Billigprodukte aus Fernost stiften Unruhe im Mikro-Computer-Geschäft:

Gefälschte IBM-PCs überfluten Weltmarkt

10.02.1984

NORWALK (cw) - Mehrere Firmen aus Taiwan überschwemmen derzeit den DV-Weltmarkt mit Fälschungen von IBM Personal Computern, die denen von Big Blue aber täuschend ähnlich sehen. So bietet das taiwanesische Unternehmen "Mycomb" eine PC-Nachahmung an und auch "Multitech" und "Mitac" sagt man nach, auf den "PC-ähnlichen" Markt zu drängen. Zudem werden diese Geräte billiger als die amerikanischen verkauft. Dies geht aus einer etwa 200seitigen Studie des International Resource Development Inc. (IRD) hervor.

Dem Bericht des amerikanischen Forschungsinstitutes aus Norwalk zufolge, dürften zusätzliche PC-Kreationen von Herstellern aus Hongkong und Singapore bereits auf dem Weg sein. IRD-Marktbeobachter spekulieren, daß IBM möglicherweise an einige Produzenten von PC-Kopien Lizenzen vergeben und nicht wie Apple einen Prozeß gegen diese Unternehmen anstrengen wird.

Eine Lizenz würde nach Ansicht von IRD auf kurze Sicht IBM nicht weh tun, da die Nachfrage nach PCs die Produktion von IBM weit übersteige. Wie von IBM in Stuttgart verlautete, handele es sich bei den Schlußfolgerungen der IRD um reine Spekulationen, die noch nicht bis Deutschland durchgedrungen seien.

Die in Taiwan gefertigten PC-Nachbauten könnten laut IRD den US-Anbietern wie Compaq, Columbia, Texas Instruments, Apple und Radio Shack ernste Probleme bereiten, da die Producer in Fernost auch PC-kompatibles Equipment vermarkten. Darüber hinaus werden einige von den in Taiwan hergestellten Personal Computern für die Hälfte der IBM-PCs verkauft. Die IRD-Studie kommt zu dem Schluß, daß diese Geräte neben den Preisvorteilen möglicherweise auch besser arbeiten als die US Mikros. So fanden die amerikanischen Marktbeobachter heraus daß viele User der Ansicht sind, Original Apple-Geräte seien weniger zuverlässig als die in Taiwan gefertigten "Fälschungen ".

Noch ist nicht klar, so IRD, ob die Kopien auch den PCs aus der IBM-Produktionsstätte in Boca Raton überlegen sind. Für die meisten PC-Verkäufer überwögen beim Kauf der Nachahmungen der Preis sowie die Liefervorteile.

Auf alle Fälle kaufen amerikanische Händler von Mikrocomputern eine ständig steigende Zahl der in Fernost produzierten Mikros, von denen einige sogar bekannte Namen tragen. IRD geht sogar davon aus, daß IBM tragbare Computer möglicherweise in Japan fertigen lassen wird. Eine Verlagerung von Teilen der Produktion in Billig-Lohn-Länder bezeichnete IBM-Deutschland als "Hirngespinst". Ein Sprecher: "Ich wüßte nicht, daß wir ein derartiges Problem schon hätten."

Zu erforschen versucht IRD auch den bisherigen Mißerfolg der japanischen Mikrocomputer-Verkäufer auf dem amerikanischen Markt. Gegenwärtig haben die PC-Schmieden aus Asien nur einen Anteil von zehn Prozent am US-Mikromarkt. Als die erfolgreichsten in Amerika werden die Nippon Electric Co. (NEC) und die Fujitsu beschrieben. "Mehr als zwölf japanische Unternehmen haben beachtliche Investitionen auf dem US-Distributionsmarkt gemacht, sie sind jedoch alle gescheitert", erläutert Stephan Seidman, der Projekt-Manager der IRD-Studie.

Seidman führt den mangelnden Erfolg der meisten japanischen Verkäufer auf das übermäßige Vertrauen in den Versuch, Mikrocomputer durch Equipment-Händler vertreiben zu lassen, zurück. Hinzu kämen Software-Engpässe und ein Mangel an 16-Bit-Mikros, die mit IBM Personal Computern kompatibel seien.

Weiter liege es an der Abneigung der Japaner in Inventar für eigene Verkaufsbüros und Service zu investieren. So verlaufe für sie der Wettbewerb mit andern Dealern äußerst unfruchtbar. Seidman: "Damit lassen sie den ganzen Mikro-Markt durch ihre Finger gleiten".

Jedoch stellen sich die größten japanischen Mikro-Supplier vermehrt auf die Realitäten des amerikanischen Marktes ein. Seidman bezeichnete die kürzliche Übernahme des MSX-Standards - Vereinheitlichung im Mikrocomputerbereich zur Erhöhung der Kompatibilität - als mögliches Anzeichen eines Ausverkaufs der US-Hersteller zugunsten der Japaner. Dies fange am unteren Ende bei den Homecomputern an und setzt sich nach oben fort.

Der Anteil der Mikrocomputer-Anbieter aus Japan auf dem US-Markt, der heute noch bei etwa zehn Prozent liegt, wird aber nach Ansicht von IRD bis 1990 auf etwa ein Drittel anwachsen. Dies werde viele amerikanische Computerhersteller veranlassen, die Billig-Lohnarbeit in Indonesien oder Korea in Anspruch zunehmen. So produziert die koreanische Gold Star Company Ltd. beispielsweise 16-Bit-Minicomputer in Form eines Join-venture-Abkommens mit Honeywell und fertigt ferner Telephone-switching-Equipment für Western Electric, einem Zweigwerk von AT&T. Es halten sich hartnäckige Gerüchte, so Seidman, daß Western Electric plant, von Gold Star einen AT&T-32-Bit-Supermikro in Südkorea herstellen zu lassen.