PC-Integration/Drahtlose Datenkommunikation noch in den Kinderschuhen, aber

Funk: ISDN-artige Bandbreiten sind bereits in Sicht

14.02.1997

So attraktiv die Möglichkeiten der drahtlosen Datenkommunikation sind - es hapert noch an der Umsetzung. Zumindest was die Übertragung von Daten betrifft, haben Festnetze hier weit mehr zu bieten. Dabei wird gerade mobile Kommunikation zu einem immer wesentlicheren Wettbewerbsfaktor im gobalen Markt. Fabian Dömer, Management- und Technologieberater bei der Diebold Deutschland GmbH in Eschborn, unterstreicht: "Die Mobilität per Funknetz ist der richtige Ansatz, über schnellere und aktuelle Informationen eine stärkere Kundenbindung und bessere Servicequalität zu erreichen. Damit wird mobile Kommunikation zu einem Muß für professionelle Anwender."

Mobil zu kommunizieren heißt nicht nur zu telefonieren und zu faxen, auch wenn hier Systemhersteller und Funkdiensteanbieter derzeit ihre hauptsächliche Klientel sehen. Michael Rudolphi, Associate Partner bei der Andersen Consulting GmbH in Sulzbach, macht die immanente Kommunikationslücke im mobilen Kommunikationssystem deutlich: "Vieles läßt sich per Telefon erledigen. Der Nachteil des ausschließlichen Telefonierens ist jedoch, daß erst einmal zwei Personen damit beschäftigt sind und danach die Dateneingabe oder -abfrage vielleicht von Dritten durchgeführt werden muß. Eine umständliche, zeitaufwendige Vorgehensweise, die hohe Kosten verursacht und zudem das Risiko von Fehleingaben birgt."

Doch die sinnvolle Synthese von Daten und Sprache via Funk scheint die Systemhersteller und Funkdiensteanbieter derzeit kaum zu interessieren. Sie beschränken die Bandbreite für die Datenübertragung bisher auf 9,6 Kbit/s. Haben sie doch vorrangig die Sprachkommunikation und hier vor allem den privaten Konsumenten für sich entdeckt und erst an zweiter Stelle den professionellen Anwender. Er darf, wie es scheint, noch warten.

Welches wirtschaftliche Potential für Systemhersteller und Funkdiensteanbieter speziell in der Übertragung von Sprache steckt, macht das GSM-Netz (Groupe Special Mobile - eigentlich ein Sprach-/Datennetz) deutlich. Es verbindet derzeit 4,5 Millionen deutsche Teilnehmer auf Basis der Netze D1 der DeTeMobil (2,2 Millionen) und D2 von Mannesmann Mobilfunk (2,3 Millionen) mit mehr als 150 Netzen in 100 Ländern. Ende 1995 waren es noch knapp drei Millionen Teilnehmer. Nahezu ganz Deutschland wird mittlerweile von GSM-Diensten abgedeckt. Wer mit den gleichen Funktionsmerkmalen wie im GSM-Netz vorwiegend innerhalb Deutschlands telefonieren will, dem steht neben dem D1- und dem D2- das E-Plus-Netz zur Verfügung.

Kommuniziert wird über das GSM-Netz jedoch vor allem per Telefon, gegebenenfalls per Fax. Daten werden darüber kaum versandt. Diebold-Mann Dömer sieht dafür auch auf der Nachfrageseite einen triftigen Grund: "Wenn Informationen in weniger als einer Stunde übermittelt werden müssen, greift der Mitarbeiter wie gewohnt zum Telefon oder nutzt das Fax. Und dafür reicht die 9,6-Kbit/s-Bandbreite des GSM-Netzes aus."

Für die Vermittlung von Daten ist dies jedoch knapp bemessen. Die Folge: Datenanwendungen bleiben auf spezielle Einsatzfelder beschränkt. Walter Gora, Geschäftsführer der Gora, Hecken & Partner GmbH in Sulzbach bei Frankfurt am Main, nennt die Adressaten für den bisher bandbreitenschwachen Datendienst via Funk: "Das Unternehmens-Management, Außendienstmitarbeiter, Verkaufsfahrer, Spediteure sowie Service- und Wartungspersonal. So können Vertriebsbeauftragte den Kunden besser und kompetenter beraten, wenn sie unmittelbaren Zugriff auf die aktuellen Informationsbestände der Zentrale haben." Daneben macht er weitere Anwendungsfelder aus, etwa die Übertragung von Meßdaten aus Meßstationen und Point-of-Sales-Funktionen, beispielsweise um Kreditkarten im Handel zu überprüfen. Außer dieser 9,6-Kbit/s-Datenstrecke steht mit der GSM-Verbindung ein E-Kanal bereit, über den sich Botschaften mit einer maximalen Länge von 120 Byte übermitteln lassen - ausreichend, um beispielsweise Bestellungen an die zentrale Kundendatenbank zu übermitteln oder Notizen an den Kollegen weiterzuleiten.

So knapp diese Bandbreiten für den professionellen Datenverkehr im GSM-Netz auch bemessen sind: Es steckt ein Potential dahinter, das die meisten Unternehmen bislang nicht erkannt haben: Wo Firmen auf die Datenfunkstrecke aufgesprungen sind, beispielsweise im Dienstleistungsbereich, in der Konsumgüterindustrie, im Business-to-Business-Bereich und überall dort, wo es auf schnelle Service-, Beschaffungs- oder Verkaufsreaktionen vor Ort ankommt, können sich die Ergebnisse durchaus sehen lassen. Jürgen Fiedler, Dömers Kollege bei Diebold Deutschland, berichtet aus seiner Beraterpraxis: "Ein Spediteur hat seinen Gewinn um 80 Prozent gesteigert, weil er durch die Mobilität von Mensch und Fahrzeug die Anzahl der Niederlassungen drastisch reduzieren und gleichzeitig den Service um 84 Prozent verbessern konnte. Um 35 Prozent hat ein Unternehmer im Baunebengewerbe seine Kosten senken können. Er konnte mittels Datenkommunikation via Funk Baumaterialien fortan schneller beschaffen, Wartezeiten und Doppelarbeiten reduzieren und Leerkosten drastisch abbauen."

Keine Einzelfälle, wie Geschäftsführer Gora ebenfalls aus eigener Unternehmenspraxis weiß: "Wird der Einsatz der mobilen Kommunikationsgeräte in Verbindung mit dem notwendigen DV-Equipment gut geplant, kann das Unternehmen in der Regel auf eine Senkung der Kosten und des Zeitaufwands und als Konsequenz auf eine Steigerung des Umsatzes zählen."

Als ähnlich rentabel für Unternehmen sieht Rudolphi von Andersen Consulting die Datenvermittlung via Funk vor allem zwischen Außendienst und Zentrale, trotz geringer Bandbreite und immer noch hohen Einstiegskosten und Gebühren: "Bei vielen im Außendienst tätigen Mitarbeitern sind die Kosten für die Sprach-/Datenkommunikation schnell eingespielt, wenngleich die Betriebsrisiken und der Management-Aufwand für die funkbasierte Lösung nicht unterschätzt werden sollten".

In der Summe sind das lockende Datenkommunikationsperspektiven für flächendeckend agierende Unternehmen, zumal sich die Ausgangssituation in absehbarer Zeit ändern wird: Es wird bereits an neuen GSM-Standards wie HSCSD (Highspeed Circuit Switched Data) und GPRS (General Packet Radio Service) gearbeitet, die den Datenfunkverkehr auf bandbreitenstärkere Beine stellen sollen. Mit HSCSD soll dann der Datendurchsatz auf maximal 76,8, mit GPRS sogar auf bis zu 182,4 Kbit/s gesteigert werden. Damit werden auch über Funkverbindungen allmählich ISDN-ähnliche Bandbreitenstärken erreicht werden. Der Wermutstropfen: auf den HSCSD-Standard wird der Anwender voraussichtlich noch bis 1998, auf den GPRS-Standard bis 1999 warten müssen.

Handfeste Realität ist hingegen die daten-/sprachfähige Kommunikationsausrüstung, um ans GSM-Netz zu gehen. Für Notebook oder Laptop, Drucker, datenfunkfähiges Handy, GSM-Netzzugang mit Datenfunkberechtigung sowie PCMCIA-Karte (Personal Computer Memory Card Manufacturers International Association) und Kommunikationssoftware zahlt der Funkteilnehmer rund 9000 Mark. Oder er investiert - etwa zum gleichen Preis - in einen handlichen Kommunikationskoffer mit allen Komponenten. Hat er bereits die Grundausrüstung, sind immerhin noch zirka 4000 Mark für das Handy, die PCMCIA-Karte, die Kommunikationssoftware und die Datenfunklizenz zu zahlen. Und die Gebühren für die Datenübertragung?

Laut Unternehmensberater Fiedler von Diebold Deutschland betragen sie zwischen 350 und 550 Mark pro Monat und Verbindung. Investitionen, die sich seiner Meinung nach, wenn das Anforderungsprofil stimmt, in weniger als einem Jahr amortisieren können.

Kostengünstiger, wenn auch ebenfalls nur über 9,6-Kbit/s-Bandbreite, kann der Anwender über das Modacom-Netz von DeTeMobil kommunizieren - falls er nur den reinen Datentransfer im Auge hat. Denn Sprachübertragung läßt das Modacom-Netz (im Kern ein Datex-P-Netz, in dem mit variablen Paketlängen gearbeitet wird) nicht zu. Abgerechnet wird volumenorientiert, also nur die tatsächlich übermittelte Datenmenge. Dafür müssen, wie Fiedler ebenfalls in zahlreichen Projekten ermittelt hat, zwischen 140 und 180 Mark pro Verbindung und Monat gezahlt werden.

Mit rund 8000 Mark für die Kommunikationsausrüstung ist der Teilnehmer dabei, wenn er drahtlos via Modacom-Netz Daten versenden und empfangen will. Dazu gehören ein Notebook, Laptop oder Modacom-Terminal, ein geeignetes Modem, der Netzzugang zum Modacom-Netz sowie eine adäquate Kommunikationssoftware und ein Drucker. Wer bereits eine Kommunikationsstandardausrüstung besitzt, muß nur noch in das Modacom-Modem und die Kommunikationssoftware, investieren - Kostenpunkt rund 1300 Mark.

Regional über Bündelfunk

Außer der Tatsache, daß er sich auf die Nur-Daten-Übertragung festlegt, muß sich der Teilnehmer im Modacom-Netz noch mit anderen Einschränkungen abfinden. Kommunizieren kann er nur innerhalb Deutschlands, wobei das Funknetz im ländlichen Bereich noch erhebliche Lücken aufweist.

Bleibt eine dritte Möglichkeit - zumindest für den, der ausschließlich im regionalen Bereich via Funk kommunizieren will: die Bündelfunknetze von DeTeMobil und zahlreichen privaten Betreibern wie Regionet, Terrafon und Sprintel. Auch hier lassen sich neben Telefonaten und Faxen auch Daten über 9,6 Kbit/s Bandbreite vermitteln. DeTeMobil ist mit dem Bündelfunkdienst Chekker mit 20 Netzen in Ballungszentren sowie mit weiteren Netzen in ländlichen Regionen präsent. Regionet und Terrafon - beide sollen im März dieses Jahres unter dem Dach der Terrafon Bündelfunk GmbH & Co. KG zusammengefaßt werden - bieten ihren Bündelfunkdienst dann über zwölf A- und sechs B-Lizenz-Regionen an. Mit interessanten Konditionen, wie Rolf-Peter Grumbach, Leiter Marketing bei Terrafon, erklärt: "Der Bündelfunkteilnehmer zahlt eine Grundgebühr von 47 bis 52 Mark pro Wirtschaftsregion, unabhängig vom Übertragungsvolumen. Damit sind die Übertragungskosten für Unternehmen fix kalkulierbar. Zusätzliche variable Kosten entstehen dem Unternehmen nur dann, wenn darüber hinaus Leistungsmerkmale erforderlich sind, beispielsweise ein Zugang zum öffentlichen Telefonnetz."

Das derzeitige Verhältnis zwischen Daten und Sprache in den Regionet- und Terrafon-Netzen gibt Grumbach mit 20 zu 80 an. Daß auch dieser Dienst trotz schmalbandiger Funkstrekken durchaus gute Perspektiven bietet, beweisen unter anderem Delta Airlines am Frankfurter Flughafen. Seit knapp zwei Jahren wird dort über Bündelfunk kommuniziert, um Flüge am europäischen Drehkreuz der Fluggesellschaft reibungslos abzufertigen, die Wartezeiten für die Fluggäste zu verkürzen und die Standzeiten am Boden so gering wie möglich zu halten.

Und wie steht es um das ortsungebundene Telefonieren und Faxen auf dem Betriebsgelände? Hier werden Dect-Systeme (Digital European Cordless Tele- phone) als Lösung mit Zukunft herausgestellt. Der Dect-Standard wurde schon 1992 vom Etsi (European Telecommunications Standards Institute) definiert. Seit drei Jahren gibt es Dect-Telefone im Markt, fast ebensolang schnurlose Dect-TK-Anlagen, die meist als Subsystem zur ISDN-Anlage realisiert werden. Eine ganze Reihe von Herstellern hat sich auf diesen Markt konzentriert, darunter Nokia, Alcatel SEL, Ericsson, Siemens, PKI, DeTeWe und Hagenuk.

Zwölf Kanäle ~a 32 Kbit/s stehen im Dect-Netz zur Verfügung - Kanäle, über die sich auch Daten übertragen ließen, gäbe es die entsprechenden Kommunikationslösungen, um das Notebook via Dect-Netz direkt mit dem Server zu verbinden. Nur auf ausgereifte Lösungen, um Daten über das firmeninterne Dect-Netz zu übertragen, muß der Anwender weiterhin warten. Die wenigen proprietären Lösungen, die existieren, unterstützen wie in externen Funknetzen nur 9,6 Kbit/s statt der vorhandenen 32-Kbit/s-Bandbreite pro Kanal. Auch an einen sicheren Datentransfer via Dect-Netz wurde bisher nicht gedacht, fehlt es doch im Dect-Datenstrom an Fehlerkorrekturfeldern, um Bit-Dreher bei der Übermittlung auszuschließen. Entsprechend deutlich sind die Worte Dömers von Diebold Deutschland: "Nach wie vor ist die Dect-Entwicklung nicht abgeschlossen, bestimmen proprietäre Systeme das Geschehen." Dies beginnt damit, daß sich kein Hersteller mit zwölf Kanälen zu 32 Kbit/s an das Etsi-Standardmaß von 23 Kanälen ê 32 Kbit/s hält. Vor diesem Hintergrund werden die Anwender auch weiterhin auf ein Dual-Mode-Handy, das Dect- und GSM-Netz für eine durchgehende Sprachkommunikation verbindet, warten müssen, auch wenn Hersteller wie die Ericsson GmbH in Düsseldorf bereits zum Sprung auf die duale Telefonie angesetzt zu haben scheinen.

ANGEKLICKT

Drum prüfe, wer sich (für längere Zeit) bindet! Vollmundige Versprechungen sollten den an den "attraktiven" Möglichkeiten der drahtlosen Datenkommunikation Interessierten nicht zu Unvorsichtigkeiten verführen. Auf den ersten Blick geringe Kosten schlagen langfristig und in Massenanwendungen kräftig zu Buche. Kosten-Nutzen-Verhältnis und Flächendeckung der Netze müssen streng unter die Lupe genommen werden.

*Hadi Stiel ist freier Journalist in Bad Camberg