Regierungskommission zieht McKinsey-Gutachter zu Rate:

Gebührenlast lähmt das Fernmeldewesen

03.04.1987

MÜNCHEN (CW) - Mittelmäßigkeit im internationalen Vergleich bescheinigt die Unternehmensberatung McKinsey der Deutschen Bundespost. In einem nicht veröffentlichten Gutachten, das die Regierungskommission Fernmeldewesen in Auftrag gegeben hat, werden insbesondere überhöhte Gebühren und das wenig attraktive Leistungsangebot kritisiert.

Die Post genügt den Anforderungen der Anwender meist nicht, resümieren die Gutachter in ihrem der "Süddeutschen Zeitung" zugespielten Bericht und verweisen auf Vergleichserhebungen, die in Großbritannien, Frankreich, Schweden, Japan, der Schweiz und den Vereinigten Staaten durchgeführt wurden.

Danach rangiert das Angebot im Bereich "Neuere Dienste/Datenverkehr" - hierzu zählen neben anderen Video-Konferenz-Dienste, Teletex, Telefax - an letzter Stelle. Besonders gravierend zeichnet sich die Diskrepanz zwischen der Bundespost und den sechs anderen PTTs bei den Tarifen für Hochgeschwindigkeitsübertragungen über gemietete Postleitungen ab. Bis zu 15mal liegen die Gebühren für deutsche Anwender über denen, die US-amerikanische oder britische User zu entrichten haben. Auch der augenblickliche Stand in Sachen Electronic Mail wirft trübes Licht auf die Bonner Behörde: Hier muß die Bundesrepublik laut McKinsey einen Rückstand von acht Jahren hinter Großbritannien und USA wettmachen. Lediglich beim ISDN-Projekt kann die Deutsche Bundespost den zitierten PTTs des Auslands Paroli bieten.

Unbefriedigt äußern sich die Marktkenner von McKinsey eben

falls über den Sektor Endgeräte und Systeme. Die Wettbewerbsfähigkeit der geschäftlichen Anwender werde zuwenig gefördert. Darüber hinaus rekrutieren sich hier die Anbieter vornehmlich aus dem Inland; Innovationsschübe aus dem Ausland bleiben aus. Zwar gilt die Qualität der vorhandenen Produkte als ausgefeilt - teilweise jedoch auch als "überspezifiziert". So stehen Anwendern zugunsten genormter "mitteleuropäischer Mund/Ohr-Abstände" nur rund ein Zehntel der Nebenstellenanlagen zur Verfügung, die in den USA angeboten werden.

Kritikpunkte bei den "klassischen Grunddiensten" Telefon und Telefax bilden auch im Fernsprechbereich die Tarifstruktur sowie unzureichender Kundenservice. Dabei dürfte McKinsey zufolge der Kostendeckungsgrad eine Gebührensenkung nicht zulassen; um sich dennoch den Preisverhältnissen in Schweden oder den USA anzupassen, schlägt die Unternehmensberatung der Post vor, ihre Rationalisierungsbemühungen entschieden zu forcieren. Unbeanstandet im Gutachten blieb allein der Telex-Dienst.

Die Bundespost reagierte auf die massive Kritik mit einer offiziellen Stellungnahme, in der sie den Gutachtern "erhebliche methodische Mängel" sowie eine "einseitige Auswahl der verglichenen Leistungsmerkmale" vorwirft. "Flächendeckende Dienstleistungen, wie sie die Deutsche Bundespost bereitstellt", könnten "Inselangeboten oder Großkundenpräferenzen anderer Länder" nicht gegenübergestellt werden.