renommierte Unternehmen erproben, ob sie die eingesetzten Großcomputer nicht durch ein Netz von Kleincomputern ersetzen können.

Eine solche Entwicklung muß auch die Service-Rechenzentren treffen. Sie lebten in starkem Maße von Kunden, deren Datenverarbeitung vom Volumen her keinen eigenen Computer rechtfertigte.

Sinkende Anbieterzahlen

Immerhin hat die Branche bereits einen Schrumpfungsprozeß hinter sich. Während 1971 noch rund 570 Rechenzentren in der Bundesrepublik aktiv waren, sind heute nur noch etwa 400 Unternehmen dieser Art tätig. Diese verminderte Zahl konnte allerdings ihren Umsatz kräftig steigern. Der Jahresumsatz von 845 Mill. DM (1970) erhöhte sich auf 1400 Mill. DM.

Größer ist auch die Zahl der Kunden geworden. Sie stieg im genannten Zeitraum von 360 000 auf 700 000. Von den 700 000 Kunden sind allerdings 600 000 indirekt über ihre Steuerberater angeschlossen. Da diese Kundengruppe in den letzten Jahren erheblich zugenommen hat, kann man davon ausgehen, daß die Zahl der direkten Rechenzentrums-Kunden rückläufig ist.

Gerade bei Großkunden, die einen hohen Umsatz für Service-Rechenzentren erbrachten und inzwischen zur Installation eines eigenen Rechners übergegangen sind, ist die Abwanderungstendenz am deutlichsten erkennbar. 55 Prozent aller Abwanderer setzen einen eigenen Rechner ein, davon 30 Prozent KIeincomputer und 25 Prozent Universalrechner. Daneben unterstützten Fehlplanungen in den Service-Unternehmen den Schrumpfungsprozeß:

- die Rechnerkapazitäten waren oft zu groß angelegt,

- hoher Personalbestand erforderte Umsatzzuwächse, die sich nicht realisieren ließen,

- ein undifferenziertes Leistungsangebot, oft verbunden mit unzureichendem Service, führte zu Kundenverlusten.

Wandel in der Grundanschauung

Mit diesem Schrumpfungsprozeß hat zugleich ein Strukturwandel eingesetzt, der mit Sicherheit noch nicht abgeschlossen ist. Hintergrund ist ein Verhaltenswandel der Benutzer, den nicht nur viele Service-Rechenzentren, sondern auch die Vertriebsexperten der Computerhersteller noch immer übersehen: Der Wandel von der technologieorientierten zur funktionsorientierten Betrachtung der Datenverarbeitung: Den Benutzer interessiert weniger die technische Vorgehensweise als der Effekt einer maschinellen Hilfe. Die Lösung des Rationalisierungsproblems steht im Vordergrund, nicht die Frage, ob die Lösung mit einem plattenorientierten Computersystem, im Stapelbetrieb oder im Dialogbetrieb, im Multitasking oder im Multiprogramming erreicht wird.

Benutzer werden anspruchsvoller

Schritt um Schritt mit der Erweiterung der Hardwarepalette vollzog sich ein Wandel in den Bedürfnissen der Benutzer. Je ausgeprägter das Bewußtsein der Besitzer um die organisatorischen Möglichkeiten der Datenverarbeitung wurde, desto stärker entwickelte sich das Bedürfnis nach zeitnaher Datenverarbeitung.

Hinter diesem Anschauungswandel steckt auch ein Generationswandel: Für die nachrückende Generation der Mitarbeiter wird der Computer selbstverständlicher Bestandteil einer Organisation.

Der andere Trend weist zur Bildung von Spezialitätenmärkten. Gerade hier wird der Strukturwandel die Service-Rechenzentren alter Prägung am stärksten treffen.

Zwei Drittel im Stapelbetrieb

Analysiert man die Rechenzentrumsbranche auf ihre Leistungspalette hin, wird die Schwäche offenbar: Zwei Drittel aller Rechenzentren sind noch zu 100 Prozent mit Stapelverarbeitung ausgelastet.

Womit keineswegs gesagt sein soll daß die Stapelverarbeitung von nun an keinen Markt mehr hätte. Der schwache Punkt der Stapelverarbeitung durch Service-Rechenzentren liegt darin, daß bei vielen Anwendern die Tendenz besteht, zeitkritische Batch-Applikationen künftig im Echtzeitbetrieb zu verarbeiten. Das kann das Rechenzentrum den Kunden kosten, wenn es diesen Service nicht bietet. Hinzu kommt, daß der Markt für Stapelverarbeitung ohnehin nicht mehr expansionsfähig ist. Das Potential für Batch-Applikationen ist weitgehend erschöpft.

Die Gewinnung von Neukunden stößt auf Schwierigkeiten. Analysiert man die deutschen Unternehmen danach, inwieweit sie bereits DV-Leistungen in Anspruch nehmen, so ergibt sich, daß bei Unternehmen in der Größenordnung ab 50 Beschäftigte die Quote derer, die noch keine DV-Leistungen beanspruchen, minimal ist. Absatzchancen bestehen in diesen Betrieben hauptsächlich für Spezialdienste. Ein geringes Potential von etwa 10 Prozent verbleibt noch in der Größenklasse von 10 bis 50 Beschäftigten. Doch auch hier wird man mit den Kleincomputersystemen in Konkurrenz stehen.

Was bleibt, sind die Klein- und Kleinstbetriebe mit 3-9, bzw. 1-2 Beschäftigten, von denen 1,1 bis 1,2 Millionen Unternehmen noch nicht die Segnungen der EDV genossen haben. Geht man davon aus, daß allenfalls 30 Prozent dieser Kleinbetriebe eine sinnvolle Verwendung für DV-Leistungen haben, so würde dieser Markt auf etwa 350 000 potentielle Kunden zusammenschmelzen, von denen ein Teil wiederum über die Steuerberater zu indirekten Verarbeitern werden dürfte.

Neue Anbietergruppen

Neben die erschwerten Expansionschancen im traditionellen Geschäft treten außerdem Bedrohungen aus anderen Dienstleistungsbranchen: Zum Beispiel sind auf Seiten der Kreditinstitute Tendenzen erkennbar, nicht nur die Gehaltskonten ihrer Kunden zu führen, sondern die gesamte Gehaltsabrechnung in den Service einzuschließen. Wenn diese Tendenz um sich greift, werden immer mehr Teile aus dem Servicepaket der Rechenzentren herausgebrochen. Datenverarbeitung beginnt, funktionell arbeitsteilig zu werden.

Die Zukunft der Service-Rechenzentren liegt also eindeutig in der Spezialisierung

- auf bestimmte Kundenkreise (z. B. Lebensmittel-Einzelhändler, Apotheker, Kfz-Sachverständige)

- auf bestimmte Verarbeitungstechniken (z. B. COM)

- auf bestimmte Problemlösungen (z.B. Mischungsrechnungen).

Die stärkste Einzelgruppe unter den Spezial-Rechenzentren bilden Ingenieur- und Konstruktionsbüros, die diesen Service als Zusatzleistung anbieten. Im Gegensatz zu den gewöhnlichen Rechenzentren arbeiten die etwa 50 Betriebe überwiegend mit Kleinrechnern. Der Durchschnittsumsatz liegt unter 0,9 Mill. DM.

Spezialisten: 8 Prozent des Gesamtumsatzes

Umsatzmäßig ist das Gewicht der Spezialrechenzentren noch relativ gering. Mit einem Jahresumsatz von etwa 110 Mill. DM decken diese Betriebe knapp 8 Prozent des Gesamtmarktes ab. Demgegenüber ist ihre Marktposition um so gesicherter. Mit Ausnahme der rund 50 Ingenieur- und Konstruktionsbüros ist der Konkurrenzdruck aufgrund der starken Spezialisierung so niedrig, daß auch mit kleinerer Kundenzahl bzw. niedrigem Umsatz die Rentabilität gewahrt werden kann.